1. Die Entwicklung der modernen Chinawissenschaft in Deutschland - ein Überblick
1.1 Die Entwicklung vom 19. Jahrhundert bis 1945
Die deutsche Chinaforschung kann auf eine lange Tradition zurückblicken, obwohl sich die sogenannten area studies, wie auch im Guide Südostasien von Martin Großheim[1] einleitend thematisiert wurde, in Deutschland im Vergleich zum europäischen und transatlantischen Ausland relativ spät entwickelt haben.
Die Sinologie, welche in Deutschland akademisch bereits seit 1833 an der Berliner Universität durch Vorlesungen zur chinesischen Sprache und Philosophie durch den Orientalisten Wilhelm Schott (1802–1889) etabliert wurde, erfuhr Ende des 19. Jahrhunderts mit der Gründung des außeruniversitären Seminars für orientalische Sprachen, abgekürzt SOS, eine institutionelle Ergänzung.
Neben der universitären Verankerung des Faches, das sich zunächst hauptsächlich mit fernöstlicher Philosophie und Religion sowie der Sprachwissenschaft beschäftigte, wurden in Berlin und Hamburg Kolonialinstitute gegründet, die im Zuge der kolonialen Bestrebungen des Kaiserreichs, das sich wie andere Staaten Europas und Japan einen „Platz an der Sonne“ in China sichern wollte, die Ausbildung von Kolonialbeamten für ihren Dienst im Ausland gewährleisten sollten.[2] Am Hamburger Kolonialinstitut wurde 1909 der erste Lehrstuhl für Sinologie eingerichtet, 1912 folgte der Lehrstuhl an der Berliner Universität und 1914 am Seminar für Ostasiatische Sprachen in Leipzig.[3]
Nach der Besetzung des deutschen „Schutzgebietes“ Jiaozhou (veralt. dt. Bez. Kiaotschou) im Jahr 1898, das nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges unter japanischer Besetzung stand, wurde das Gebiet nach dem Ende des Krieges in den Auflagen des Versailler Vertrages endgültig von der deutschen Vormacht gelöst. Bis zu diesem Zeitpunkt bildete das SOS Juristen für den Überseedienst aus. Das SOS bot den Lernenden eine „Berufschance“ in Fernost und schuf auch im geringen Umfang Ausbildungsplätze für die lehrenden Sinologen.[4] Mit dem Versailler Vertrag 1919 endete die deutsche Kolonialgeschichte, die sich für das Kaiserreich insgesamt als wenig profitabel erwiesen hatte.
Der radikale Bruch mit der Kolonialzeit hatte auch zur Folge, dass bis in die Gegenwart die Kolonien in der deutschen Gesellschaft und Politik keine bedeutende Rolle spielen. Auch die Bedeutung der wenigen „Zeugen“, wie zum Beispiel Denkmälern und Straßennamen in einer Vielzahl von deutschen Städten, ist den meisten Deutschen heute unbekannt. In der Wissenschaft wird dagegen die Frage nach der Nachwirkung der deutschen Kolonialzeit vielfach erörtert. Ein Vorreiter der Auseinandersetzung mit der Thematik bildete die Ausstellung „Tsingtau - ein Kapitel deutscher Kolonialgeschichte in China. 1897–1914“ im Deutschen Historischen Museum vom 27. März – 23. Juni 1998 in Berlin. Der vollständig im Internet verfügbare Katalog zur Ausstellung bietet eine umfangreiche Aufsatzsammlung zum Thema und viele weitreichende Hintergrundinformationen. Im Katalog finden sich in der Rubrik „Aufsätze“ mehr als zwanzig Essays von namhaften SinologInnen und HistorikerInnen zu allen Aspekten des Schutzgebietes in China, zum Beispiel dem Boxerkrieg oder dem Kolonialalltag.
Eine weitere Informationsquelle zum Thema Kolonialgeschichte bietet die Initiative Freiburg-postkolonial.de, die sich als ein auf Freiburger Lokalgeschichte konzentriertes Forum versteht, das unterschiedliche Arten von Materialien zusammengestellt hat, unter anderem eine Digitalisierung der Freiburger Lokalpresse mit ausgewählten Presseartikeln zum Thema koloniale Berichterstattung seit 1852 und eine digitalisierte Dokumentation historischer Quellen und Dokumente sowie Zeitungsartikel aus der Freiburger Zeitung. Speziell zum Schutzgebiet in China finden sich auf der Webseite drei lesenswerte Texte: Brüll, Margarete: Die deutschen Kolonien in der Südsee; Kuss, Susanne: Die Gesetze der Hunnen - Der deutsche "Kolonialkrieg" gegen die Boxer in China und Leutner, Mechthild: China - Dekolonisierung einer Kolonie.
Eine im Vergleich zur kolonialen Wahrnehmung Asiens bemerkenswert sinophile Stimme erhob bis zum Ende des zweiten Weltkrieges in Frankfurt am Main der Missionar und Sinologe Richard Wilhelm (1873–1930), der in seinen Nachrufen als „geistiger Mittler zwischen China und Europa“[12] bezeichnet wird. Als Missionar im Dienste der Ostasienmission verbrachte Wilhelm viele Jahre in dem deutschen Schutzgebiet und zeichnete sich bereits damals durch sein tiefes Verständnis der chinesischen Kultur und sein Bemühen einer Partnerschaft „auf gleicher Augenhöhe“ zwischen den Kulturen aus, die sich in seinen Schriften und Übersetzungen der chinesischen Klassiker widerspiegeln.[13] Wilhelm, der nach seinem Missionsdienst als Diplomat in Peking tätig war, wurde 1922 mit dem Ehrendoktor der Universität Frankfurt ausgezeichnet und gründete in den folgenden Jahren mit Unterstützung privater Spender das China-Institut. Das international bekannte Institut widmete sich hauptsächlich dem transnationalen Austausch im kulturellen und wissenschaftlichen Bereich. Die Publikationen des Institutes, wie der deutsch-chinesische Almanach und die Zeitschrift Sinica (1927–1942) entwickelten sich zu den bedeutendsten sinologischen Publikationen in Deutschland. Heute erinnert das Richard-Wilhelm-Übersetzungszentrum der Universität Bochum an die Wichtigkeit der linguistischen, historischen und soziologischen Aspekte bei der Vermittlung einer fremden Kultur durch die Übersetzung ihrer literarischen Werke.
Die nationalsozialistische „Gleichschaltungspolitik“ nach der Machtergreifung der NSDAP 1933 und das berüchtigte „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ fügten der Sinologie großen Schaden zu, da zahlreiche Wissenschaftler aufgrund ihrer jüdischen Herkunft emigrierten. Die Kolonialinstitute wurden vollständig den nationalsozialistischen außenpolitischen Zielen untergeordnet. So bestand das SOS in Berlin in seiner alten Form weiter, wurde 1935 zur Auslandshochschule (AH) und ab 1940 zur Auslandswissenschaftlichen Fakultät (AWF) umstrukturiert. Die politischen Umbrüche und die Ausrichtung der Außenpolitik des NS-Reiches erforderten ebenso wie die Kolonialpolitik Preußens eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dem modernen China und der tagespolitischen Situation, so dass das ehemalige Kolonialinstitut zwar im Zuge der Gleichschaltungspolitik auf die NS-Ideologie ausgerichtet wurde, sein substantieller Gegenwartsbezug als thematischer Fokus der Lehre bestehen blieb.[15]
Insgesamt betrachtet blieb die Chinawissenschaft, die sich im deutschsprachigen Raum auf die besprochenen Zentren Hamburg, Berlin, Leipzig und Frankfurt konzentrierte (1939/40 gab es auch noch Gründungen in Bern und Zürich), ein „Orchideenfach“, dessen hauptsächliche Aufgaben oftmals im Dienst für den Staat und den bilateralen Handelsbeziehungen lagen.
1.2 Die Nachkriegsentwicklung der Chinawissenschaft
In der DDR
Mit der Etablierung der beiden ost- und westdeutschen Staaten entwickelten sich bis 1989 zwei unterschiedliche Formen der Chinawissenschaft, die beide stark von politischen Ereignissen und den jeweiligen Beziehungen zur VR China determiniert waren. Die Hauptzentren der DDR-Chinaforschung befanden sich in Leipzig und Berlin.
Einen guten Überblick über die Entstehung und Entwicklung der Sinologie in der DDR gibt Roland Felber, der vier Phasen herausstellt, die die Entwicklung der ostdeutschen Chinawissenschaften maßgeblich prägten.[16]
1960er- bis 1970er-Jahre: vom Ausbruch der Kulturrevolution (1966) bis zum Nixon-Besuch in China 1972. In dieser Phase entstand die gegenwartsbezogene Sinologie in der DDR.
1970er-Jahre: Vom Shanghaier Kommuniqué bis zum Beginn des Reformkurses von Deng Xiaoping. Die Annäherung Chinas an Amerika und die Spaltung von der sowjetischen Allianz wurden in der DDR verständlicherweise als eine Bedrohung wahrgenommen. So waren die Jahre nach 1972 zwar von einer regen wissenschaftlichen Tätigkeit gekennzeichnet, die das Ziel der Informationsbeschaffung und -auswertung besaßen, insgesamt herrschte jedoch ein chinafeindlicher Tenor.
1980er-Jahre bis 1986: Vom Beginn der Reformpolitik bis zum Honecker-Besuch in China. Mit dem Ende der Mao-Ära normalisierten sich die außenpolitischen Beziehungen und mit ihnen auch die wissenschaftliche Haltung der DDR-Wissenschaftler, die nun eine im wissenschaftlichem Sinne objektivere und analytischere Chinaforschung betreiben konnten ohne der staatlichen Polemik und Propaganda dienen zu müssen.
1986 bis 1989: Die DDR-Führung war sich in der Ablehnung demokratischer Forderungen, wie sie durch den gesellschaftlichen Wandel in China ausgelöst wurden und die die KPCh zeitweilig in ein Legitimationsdilemma stützten, mit der Regierung in China einig.
In der Bundesrepublik Deutschland
Die meisten der heutigen Institute und Fachbereiche für Sinologie in Westdeutschland wurden im Laufe der 1960er und 1970er Jahre gegründet. Der gut gepflegte Wikipedia-Artikel Sinologie bietet eine detaillierte Übersicht über die Entwicklung der Sinologie in Deutschland, die wichtigsten wissenschaftlichen Einrichtungen sowie ihre Publikationsorgane. Zudem bietet der Wikipedia-Artikel Liste von Sinologen die Namen aller wichtigen Vertreter des Faches aus 23 Ländern.
Seit der Öffnung des Landes in den 1980er-Jahren und der Ausweitung wirtschaftlicher Kontakte rückte die Sinologie in Deutschland aus der Randposition eines „Orchideenfaches“ zunehmend in die Position eines nachgefragten Studienfaches, wobei an den Universitäten jeweils unterschiedliche Schwerpunkte bei der Vermittlung von Chinakenntnissen gelegt werden.
Den aktuellsten Trend der Vermittlung von Sprachkenntnissen und der Förderung von Kulturaustausch bilden die von der chinesischen Regierung geförderten und weltweit gegründeten Konfuzius-Institute, vergleichbar mit Goethe-Instituten. Im Selbstverständnis als „nicht-kommerziell“ und auf die Förderung von Sprachkenntnissen und der Verbreitung der chinesischen Kultur ausgerichtet, wurden seit den letzten Jahren allein in Deutschland sechzehn Konfuzius-Institute, weltweit sind es bereits über 400, gegründet.
Die seit Kurzem aufkommenden Debatten in Amerika, Kanada, und auch in Europa um die Wissensvermittlung durch Konfuzius-Institute und ihre Kooperation mit Universitäten machen deutlich, dass die Vermittlung von Sprache und Kultur Chinas mit politischen Zielsetzungen verstrickt ist.
Bemerkenswert ist, dass die Debatten inzwischen von einer Fülle von Wissenschaftlern und Vertretungen ausgetragen wird, die nicht direkt mit Sinologie zu tun haben, sich aber um den Austausch mit China sorgen. Die Debatten werden inzwischen im Netz dokumentiert unter dem Titel [22] und reflektieren das kulturspezifisch unterschiedliche Verständnis von der Verbindung von Forschung und Politik. Die Debatten machen deutlich, dass die chinesischen Bestrebungen Politik aus dem Klassenraum zu entfernen nichts Einzigartiges sind. Wie viele andere Staaten versucht China in die Wissensvermittlung um seine politische Geschichte einzugreifen. Auf der anderen Seite fordern die Debatten die Vertreter des Faches Sinologie heraus, sich mit der politischen Dimension ihres Berufes auseinanderzusetzen.
2. Chinawissenschaft im Internet
2.1 Fachvereinigungen und -verbände
Spracherwerb und -vermittlung gehören zu den wichtigsten Zielen der meisten ChinawissenschaftlerInnen, da ein fundiertes interkulturelles Verständnis auf der Beschäftigung mit der „Sprache des Anderen“ basiert. Einer der wichtigsten Fachverbände, der ein Netzwerk für SprachwissenschaftlerInnen und ChinesischlehrerInnen bietet, ist der Fachverband Chinesisch e.V. (FaCh). Der 1984 gegründete Verband hat sich zum Ziel gesetzt „zum Aufbau der freundschaftlichen Beziehungen zwischen Menschen deutscher und chinesischer Muttersprache und damit zur Völkerverständigung beizutragen“ sowie umfassend die Vermittlung der chinesischen Sprache zu analysieren und zu unterstützen.
Die European Association of Sinological Librarians (EASL) ist die wichtigste Schnittstelle aller Bibliotheken weltweit, die über China- und Ostasienbestände verfügen. Der Verband bietet vor allem einen systematischen Überblick aller im EASL organisierten Bibliotheken in den jeweiligen Ländern mit Verweis auf ihre chinaspezifischen Kataloge und Bestände.
Die wissenschaftliche Forschung über das zeitgenössische China koordiniert in Deutschland unter anderem die Fachgesellschaft Deutsche Gesellschaft für Asienkunde e.V. in Hamburg. Die SinologInnen sind im Arbeitskreis Sozialwissenschaftliche Chinaforschung (ASC) organisiert.
Die DGA veröffentlicht seit 1981 die Quartalszeitschrift ASIEN. Aus jeder Ausgabe der Zeitschrift werden ausgewählte und deutsche Artikel online veröffentlich. Für jüngere WissenschaftlerInnen bietet die DGA einen gesonderten Arbeitskreis, Nachwuchsgruppe Asienforschung, der regelmäßige Tagungen und Workshops veranstaltet.
Ebenfalls in Hamburg ansässig ist das German Institute of Global and Area Studies (GIGA), Partner der Leibniz-Gemeinschaft. Das GIGA Institut für Asien-Studien wurde 1956 auf Initiative des Deutschen Bundestages und des Auswärtigen Amtes gegründet und ist das einzige außeruniversitäre Forschungsinstitut in Deutschland, das sich ausschließlich mit dem asiatischen Raum befasst. Seinem Selbstverständnis entsprechend arbeitet es mit allen einschlägigen Forschungseinrichtungen innerhalb und außerhalb der Universitäten zusammen. Die Forschungsaktivitäten des GIGA dokumentieren zahlreiche, thematisch breitgefächerte Publikationen, die größtenteils auch online verfügbar sind.
Speziell mit Taiwan befasst sich die Bochumer Forschungsstelle für taiwanesische Kultur und Literatur. Eine weitere wichtige taiwanspezifische Forschungsstelle, European Research Center on Contemporary Taiwan (ERCCT), wurde 2008 an der Eberhard Karls Universität Tübingen gegründet. Als ein interdisziplinäres Forschungszentrum fördert es insbesondere NachwuchswissenschaftlerInnen. Außerhalb Deutschland werden Taiwan Studies zum Beispiel an der SOAS in London gelehrt.
Ein weiteres wichtiges Forschungszentrum ist das French Centre for Research on Contemporary China (CEFC). Die wissenschaftliche Arbeit des CEFC, das eine Zweigstelle in Taipei betreibt, konzentriert sich auf die wirtschaftlichen, kulturellen, sozialen und politischen Entwicklungen in China, Taiwan sowie Hongkong und Macau. In der Publikationsreihe des Zentrums, China Perspectives/Perspectives chinoises, werden die aktuellsten Themen in der sinologischen Forschung international renommierten AutorInnen und HerausgeberInnen aufgegriffen.
2.2 Datensammlungen
Die virtuelle Fachbibliothek Ost- und Südostasien der Staatsbibliothek zu Berlin Crossasia bietet registrierten NutzerInnen das wohl umfangreichste Portal zu fachspezifischen Zeitschriften, Informationsdiensten, Wörterbüchern, digitalen Sammlungen etc. im deutschsprachigen Web. Das Projekt der Ostasienabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin wurde in Kooperation mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) aufgebaut. Zurzeit verweist die Crossasia-Webseite auf folgende ostasienspezifische Kataloge:
Der Online-Katalog der Ostasienabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin verweist auf Literatur in Chinesisch, Japanisch und zentralasiatischen Sprachen ab 1985 nach. Ältere Titel sind in den Kartenkatalogen der Abteilung zu finden.
Crossasia bietet auch eine sehr nützliche und aktualisierte Linksammlung an, die Zugriff auf elektronische Ressourcen zu den Ost- und Südostasienwissenschaften in asiatischen und westlichen Sprachen anbietet, den Online Guide East Asia.
Der Internet Guide for Chinese Studies IGSC der von dem Sinologischen Institut der Universität Leiden geführt wird, versteht sich als eine „virtuelle Bibliothek“ für Chinastudien und ist in Kooperation mit dem Institut für Sinologie in Heidelberg, der Staatsbibliothek in Berlin und der DFG entstanden. Das China Data Center in Michigan, bietet eine sehr umfangreiche, allerdings kostenpflichtige Sammlung von statistischen Daten und anderen Materialien, wie beispielsweise Landkarten an. Zu erwähnen ist noch die Online-Bibliographie des GIGA.
2.3 Ausgewählte digitale Publikationen und Websites
Wer sich im Internet über die Geschichte China informieren möchte, wird verschiedene Angebote finden. Für die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) schrieb Helwig Schmidt-Glintzer eine übersichtliche Darstellung der politischen Geschichte China seit 1949 bis heute. Besonders nützlich ist die Zusammenstellung von Beiträgen zur Kultur und Gesellschaft Chinas und die im Internet dokumentierte Veranstaltung Kulturelles Gedächtnis. China zwischen Vergangenheit und Zukunft.
Die Classical Historiography for Chinese History von Benjamin A. Elman besitzt einen Schwerpunkt auf der Entwicklung bis zur Republik, die der Fall des Qing Kaiserhauses während der Xinhai Revolution 1911 einleitete. Sie bietet eine beträchtliche Ansammlung historiographischer, bibliographischer und themenrelevanter Referenzen. Die gut gepflegte Seite kann man als eigenen Guide verstehen, da sie auch auf viele weitere elektronische Ressourcen verweist.
Zum Andenken an den berühmten amerikanischen Sinologen John King Fairbank (1907–1991) wurde The Fairbank Chinese History Virtual Library an der Harvard Universität gegründet, die die chinesische Geschichte seit dem Ende der letzten Dynastie Qing (1644–1911) aufgreift und verschiedene Materialien zusammengestellt hat.
Über zivilgesellschaftliche Entwicklung sowie die NGOs informiert ausführlich das EU-geförderte Projekt EU-China Civil Society Forum. Neben eigenen , stellt die Website auch neueste aus China zusammen.
Dossiers und Hintergrundinformationen zu den aktuellsten Nachrichten bietet auch die SWP, Stiftung für Wissenschaft und Politik. Das sehr aktive Forum Chinablätter.info ist besonders für seine umfangreiche Zusammenstellung von weltweiten und chinesischen Pressestimmen zu China bekannt.
Wer seine Chinakenntnisse durch Sprachkenntnisse vertiefen möchte, dem stehen auch digitale Wörterbücher zur Verfügung, wie zum Beispiel das Wörterbuch HanDeDict der Chinesisch-deutschen Gesellschaft.
Empfehlenswerte Blogs repräsentieren The China Beat, the China Real Time, Frog in a Well und Dissertation Reviews, eine ganz besonders nützliche Internetplattform, welche die neuesten Doktorarbeiten und Publikationen zum Thema vorstellt.
2.4 Museen und Ausstellungen im Internet
Es finden sich zahlreiche Ausstellungen im Internet, die die Geschichte Chinas thematisieren und teilweise als Lehrmaterial genutzt werden. Das Pekinger Palastmuseum und das National Palace Museum in Taiwan sind besonders nennenswert, weil beide aus einer gemeinsamen Institution, dem Palast Museum das 1925 in der Verbotenen Stadt eröffnet wurde, entstanden sind und aufgrund der politischen Spaltung Chinas während der Republikzeit getrennt wurden. Das Verhältnis zwischen beiden Museen spiegelt bis heute die Beziehungen zwischen Peking und Taipeh.
Das zweite wichtige historische Museum Chinas, National Museum of China, befindet sich am Tiananmen Platz und wurde im Zuge des Ausbaus des Tiananmen Platzes 1958 als eines der zehn Bauten Pekings erstellt, die die Machtetablierung der KP zeigen sollten. Einen sehr guten Überblick über die Geschichte und Bedeutung des Ortes ist zu finden bei Wu Hung Tiananmen Square: A Political History of Monuments.
Das Internet bietet auch vielen privaten Museen eine Plattform, die teilweise eine andere geschichtliche Erzählung präsentieren, als es von politischen Machthabern in China gewollt ist. Als Gegenstimme zur offiziellen Geschichtsdarstellung werden von Interessenvertretern wie Zeitzeugen oder NGOs virtuelle Museen und Ausstellungen initiiert. Ein Beispiel ist das Chinese Holocaust Memorial, das sich den Opfern der chinesischen Kulturrevolution (1966–1976) widmet. Auch das Virtual Museum of the Chinese Cultural Revolution versteht sich als eine Sammlung von Erinnerungen der Rotgardisten und Materialien, die die zum Teil schrecklichen Ereignisse während der Anfangsjahre der Kulturrevolution dokumentieren. Eine virtuelle Sammlung seiner Fotografien, die er als Journalist während der Kulturrevolution aufnahm, stellte der Zeitzeuge und Fotograf Li Zhensheng unter dem Titel „Redcolour-news Soldier“ zusammen.[65]
Das Virtual Museum of the Chinese Cultural Revolution ergänzte seine Sammlung um die Materialien, Fotos und Texte zum in China tabuisierten Thema Tiananmen Massaker. Eine umfangreiche Dokumentation der Ereignisse 1989 auf dem Tiananmen Platz ist auf der Webseite The Gate of Heavenly Peace zu finden, die sich am gleichnamigen Dokumentarfilm orientiert. Seit letztem Jahr hat sich die Hong Kong Alliance in Support of Patriotic Democratic Movements in China gegen Widerstand aus China durchgesetzt und in der Stadt die erste Gedenkstätte fuer Opfer des Tiananmen Massakers June 4th Memorial eröffnet.
3. Fazit
Zurzeit steht ein breitgefächertes Angebot an Websites und Webportalen für die Chinawissenschaften zur Verfügung. Auch die Fachvereinigungen bieten zunehmend ein umfangreiches Netzwerk an Informationsquellen und Ressourcen an, die besonders Studierenden bei der Materialbeschaffung und -organisation behilflich sein können.
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