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Clio-Guide: Vorderer Orient und Nordafrika

Jutta Wintermann / Volker Adam, Clio-Guide: Vorderer Orient und Nordafrika, in: Clio Guide – Ein Handbuch zu digitalen Ressourcen für die Geschichtswissenschaften, hrsg. von Silvia Daniel, Wilfried Enderle, Rüdiger Hohls, Thomas Meyer, Jens Prellwitz, Claudia Prinz, Annette Schuhmann, Silke Schwandt, 3. erw. und aktualisierte Aufl., Berlin 2023–2024, https://doi.org/10.60693/z7at-9k27

1. Vorderer Orient und Nordafrika und digitale Geschichtswissenschaften/digitale Methoden

1.1 Einführung und Forschungsgegenstand

Der Vordere Orient und Nordafrika sind von ethnischer, sozialer, kultureller, sprachlicher und religiöser Vielfalt geprägt. Daher führen Forschungen über diese facettenreiche Region unterschiedliche Disziplinen zusammen. Trotz verschiedener Fragestellungen ist die Forschungsmethodik stark durch das Erschließen von Primärquellen aber auch die Analyse einschlägiger Sekundärliteratur in den Sprachen der sogenannten MENA-Region (Akronym für Middle East and North Africa) charakterisiert. Diese umfasst das arabischsprachige Nordafrika sowie den Vorderen Orient bis ins islamisch geprägte Mittelasien und gelegentlich auch das kulturell und sprachlich verwandte Horn von Afrika sowie den Kaukasus. Die MENA-Region ist durch alte Schrifttraditionen geprägt, die seit der Entstehung der ersten Hochkulturen in Ägypten und Mesopotamien Schriftgüter in kaum schätzbarer Menge hinterlassen haben. Deren Aufarbeitung gehört zu einer der Kernaufgaben der Nahostwissenschaften. In Abgrenzung zur Altorientalistik bzw. Vorderasiatischen Archäologie liegt der Fokus hierbei auf den schriftlichen Hinterlassenschaften der orientalisch-christlichen Kirchen sowie der islamisch geprägten Kulturen der Region.

Neben historiographischem Material stehen in der Forschung Quellen zur Kultur-, Religions-, Geistes- und Sozialwissenschaft sowie zur Literaturgeschichte im Vordergrund. In der Ausbildung wird ein deutlicher Schwerpunkt auf die Philologie gesetzt, wobei je nach Quellenlage in den Unterdisziplinen auch paläographische Kenntnisse vermittelt werden. Die Erschließung, Interpretation und Edition von historisch bedeutsamen Handschriften, aber auch gedrucktem Kulturgut bleibt eines der zentralen Aufgabenfeld der Nahostdisziplinen und setzt entsprechende philologische Expertise voraus.

Aufgrund der sprachlichen Herausforderungen gestaltet sich eine exakte Abgrenzung zwischen philologischen und geschichtswissenschaftlichen Herangehensweisen mitunter schwierig. Literatur-, religions- oder kulturwissenschaftlich interessierte Forscher:innen können zum Beispiel bei der Aufarbeitung des für sie einschlägigen Materials auch für die Geschichtsschreibung relevante Fakten sichtbar machen.

Gleichwohl erleben die Nahostwissenschaften in den letzten Jahrzehnten einen Wandel. Mit dem verstärkten Aufkommen der Regionalwissenschaften (Area studies) treten vermehrt sozial- und politikwissenschaftliche Fragestellungen in den Vordergrund, wobei auch hier die Beherrschung der regionalen Sprachen unerlässlich ist. In einem zunehmend digital geprägten Forschungsumfeld stellt dabei die Visualisierung, Auffindbarkeit und Durchsuchbarkeit von Quellen in unterschiedlichsten Schriften und Transkriptionen eine der großen Herausforderungen der nahostwissenschaftlichen Fächer dar.

Zur Geschichte des Faches

Die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Region Vorderer Orient ist unter einer Vielzahl von Namen bekannt, die in etwa die gleiche Disziplin bezeichnen: Islamwissenschaft, Orientalistik, Orientwissenschaft, Nahostwissenschaft, Middle Eastern Studies. Die Disziplin entstand im 19. Jahrhundert, wobei sich damals der Terminus „Orientalist“ als Bezeichnung für die Forschenden durchsetzte. Die Orientalistik umfasste zu Beginn alle Disziplinen, die sich insbesondere in sprachwissenschaftlicher Hinsicht mit dem gesamten „Orient“ beschäftigten, also im weitesten mit den Asien- und Afrikawissenschaften wie auch insbesondere der Judaistik. Im Zuge der kolonialen Durchdringung der Länder Asiens und Afrikas durch europäische Mächte kam es auch zu einer akademischen Ausdifferenzierung, so dass sich der Begriff Orientalistik zunehmend auf die MENA-Region einengte. Die Verwendung des Begriffs „Orientalistik“ ist heute allerdings aufgrund der Nähe zum Kolonialismus und der Exotisierung nahöstlicher Kulturen stark in die Kritik gekommen, so dass es in jüngster Zeit oft zu Umbenennungen früherer „orientalischer Institute“ kommt. Als Oberbegriff für die verschiedenen Fachrichtungen beginnt sich der Terminus „Nahostwissenschaft“ durchzusetzen. Vor dem 19. Jh. standen Hebräisch und die Sprachen der orientalischen Christen im Mittelpunkt der Orientalistik. Erst Ende der ersten Hälfte des 19. Jh. emanzipierte sich allmählich die Beschäftigung mit dem Islam als eigenständige Disziplin. So veröffentlichte Gustav Weil 1844 seine Historisch-kritische Einleitung in den Koran. 1854 etablierte sich dann die Deutsche Morgenländische Gesellschaft als erste Vereinigung deutscher Orientalisten.[2] Die Gründung dieser bis heute bedeutsamsten Fachvereinigung fiel zeitlich mit dem Aufkommen deutscher Kolonialambitionen sowie einer wachsenden Zahl aus der MENA-Region zusammengetragener Dokumente und Artefakte zusammen. Kurz vor und während des Ersten Weltkrieges begann sich ein Teil der deutschen Nahostwissenschaftler für zeitgeschichtliche Phänomene zu interessieren und plädierte für eine Unterstützung der deutschen Außenpolitik durch die Fachwissenschaft.

Unter den Nationalsozialisten wurden die islam- und nahostwissenschaftlichen Institutionen außenpolitischen Interessen untergeordnet und entsprechend umstrukturiert. Einige wenige Nahostwissenschaftler verließen nach der Machtübernahme Deutschland, die Mehrzahl aber kooperierte in unterschiedlich starkem Ausmaß mit den neuen Machthabern bzw. unterstützte deren ideologische Ziele. Als Folge kam es 1945 zu einem Verbot der DMG – eine Neugründung erfolgte 1949 in der Bundesrepublik Deutschland.

In der Bundesrepublik apolitisierte sich die Nahostwissenschaft nach den Erfahrungen der ersten Hälfte des 20. Jh. Der Schwerpunkt der Lehre und Forschung an den Hochschulen verlagerte sich wieder in den philologischen Bereich. Ab den 1970ern traten den klassisch ausgerichteten Instituten jedoch deutlich stärker sozial- und kulturwissenschaftlich Forschende entgegen, deren Fokus auf aktuellen gesellschaftlichen Realitäten lag. Bis heute ergänzen sich beide Strömungen in der Forschung.

In der DDR wurden parallel zu den klassisch ausgerichteten orientalistischen Seminaren die Asien-, Afrika- und Lateinamerikawissenschaften ins Leben gerufen. Mit ihrer Hilfe sollten die außenpolitischen Beziehungen zu den Staaten der MENA-Region sowie vorhandene antikolonialistische Befreiungsbewegungen gestärkt werden. Nach der Wiedervereinigung wurden die bestehenden akademischen Einrichtungen den neuen akademischen Verhältnissen angepasst, wobei zum Beispiel das zu DDR-Zeiten auf gegenwartsbezogene Forschung ausgerichtete Leipziger Orientinstitut in ein stärker auf die Philologie gestütztes Seminar umgewandelt wurde. Aus der 1991 aufgelösten Ostberliner Akademie der Wissenschaften ging das Zentrum Moderner Orient (ZMO) hervor.[3]

Heutige Forschungsausrichtung

Kennzeichnend für die Nahostwissenschaften ist weiterhin die Aufteilung in eine Vielzahl von Unterdisziplinen. Diese können sprachlicher oder fachlicher Natur sein. So gibt es mehrere Institute, die sich den größeren Sprachfamilien (Arabisch/Semitistik, iranische Sprachen, türkische Sprachen) widmen, dabei aber inhaltlich unterschiedlich ausgerichtet sein können. Neben rein linguistischen oder philologischen Schwerpunkten kann die Ausrichtung auch dezidiert geschichtswissenschaftlich ausfallen.

Einige Disziplinen besitzen einen überregionalen, wenn nicht globalen Charakter. So behandelt die Lehre vom Christlichen Orient Religionsgemeinschaften in Nord- und Ostafrika, dem Kaukasus sowie dem Nahen und Mittleren Osten bis nach Südasien. Die Islamwissenschaft wiederum ist im Prinzip transnational ausgerichtet, wenn sich auch viele Lehrstühle auf die engere MENA-Region, also den arabisch-, persisch- oder türkischsprachigen Raum, begrenzen. Zunehmend rückt aber auch der Islam in Ost- und Südasien sowie in Europa in den Fokus der Forschung.

Digital Humanities

Unter dem Begriff Digital Humanities versteht man die Digitalisierung und Analyse von Text-, Bild- und Tonmaterial, um dieses dann auf entsprechenden Repositorien für weitere Forschungszwecke zur Verfügung zu stellen. Um das Material auf den Repositorien auffindbar zu machen, ist eine Beschreibung mit fachspezifischen Metadaten erforderlich, die sich auf die Art des Materials, Umfang, Alter, Erhaltungszustand und weitere Eigenschaften beziehen. Dabei ist zu beachten, dass Formate und Metadaten standardisiert vorliegen, damit sie über digitale Suchräume auffindbar und zugänglich gemacht sowie für weitere Forschungen nachnutzbar gehalten werden.

Generell ist festzustellen, dass in den Nahostwissenschaften die Beschäftigung mit methodischen, technischen und rechtlichen Aspekten von Forschungsdaten noch nicht so ausgeprägt ist wie in anderen Fachrichtungen. Erst allmählich entsteht ein Bewusstsein dafür, wann und wie Forschungsdaten entstehen und was beim Umgang mit diesen Daten beachtet werden muss.

Die Nahostwissenschaften stehen angesichts einer Vielzahl von Original- und Umschriftzeichen, von multiskriptualen Texten sowie von rechts-nach-links läufigen Schriften beim Edieren digitaler Texte, der Anwendung von Text und Datamining Tools sowie der Beschreibung von Metadaten vor besonderen fachspezifischen Herausforderungen. Vermehrt entstehen aus nahostwissenschaftlichen Projekten heraus Hilfetools, die beispielsweise bei der Suche und der Markierung einzelner Wörter oder längerer Textstellen[4], bei der Transliteration einzelner arabischer Zeichen oder ganzer Wörter[5], bei der Ergänzung von Endungen arabischer Wörter entsprechend grammatischem Numerus und Genus[6], bei der Ergänzung osmanischer Termini oder bei der Berechnung von Zahlenwerten arabischer Buchstaben[8] usw. unterstützen. Da die MENA-Region eine Vielzahl verschiedener Zeitrechnungssysteme umfasst, sind in den historischen Nahostwissenschaften vor allem Tools zur Umrechnung von Datumsangaben hilfreich. Am bekanntesten ist die Zeitrechnung nach der Hidschra als islamische Zeitrechnung. Sie beginnt mit der Auswanderung (hiǧra) des Propheten Muhammad von Mekka nach Medina, nach christlicher Zeitrechnung im Jahr 622. Eine unterschiedliche Einteilung der Monate, und damit auch der Jahresangaben, ergibt sich bereits dadurch, ob Mond- oder Sonnenjahre zugrunde gelegt werden. Entsprechende Tools, die mitunter eine Vielzahl von Zeitrechnungssystemen berücksichtigen, werden bereits auf vielen Internet-Seiten zur Verfügung gestellt, wie z.B. NABKAL oder Muqawwim.

Digitale Medien – Allgemeine Hinweise und Besonderheiten

Als besonderes Problem bei der Recherche nach Quellen und Sekundärliteratur aber auch der Edition erweist sich die Sprachen- und Schriftenvielfalt der Region. Die linguistische Komplexität zeigt sich nicht nur in den drei großen Sprachrichtungen Arabisch, Persisch und Türkisch. Die Region umfasst darüber hinaus auch viele kleinere Sprachen, einerseits als Varianten der drei Hauptsprachen wie beispielsweise Dari oder Tadschikisch für Persisch oder das historische Osmanisch für das heutige Türkisch, zum anderen aber auch Sprachen mit eigenen, komplexen Schriftsystemen wie das Armenische und Georgische im Kaukasus, das Syrisch-Aramäisch für den Christlichen Orient oder das Amharische in Äthiopien.

Die Recherche nach einschlägiger Literatur in deutschen Katalogsystemen wird zusätzlich dadurch erschwert, dass die originalsprachliche Literatur bis in die jüngste Vergangenheit ausschließlich in lateinischer Transliteration jedoch auf Grundlage international unterschiedlicher Transkriptionskonventionen erschlossen wurde. Erst in jüngster Zeit wird zunehmend versucht, die Literatur auch in westlichen Nachweisinstrumenten in Originalschrift zu erschließen, was insbesondere die digitale Recherche erleichtert.

Die größte Bedeutung in den Nahostwissenschaften kommt zweifelsohne der arabischen Schrift zu, in der seit dem 7. Jahrhundert arabische Texte, seit dem 9. Jahrhundert neupersische und wenig später auch türkische Texte vorliegen. Im Gebiet der ehemaligen Sowjetunion spielt außerdem die kyrillische Schrift eine herausragende Rolle, wobei insbesondere die Turksprachen der Region wie Aserbaidschanisch, Usbekisch oder Kasachisch immer wieder von Wechseln der Schriftsysteme betroffen sind. So kann es vorkommen, dass eine Sprache zu einer bestimmten Zeit in unterschiedlichen Ländern in abweichenden Alphabeten geschrieben wurde und wird: So wird das Usbekische heutzutage parallel in arabischer Schrift (Afghanistan) sowie Kyrilllisch und Lateinisch (Usbekistan) geschrieben.

In Bezug auf Umschriften ist zu unterscheiden: Zum einen die schriftbasierte, buchstabengetreue und damit eindeutig rückübertragbare Transliteration; zum anderen die aussprachebasierte Transkription, die eine Kenntnis der jeweiligen Aussprache voraussetzt und nicht in die entsprechende Schrift rückübertragbar ist. Die arabische Schrift stellt in diesem Zusammenhang ein besonderes Phänomen dar, da nicht alle Vokale in der Schrift wiedergegeben werden.

Im deutschsprachigen Raum erfolgt die Umschrift der arabischen in die lateinische Schrift für die Sprachen Arabisch, Persisch, Kurdisch, Urdu und Paschto standardmäßig nach DIN-Norm 31635, die im Wesentlichen auf der 1936 eingeführten Umschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (DMG) für Arabisch und Persisch beruht. In der deutschen Islam- und Nahostwissenschaft wird diese Umschrift aufgrund ihrer philologischen Exaktheit anderen Systemen wie ISO oder ALA-LC immer noch vorgezogen. Im Bibliothekswesen sind die DIN-Normen verpflichtend, wobei Sucheinstiege auf der Basis der ALA-LC Transliterationen häufig zusätzlich angeboten werden. Dies gilt auch für die Originalschriften, die in den Jahren seit 2012 vermehrt parallel zur Umschrift in den Katalogdaten nachgewiesen wird.

Die Transliteration kyrillischer Schriftzeichen nicht-slawischer Sprachen in das lateinische Alphabet ist in DIN 1460-2 festgelegt, die eine Übersichtstabelle für 62 Sprachen des kaukasisch-asiatischen Raums umfasst. Mit der DIN 32706 liegt eine Norm für das armenische und mit der DIN 32707 eine für das georgische Alphabet vor. Eine DIN-Norm für das syrische Alphabet ist gegenwärtig in Vorbereitung.

Im übrigen Europa sind die Umschriften nach dem Internationalen ISO-Standard gebräuchlich: ISO 233 für die arabische Schrift (Transliteration of Arabic characters into Latin characters), ISO 9 für die kyrillische Schrift (Transliteration of Cyrillic characters into Latin characters – Slavic and non-Slavic languages), ISO 9985 für die moderne armenische Schrift sowie ISO 9984 für die georgische Schrift.

Von nordamerikanischen Bibliotheken und seit 1975 auch von der British Library werden die Transkriptionsstandards nach ALA-LC (ALA-LC Romanization oder Library of Congress Romanization) verwendet, die von der American Library Association (ALA) gemeinsam mit der US-amerikanischen Library of Congress (LC) festgelegt wurden.

Darüber hinaus verwenden international renommierte Nachschlagewerke wie die Encyclopaedia of Islam (EI2) oder die Encyclopaedia Iranica (EIr) eigene Umschriftsysteme. Ein Überblick über unterschiedliche Umschriftsysteme für nahostrelevante Sprachen findet sich auf den Seiten des Fachinformationsdienst (FID) Nahost-, Nordafrika- und Islamstudien, Menalib. Für das Osmanische konnte sich bisher kein offizieller Standard etablieren, was insbesondere in den zahlreichen Wörtern arabischen und persischen Ursprungs begründet ist. Bei der Wiedergabe von Druckwerken orientieren sich Osmanist:innen meist am modernen Türkisch unter Verwendung der Umschrift von Özege.[21] Im Falle von Handschriften wird heute am häufigsten die Transliteration der İslâm Ansiklopedisi (İA) von 1940 verwendet.

1.2 Projekte und Autor:innen

Gegenwärtig wird an mehreren Langzeitprojekten zu unterschiedlichen Aspekten der Geschichte der MENA-Region geforscht: Das Projekt The Early Islamic Empire at Work - The View from the Regions Toward the Center an der Universität Hamburg wurde in vier Projektphasen von 2014 bis 2019 vom European Research Council (ERC) gefördert. Erforscht wurden die politischen und wirtschaftlichen Wirkungsmechanismen früher islamischer Imperien (660–940 n. Chr.) aus der Perspektive der regionalen Verwaltung und der Einbindung örtlicher Eliten in den politischen Gestaltungsprozess des Kalifats. Mehrere Nachfolgeprojekte folgten an der Universität Hamburg, so etwa RomanIslam – Center for Comparative Empire and Transcultural Studies am Center for Advanced Study. Mit Methoden der vergleichenden Imperiumsforschung wird hier der Frage nachgegangen, wie in Nordafrika und auf der Iberischen Halbinsel von der Spätantike bis zum Ende des ersten Jahrtausends n. Chr. transkulturelle Assimilationsprozesse stattgefunden haben. Die Hamburger Forschungsgruppe Social Contexts of Rebellion in the Early Islamic Period (SCORE) untersucht gefördert von der DFG (2020–2026) Akte der Rebellion im achten Jahrhundert n. Chr., also in der Zeit des Übergangs zwischen dem Kalifat der Umayyaden und der Abbasiden. Ebenso in Hamburg angesiedelt ist das Exzellenzcluster Understandig Written Artefacts (Laufzeit 2019–2025), in dem die Entwicklung und die Funktionen von Schriftarten in Manuskriptkulturen weltweit untersucht werden. Mehrere Teilprojekte fokussieren dabei aus historischer Perspektive auf die Schriftkulturen des nachantiken Vorderen Orients.

Der Geschichte der arabischsprachigen Literaturen vom 12. bis 19. Jahrhundert ist das Langzeitprojekt Bibliotheca Arabica der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig gewidmet, wobei hier explizit auch auf die Manuskriptgeschichte eingegangen wird.

Transottomanica fokussiert als DFG gefördertes Schwerpunktprogramm seit 2017 auf die transkulturellen Verbindungen und Kommunikationswege zwischen Russland, Polen-Lithauen, dem Osmanischen Reich und Iran von der Frühen Neuzeit bis zu Beginn des 20. Jh., um somit einen Beitrag zum Verständnis neuzeitlicher Globalisierungsprozesse zu gewinnen.

Am internationalen Bonn Exzellenzcluster Center for Dependency and Slavery Studies (BCDSS) werden aus transdisziplinärer Perspektive soziale Abhängigkeitsverhältnisse wie Sklaverei, Leibeigenschaft, Schuldknechtschaft und andere Formen der dauerhaften Abhängigkeiten über Epochen, Regionen und Kulturen hinweg erforscht. Der Fokus liegt dabei nicht auf der modernen Welt, sondern auf ihren vielfältigen Vorläufern in asiatischen, amerikanischen, afrikanischen und europäischen Gesellschaften.

Unter Beteiligung des Marburger Centrum für Nah-und Mittelost-Studien wird das internationale Projekt EGYLandscapes durchgeführt, in dem basierend auf Kartenmaterial eine Datenbank zur Analyse der historischen Landschaften Ägyptens vom 13. bis 18. Jahrhunderts entsteht. Die mamlukische Geschichte steht wiederum im Fokus des Annemarie Schimmel Kollegs "History and Society during the Mamluk Era (1250–1517)", Centre for Advanced Studies. Der islamischen Medizingeschichte und der griechisch-arabischen Übersetzungstätigkeit der abbasidischen Epoche ist das Münchner Projekt Usaybia gewidmet.

Eine Reihe von Projekten liegt eher an der Schnittstelle von Philologie, Religionswissenschaften und Geschichtswissenschaft: Das Freiburger ERC-Projekt The Global Qoran analysiert zum Beispiel historische und zeitgenössische Koranübersetzungen und zielt darauf, philologische, historiographische sowie anthropologische Herangehensweisen zu vereinigen.

Angesiedelt an der Berlin-Brandenburger Akademie der Wissenschaften ist das Langzeitprojekt Corpus Coranicum Das Vorhaben macht frühe Handschriften in Bild und Text zugänglich und stellt die islamische Lesartenliteratur systematisch dar. Damit liefert Corpus Coranicum eine gesicherte Textbasis, die eine historisch-kritische Erschließung der Textgeschichte erstmalig möglich macht. Das Tübinger ERC-Project The Qur‘an as a Source for Late Antiquity (2020–2025) durchleuchtet die Bedeutung des Korans für die Geschichte der Juden und Christen der Spätantike. Der Koran wird dabei aus religionswissenschaftlicher Perspektive als historische Primärquelle und disziplinübergreifend als Zeugnis für die Geschichte des Judentums und des Christentums betrachtet.

An der Freien Universität Berlin ist ein religionsgeschichtliches Projekt aus dem Fachbereich Iranistik angesiedelt, das Corpus Avesticum Berolinense. Ziel ist es, erstmalig den gesamten avestischen Textkorpus des Zoroastrismus digital zugänglich zu machen. Der Erforschung syrisch-christlicher Literatur und Kultur ist das international ausgerichtete Projekt Syriaca.org gewidmet.

1.3 Institutionen und Verbände

Die älteste, heute noch aktive wissenschaftliche Vereinigung deutscher Orientalist:innen ist die Deutsche Morgenländische Gesellschaft (DMG). Sie wurde am 2. Oktober 1845 in Darmstadt gegründet. Ihre Mitglieder befassen sich vorwiegend mit Sprachen und Kulturen Asiens, Ozeaniens und Afrikas. Die in der DMG vertretenen wissenschaftlichen Disziplinen sind: Altorientalistik, Semitistik, Judaistik, Arabistik, Islamwissenschaft, Christlicher Orient, Iranistik, Indologie, Turkologie, Zentralasienkunde, Indogermanistik, Mongolistik, Tibetologie, Sinologie, Japanologie, Südostasienkunde, Afrikanistik und verwandte Gebiete. Innerhalb der DMG haben sich mehrere Arbeitssektionen gegründet: Arabistik, Indologie und Südasienstudien, Iranistik, Islamwissenschaft, Semitistik, Wissenschaft vom Christlichen Orient.

In einem Abstand von drei bis fünf Jahren organisiert die DMG den Deutschen Orientalistentag DOT. Die Teilnahme an einem Deutschen Orientalistentag steht deutschen und ausländischen Fachgelehrten offen, und der DOT gilt als größte und älteste nationale Fachveranstaltung dieser Art.

Die 1993 gegründete DAVO (Deutsche Arbeitsgemeinschaft Vorderer Orient) ist ein Interessenverband von Wissenschaftler:innen, die sich für eine gegenwartsbezogene Forschung zum Vorderen Orient interessieren. Eines der Hauptziele der DAVO ist der Informationsaustausch zwischen den Verbandsmitgliedern über interdisziplinäre Fragestellungen zum Vorderen Orient und dessen weltweite Vernetzungen. Der alljährlich stattfindende Internationale DAVO-Kongress bietet insbesondere dem wissenschaftlichen Nachwuchs die Möglichkeit, eigene Arbeiten vorzustellen und im Rahmen von Werkstattgesprächen unter Betreuung erfahrener DAVO-Mitglieder die Konzepte ihrer Dissertationen zur Diskussion zu stellen.

Die Gesellschaft für Turkologie, Osmanistik und Türkeiforschung e.V. (GTOT) wurde 2011 als wissenschaftliche Dachorganisation und Interessenvertretung von Wissenschaftler:innen gegründet, die über philologische, historische, sprach-, literatur-, kultur- oder sozialwissenschaftliche Fragestellung mit Bezug zur Türkei, dem Osmanischen Reich, Zentralasien und dem Kaukasus sowie weiteren turksprachigen Volksgruppen forschen. Die Gesellschaft ist daher interdisziplinär und regionenübergreifend ausgerichtet. Die GTOT organisiert seit 2014 alle zwei Jahre den Turkologentag (European Convention on Turkic, Ottoman and Turkish Studies). Vorläufer des Turkologentags war die Deutsche Turkologenkonferenz (1987 bis 2005).

Im Comité International des études Pré-Ottomanes et Ottomanes (CIÉPO) kommen seit 1974 europäische Wissenschaftler:innen zusammen, um sich über Forschungsansätze und -ergebnisse zur Geschichte des Osmanischen Reichs sowie des vorosmanischen Anatoliens austauschen. Europäische Nahostwissenschaftler sind zudem seit 1962 in der Union Européenne des Arabisants et Islamisants (UEAI) organisiert, die Forschungen zur Geschichte, Kultur, Sprachen und Religionen des arabisch-islamisch geprägten Nahen Ostens unterstützt.

Deutsche Iranist:innen sind in der seit 1967 aktiven Association for Iranian Studies (AIS) organisiert, die seit 1993 internationale Konferenzen durchführt. Neben der Geschichte Irans stehen dabei auch weitere iranischsprachige Bevölkerungsgruppen im Nahen und Mittleren Osten im Blickfeld der Forschung.

Zu weiteren internationalen Fachgesellschaften der Nahostwissenschaft, die einen historiographischen Schwerpunkt besitzen, gehören zum Beispiel die Middle East Medievalists (MEM). Im Interessenfokus steht hier der Nahe Osten während des Zeitraums 500 – 1500 n. Chr.

Das Islamicate Digital Humanities Network (IDHN) vereinigt Wissenschaftler:innen, die zu islamwissenschaftlichen Fragestellungen mit den Methoden der Digital Humanities forschen. Zweimal jährlich hält das Netzwerk Online-Konferenzen ab.

Institute – Universitäten

An Universitäten wie an Forschungsinstituten werden die drei größeren Fachbereiche Arabistik/Semitistik, Iranistik und Turkologie in unterschiedlicher Ausdifferenzierung angeboten. Und selbst innerhalb einer sprachlich definierten Fachrichtung wie z.B. der Turkologie, werden meist Schwerpunkte gesetzt und selten das Fach in seiner ganzen regionalen Breite erforscht. Die bestehenden Institute sind in ihrer wissenschaftlichen Methodik zudem sehr unterschiedlich aufgestellt: religionswissenschaftlich, philologisch, historisch aber auch sozialwissenschaftlich. Historiographische Fragestellungen werden daher durchaus an Instituten bearbeitet, die dem Namen nach zu einem philologischen Fach oder zur Islamwissenschaft zählen. In der Ausbildung dient dabei die Bachelor-Phase oft zunächst der Aneignung ausreichender philologischer Kenntnisse. Eine methodologische Schwerpunktbildung erfolgt meist erst im Masterstudium. In den Regionalwissenschaften (Area Studies), die sich vereinzelt auch mit der Geschichte der MENA-Region beschäftigen, besteht die Herausforderung, neben der Aneignung methodologischer Kompetenzen auch ausreichend regionale Sprachkenntnisse zu vermitteln.

An 23 Hochschulorten in Deutschland sind derzeit nahostwissenschaftliche Seminare bzw. Institute vertreten. Hiervon weisen einige einen dezidiert geschichtswissenschaftlichen Schwerpunkt mit besonderem Fokus auf der arabischsprachigen Welt auf: Abteilung für Geschichte und Kultur des Vorderen Orients (Hamburg), Seminar für Arabistik und Islamwissenschaft (Halle), Professur für Geschichte Westasiens (Erfurt), Seminar für Arabistik/Islamwissenschaft I–II (Göttingen), Seminar für Orientalistik und Islamwissenschaft (Bochum), Institut für Sprachen und Kulturen der islamisch geprägten Welt (Köln), Institut für Orient- und Asienwissenschaften (Bonn), Institut für Arabistik und Islamwissenschaft (Münster), Zentrum für Islamische Theologie (Münster), Centrum für Nah- und Mittelost-Studien (Marburg), Arbeitsbereich Geschichte des Islams im östlichen Mittelmeerraum (Mainz), Seminar für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients (Heidelberg), Abteilung für Orient- und Islamwissenschaft (Tübingen), Orientalisches Seminar (Freiburg), Institut für Orientalistik (Bamberg), Institut für Orientalistik (Erlangen-Nürnberg), Lehrstuhl Islamwissenschaft (Bayreuth) sowie Institut für den Nahen und Mittleren Osten (LMU München). Am Institut für Orientalistik, Indogermanistik, Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie (Jena) bildet die Geschichte des vorislamischen Arabiens (arabische Halbinsel) den Forschungsschwerpunkt.

Die Erforschung der Geschichte Irans sowie des iranischsprachigen Nahen Ostens findet schwerpunktmäßig an der Abteilung für Geschichte und Kultur des Vorderen Orients (Hamburg), dem Institut für Iranistik (FU Berlin), dem Seminar für Iranistik (Göttingen), dem Centrum für Nah- und Mittelost-Studien (Marburg), dem Institut für Orientalistik (Bamberg) sowie dem Institut für den Nahen und Mittleren Osten (LMU München) statt.

Die Osmanistik, d.h. die kulturwissenschaftliche Erforschung des Osmanischen Reiches anhand seiner Quellen, ist an einer Reihe turkologischer Einrichtungen stark ausgeprägt, so an der Abteilung für Geschichte und Kultur des Vorderen Orients (Hamburg), am Institut für Osmanistik und Turkologie (FU Berlin), am Institut für Orientalistik (Bamberg), am Institut für den Nahen und Mittleren Osten (LMU München) sowie am Seminar für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients (Heidelberg). Die moderne Geschichte der Türkei wird an osmanistisch ausgerichteten Lehrstühlen zumeist auch berücksichtigt, sie steht zudem im Blickpunkt des Instituts für Turkistik (Duisburg-Essen) sowie des Seminars für Orientalistik (Kiel). Der Geschichte weiterer Turkvölker (historischer wie zeitgenössischer) sind die Forschungen am Seminar für Turkologie und Zentralasienkunde (Göttingen), an der Professur für Turkologie (Giessen) und am Institut für Slavistik, Turkologie und zirkumbaltische Studien (Mainz) gewidmet.

Das Seminar Christlicher Orient und Byzanz (Halle) sowie die Forschungsstelle Christlicher Orient (Eichstätt-Ingolstadt) widmen sich Aspekten der Geschichte der sog. orientalischen Christen. An drei Standorten (Halle, München, Heidelberg) werden zudem in Kombination mit der Judaistik Nahoststudien angeboten.

Zu unterscheiden von der Fachrichtung Islamwissenschaft ist die Islamische Theologie, die nach einer Empfehlung des Wissenschaftsrats seit 2010 an mehreren Standorten aufgebaut wurde. Die Institute sind in der Fachgesellschaft DEGITS organisiert. Zwar steht die Ausbildung von Religionspädagog:innen für den Unterricht an öffentlichen Schulen, von muslimischen Religionsgelehrten für die Moscheegemeinden sowie von muslimischen Theolog:innen für die universitäre Lehre und Forschung an den staatlichen Universitäten in Deutschland im Vordergrund, doch bieten dabei einige Standorte auch die Möglichkeit, religionsgeschichtliche Fragestellungen zu erforschen.

Historiographische Projekte werden zudem immer wieder an außeruniversitären Forschungseinrichtungen im In- und Ausland betrieben, wie etwa den Orient-Instituten der Max Weber Stiftung in Beirut (OIB) und Istanbul (OII). Das OIB wurde 1961 von der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft ins Leben gerufen und wird seit 2003 von der Max Weber Stiftung geführt. 1987 entstand eine Nebenstelle in Istanbul, die seit 2009 als eigenständiges Institut innerhalb der Max Weber Stiftung arbeitet. Beide Standorte verfügen über gut ausgestattete Bibliotheken mit Spezialbeständen in den Sprachen der Regionen und unterstützen zudem Nachwuchsforscher:innen aber auch Post-Docs dabei, Zutritt zu lokalen Archiven und Bibliotheken mit Primärquellen zu erlangen. Dabei fokussiert das OIB primär auf die arabische Welt (Maschrek und Maghreb) und das OII auf die Türkei, Iran, den Kaukasus sowie Mittelasien. Beide Institute geben renommierte Buchreihen heraus, die auch für Historiker:innen von Relevanz sind, so die Bibliotheca Islamica (Edition arabischer Quellen), Beiruter Texte und Studien oder die Istanbuler Texte und Studien.

Das Leibniz-Zentrum Moderner Orient (ZMO) befasst sich interdisziplinär und in historisch vergleichender Perspektive mit dem Nahen Osten, Afrika, Eurasien, Süd- und Südostasien. Im Mittelpunkt der Forschung steht die Interaktion überwiegend muslimisch geprägter Gesellschaften sowie deren Beziehungen mit den nicht-muslimischen Nachbarregionen.

Im deutschsprachigen Ausland widmet sich das an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) angesiedelte Institut für Iranistik (IfI) Forschungen zu Iran, iranischen Sprachen, Gemeinschaften und Kulturen sowie iranisch geprägten oder beeinflussten Gesellschaften und Kulturen. Bekanntestes Publikationsorgan sind die „Veröffentlichungen zur Iranistik“.

Am Institut für Orientalistik der Universität Wien bildet die Geschichte des Osmanisches Reichs und der Türkei einen Schwerpunkt mit derzeit laufenden Forschungen zur Tourismus-, Umwelt- und Technikgeschichte. Im Aufbau und Planung sind Forschungsbereiche zum turksprachigen Mittelasien und dem Kaukasus. Die Wiener Osmanistik engagiert sich zudem darin, computergestützte Methoden der Digital Humanities für das Fach nutzbar zu machen und organisiert hierfür Workshops.

In der Schweiz ist das Asien-Orient-Institut (AOI) der Universität Zürich im Bereich der Islam- und Nahostwissenschaften die größte Forschungsreinrichtung des Landes. Ein erklärtes Ziel besteht darin, Verständnis für die Geschichte und Gegenwart Asiens und der muslimischen Welt zu vertiefen. Am Seminar für Nahoststudien der Universität Basel steht die Geschichte des Osmanischen Reichs, der Türkei und des Maschreks im Vordergrund.

Forschungsförderung

Die Berlin Graduate School Muslim Cultures and Societies (BGSMCS) ist eine gemeinsame Einrichtung der Freien Universität Berlin, der Humboldt-Universität zu Berlin und des Leibniz-Zentrum Moderner Orient, in der Geistes-, Sozial- und Regionalwissenschaften vertreten sind. In der Regel werden jedes Jahr in der zweiten Septemberhälfte bis zu zehn Stipendien für jeweils vier Jahre ausgeschrieben.

Die Bonn International Graduate School - Oriental and Asian Studies (BIGS-OAS) ein strukturiertes Promotionsprogramm über die Dauer von jeweils vier Jahren in den orientalisch und asiatisch orientierten Sozial- und Geisteswissenschaften der Universität Bonn an. Darüber hinaus unterstützt die BIGS-OAS die Promovierenden bei der Beantragung von finanzieller Förderung und vergibt Beihilfen für Konferenzreisen und Forschungsaufenthalte.

Ein strukturiertes Promotionsprogramm zur fachlichen und methodischen Unterstützung bei der Durchführung eigener Forschungsprojekte bietet auch die Bamberger Graduiertenschule für Orient-Studien/Bamberg Graduate School of Near and Middle Eastern Studies (BaGOS).

Von den privaten Stiftungen ist insbesondere die Gerda Henkel Stiftung zu nennen, die schwerpunktmäßig unter anderem Promotionsprojekte aus dem Bereich der Historischen Islamwissenschaften fördert. Für das Avicenna-Studienwerk steht weniger die Förderung nach fachlicher Ausrichtung im Vordergrund, sie vergibt Stipendien insbesondere für muslimische Studierende und Promovierende. Als Stiftung des Landes Nordrhein-Westfalen betreibt das Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung (ZfTI) ein wissenschaftliches Institut an der Universität Duisburg-Essen. Schwerpunkt der Forschungsarbeit ist insbesondere die Lage der Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in Deutschland und die Frage ihrer Integration in die deutsche Gesellschaft. Insbesondere für Forschungsprojekte zum Bereich Christlicher Orient werden Fördermittel von kleineren privaten, spezialisierten Stiftungen vergeben: So hat beispielsweise die Stiftung für Armenische Studien am Institut für Diaspora- und Genozidforschung der Ruhr-Universität Bochum die Förderung der Armenienforschung zum Ziel. Die Forschungsstelle für Aramäische Studien an der Universität Heidelberg wird von der Stiftung für Aramäische Studien (NISIBIN) unterhalten. Sie finanziert in diesem Rahmen zwei Doktorandenstellen. Die DeutschÄthiopischeStiftung (DAeS) Wissenschaft und Forschung auf dem Gebiet der Äthiopien- und Nordostafrikastudien. Sie unterstützt Wissenschaftler aus Äthiopien sowie die Forschung zu dieser Region in Deutschland.

Desweiter verleihen einige Fachgesellschaften Reisestipendien oder Dissertationspreise, wie etwa die DAVO, die DMG oder die GTOT.

1.4 Publikationen

Im Publikationsverhalten der Islam- und Nahostwissenschaften zeichnet sich erst in den letzten Jahren ein Trend zu elektronischen Veröffentlichungen ab und, wenn auch noch zurückhaltend, zu Open Access. Charakteristisch für das Fach bleibt ein großes Aufkommen von Artikeln in Sammelbänden und Konferenzbänden, von denen nicht wenige bislang nur in Druck vorliegen.

Die Konferenzschrift The Digital Humanities and Islamic & Middle East Studies von 2016 gibt einen Einblick in die bis dahin unternommenen Ansätze, computergestützte Methoden für die Nahostwissenschaft fruchtbar zu machen. Aktuell bieten die regelmäßig erscheinenden Kolumnen und kurzen Beiträge des online Magazins Digital Orientalist eine geeignete Möglichkeit, sich über DH-Projekte oder über Datenbanken, Such- und Speichermöglichkeiten von Materialien in asiatischen Sprachen und Schriften zu informieren. Dabei umfassen die Beiträge den gesamtasiatischen Raum.

International aktiv und in der Fachwelt fest verankert ist der Verlag Brill in Leiden mit seinem Schwerpunktprogramm „Middle East and Islamic Studies“. Brill gibt eine Reihe von Fachzeitschriften heraus, in denen mittlerweile auch über den Einsatz von DH-Methoden in den einzelnen Disziplinen diskutiert wird und bei dem eine Verlinkung zu Forschungsdatenrepositorien zunehmend möglich ist. Darüber hinaus bietet Brill renommierte Enzyklopädie, Serien[74] sowie fachspezifische E-Book-Pakete[75] an, bei denen der Open Access Anteil am Steigen ist.

Auch der Berliner Verlag De Gruyter bietet der Nahostwissenschaft eine Publikationsplattform, auf der zu DH-Themen publiziert werden kann und Veröffentlichungen im Open Access unterstützt werden.

Kennzeichnend für den Fachbereich sind zudem Schriftenreihen, die von Instituten oder Forschungseinrichtungen herausgegeben werden und die den aktuellen Fachdiskurs auch hinsichtlich des Umgangs mit DH-Instrumenten wiederspiegeln. Geschichtswissenschaftlichen Fragestellungen widmen sich dabei zum Beispiel die Reihen des IOA Bonn, der Bamberger Orientstudien (BOst) aber auchder Orient-Institute Beirut und Istanbul. Die online zugängliche Bamberger Islam-Enzyklopädie ist eine Initiative zur Verbesserung der Informationen in der deutschsprachigen Wikipedia zum Themenbereich Islam. Parallel dazu bietet die Bamberger Islamwissenschaft in einem regelmäßig aktualisierten Wiki eine online zugängliche Überblicksdarstellung Bamberger Einführung in die Geschichte des Islams an. Das Wiki Repertitorium Saracenorum wiederum führt in mittelalterliche europäische Berichte über die sogenannten Sarazenen (Araber/Muslime) ein.

2. Vorderer Orient und Nordafrika und digitale Ressourcen

2.1 Recherche

Im deutschen Bibliothekssystem bieten die von der DFG geförderten Fachinformationsdienste zentrale Services für die Versorgung der Wissenschaft mit Spezialliteratur und Fachinformationen. Vier regionale Fachinformationsdienste bilden dabei ein eigenständiges FID-Netzwerk Asien Deren Such- und Forschungsportale bilden Anlaufstellen für geschichtswissenschaftliche Fragestellung zur MENA-Region aber auch darüber hinaus zu den von muslimischen Kulturen geprägten Ländern Asiens. Neben Zugang zu gedruckter sowie digitaler Literatur, Forschungsdaten sowie Fachinformationen unterstützen sie in fachspezifischen Fragen des digitalen Publizierens, des Forschungsdatenmanagements sowie weiterer spezialisierter Dienste (zum Beispiel Volltexterkennungssoftware für nichtlateinische Schriften).

Für die Länder der MENA-Region ermöglicht das Forschungsportal Menalib des Fachinformationsdienstes Nahost-, Nordafrika- und Islamstudien ab 2023 über ein eigenes Discovery-System (MENAsearch) ein Recherchieren (u.a. in Originalschriften) in den eigenen Spezialbeständen sowie in einer Reihe weiterer Bibliotheksbestände und Datenbanken mit nahostrelevantem Material. Dabei wird über Menalib auch ein fachlicher Sucheinstieg angeboten, der es Nutzer:innen ermöglicht, gezielt nach Publikationen zur Geschichte von Großregionen (z.B. Nordafrika oder dem Kaukasus) oder aber von einzelnen Ländern der Region zu suchen.[86] Über Osmikon, das Forschungsportal des FID Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa, können historiographisch relevante Medien unter anderem zum osmanischen Balkan, dem russischen und sowjetischen Kaukasus, den muslimisch bewohnten Regionen der Ukraine (Krim) und Russlands (Wolga-Ural-Region) sowie zum sowjetischen Mittelasien gefunden werden. CrossAsia bietet als Fachportal für die Asienwissenschaft Literatur und Datenbanken auch zum Islam in China (z.B. Sinkiang) sowie Südostasien (Malaysia, Indonesien) an. Der Fachinformationsdienst Südasien (FID4SA) wiederum unterstützt die Forschung zum islamischen Südasien (Pakistan, Indien, Bangladesch) mit Forschungsmaterial sowie Fachdienstleistungen.

2022 wurde Qalamos als Portal zum Nachweis von orientalischen Handschriftensammlungen in Deutschland etabliert. Über Qalamos erhalten Nutzer:innen einen direkten Zugang zu Metadaten und Digitalisaten von ca. 120.000 physischen Objekten aus mehr als 20 deutschen Gedächtnisinstitutionen. In Ergänzung bietet das Portal Fihrist einen Zugang zu den bedeutenden Handschriftensammlungen Großbritanniens aus der MENA-Region.

Unter den Bibliotheken im angelsächsischen Raum verfügt die British Library (Middle East) über sehr umfangreiche Sammlungen, die zu Teilen auch online zugänglich sind. Auch die School of Oriental and African Studies (SOAS University of London) besitzt eine große Sammlung einschlägigen Materials, das für die Geschichte der MENA-Region von Relevanz ist. Ähnliches gilt für die Digital Library of the Middle East der Stanford University sowie das Islamic Heritage Project der Harvard University. Eine speziell für die iranische Geschichte relevante Sammlung befindet sich mit der Ghani Collection an der Yale University.

Die Universität Leiden in den Niederlanden verfügt über eine lange Tradition in den Nahost-, Fernost- und Islamwissenschaften, entsprechend umfangreich sind auch die Sammlungen an Manuskripten, Forschungsnachlässen und Printeditionen der Islamic World Special Collections.

Einen aktuellen Überblick über die wichtigsten Online Kataloge und Datenbanken in der arabischen Welt mit einschlägigem Material für die Kulturwissenschaften bietet das Orient-Institut Beirut an. Einen kuratierten Hinweis auf forschungsrelevante türkische Bibliotheksbestände liefert das Orient-Institut Istanbul.

Für persische Bestände steht in der Šabaka-i kitābḫānahā-i kišwar der iranischen Nationalbibliothek ein entsprechender Suchraum zur Verfügung sowie für elektronische Medien die Webseite Iran Libraries Information Website. Für die arabische Welt ist als überregionaler digitaler Katalog Maktaba aš-Šāmila hervorzuheben.

Von regionalem Interesse mit Material zur Geschichtswissenschaft sind zum Beispiel die Arabian Gulf Digital Archives, das Egyptian Press Archive of CEDEJ oder die Database for Ottoman Inscriptions. In den letzten Jahren sind an vielen Orten der MENA-Region aber auch darüber hinaus Digitalisierungsprojekte in der Absicht angelaufen, unterschiedlichste Materialien (Archivquellen, historische Karten, Manuskripte, Periodika, Buchbestände) sichtbar und für die Forschung nachnutzbar zu machen. Eine große Herausforderung bildet dabei im digitalen Zeitalter aufgrund der Vielzahl von Playern neben der Langzeitarchivierung und dem Rechtemanagement das Retrieval und die Auffindbarkeit der Quellen in einschlägigen Fachsuchräumen. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang der Blog Access to Mideast and Islamic Ressources (AMIR), kontinuierlich über Open Access Veröffentlichungen mit Bezug zur MENA-Region berichtet, sondern auch alle Open Access zugänglichen islamischen Handschriftensammlungen listet.

Die Nationalbibliotheken sowie zentralen Handschrifteninstitute vieler Länder der MENA-Region haben in den letzten Jahren elektronische Nachweisinstrumente ihrer Bestände aufgebaut und bieten vermehrt auch Zugriff auf digitalisiertes Material von historiographischem Interesse. Nennenswert sind hier die Ägyptische Nationalbibliothek in Kairo Dar al-Kutub, die im Ausbau befindliche Egyptian Knowledge Bank[109], die Bestände der Bibliotheca Alexandrina sowie die Al-Furqan Digital Library. In der Türkei bietet das Zentrum für Islamische Forschungen (İslam Araştırmaları Merkezi İSAM) der Türkiye Diyanet Vakfı einen bibliotheksübergreifenden Suchraum an, der auch führende Handschriftensammlungen wie die der Istanbuler Süleymaniye Bibliothek umfasst. Umfassende Nachweise türkischer Printmedien bieten die Nationalbibliothek Milli Kütüphane sowie die neue Präsidentenbibliothek Cumhurbaşkanlığı Millet Kütüphanesi.

In den südkaukasischen Republiken bieten Nationalbibliotheken sowie die Akademien der Wissenschaften gute Recherchemöglichkeiten nach Handschriften und Printbeständen in den Regionalsprachen sowie Russisch. Zu erwähnen sind hier die Nationalbibliothek Armeniens sowie das dortige Handschrifteninstitut Matenadaran (Mesrop-Maštoz-Institut für alte Manuskripte) für die Armenologie. In Georgien übernehmen diese Funktionen die Ilia Tschawtschawadse Nationale Parlamentsbibliothek sowie das Korneli Kekelidze Georgische Nationale Handschriftenzentrum. Der elektronische Katalog der Nationalen Akademie der Wissenschaften Aserbaidschans listet alle in Druck veröffentlichten Bücher Aserbaidschans inklusive retrodigitalisierter Bestände auf, während das Mähämmäd Füzuli Handschrifteninstitut der Nationalen Akademie der Wissenschaften Aserbaidschans Zugang zu Manuskripten und Archivmaterialien vermittelt.

Fachbibliographien / Literaturdatenbanken

Der Fachbereich verfügt über einige international etablierte Nachweissysteme und Online-Enzyklopädien. Im Index Islamicus Online werden seit 1956 Veröffentlichungen in europäischen Sprachen zur Islam- und Nahostwissenschaft bibliographisch erschlossen und thematisch sortiert. Hierbei wird jedoch vorwiegend westliche Sekundärliteratur ausgewertet, was dem Zitieren von Veröffentlichungen aus der MENA-Region nicht förderlich ist. Im Zusammenhang mit der Debatte um die Dekolonialisierung von Wissensbeständen wird diese Problematik zunehmend thematisiert. Neben dem Index Islamicus existieren auch fachlich spezialisierte Online-Bibliographien, so zum Beispiel der Turkologische Anzeiger Online[122] für die Turkologie oder für den Bereich Christlicher Orient Syri.ac (an annotated bibliography of Syriac resources online).

Als Standardreferenzwerk ist die Encyclopaedia of Islam hervorzuheben, die erstmalig im Verlag Brill (Leiden) zwischen 1913–38, dann als zweite Auflage zwischen 1954 und 2005 herausgebracht wurde und seit 2007 in einer dritten noch nicht abgeschlossenen Ausgabe aktualisiert wird. Seit 1982 erscheint fortlaufend die Encyclopædia Iranica als autoritatives Nachschlagewerk im Fachbereich Iranistik und widmet sich den iranischen Kulturen des Nahen Ostens, Kaukasus, Mittelasien sowie des indischen Subkontinentes. Die Encyclopædia Iranica Online Ausgabe ist im Open Access zugänglich.

2.2 Quellen

Direkten Zugang zu digitalen Primärquellen und Sekundärliteratur ermöglicht das Fachrepositorium MENAdoc des von der DFG geförderten Fachinformationsdienstes Nahost-, Nordafrika- und Islamstudien. Die MENAdoc-Sammlung beinhaltet frei zugängliche (Open Access) Dokumente mit Bezug zur MENA-Region und zur Islamwissenschaft und hat dabei einen besonderen Fokus auf in Deutschland erschienener Forschungsliteratur. MENAdoc bietet Wissenschaftler:innen die Möglichkeit, nach Rechteprüfung im Green und Diamond Open Access (OA) erst- und zweitzuveröffentlichen, retrodigitalisiert bislang nur in Print veröffentlichtes Material und arbeitet daran, die Texterkennungssoftware bei Digitalisaten mit nichtlateinischen Schriften zu trainieren. Dabei kooperiert MENAdoc auch mit Forschungsinstituten und Verlagen, um rezente Publikationen zeitnah überregional im Open Access zur Verfügung stellen zu können.

Nahöstliche Periodica in arabischer, persischer sowie osmanischer Sprache aus dem Zeitraum 1860 bis 1945 stehen im Mittelpunkt des Digitalisierungsprojekts Translatio der Abteilung für Islamwissenschaft und Nahostsprachen am Institut für Orient- und Asienwissenschaften der Universität Bonn. Weitere digitalisierte, frei zugängliche arabische Medien bietet die Seite Arabic Collections Online (ACO).

Aufgabe der Fachinformationsdienste ist es zudem, ihren jeweiligen Fachcommunities Zugriff auf kommerzielle Produkte mit historiographischem Material, das nicht im Open Access angeboten wird, zu vermitteln. So verhandelt der FID Nahost, oft in Kooperation mit weiteren FID, lizenzpflichtige Datenbanken als Nationallizenz. Für Historiker:innen des Nahen und Mittleren Ostens bedeutsam sind z.B. die digitalisierten Archive des British Foreign Office (Confidential Print: Middle East, 1839–1969 sowie Central Asia, Persia and Afghanistan, 1834–1922: from Silk Road to Soviet Rule) oder aber Sammlungen mit digitalisierten Zeitungen und Zeitschriften des 19. und 20. Jh. in den Sprachen der MENA-Region.[132]

Digitalisiertes Quellenmaterial zur osmanischen und frühen republikstürkischen Geschichte bietet die im Ausbau befindliche kommerzielle Datenbank Muteferriqa an, auf der über einen großen Fundus an osmanisch-türkischen Druckwerken (Monographien sowie Periodika) eine Volltextsuche in osmanischem Original, türkischer Transliteration aber auch englischer Übersetzung möglich ist.

2.3 Digitales Publizieren

Wie in anderen Bereichen der Geistes- und Sozialwissenschaften unterscheidet sich auch in den Nahostwissenschaften das Publikationsverhalten deutlich von dem in den Naturwissenschaften. Der Anteil an unselbstständigen Beiträgen in Fachzeitschriften ist wesentlich geringer. Dafür gibt es einen signifikant höheren Anteil an unselbständigen Beiträgen in Sammelbänden,[134] während die wissenschaftliche Monographie weiterhin von zentraler Bedeutung für die Karriere bleibt. Dabei gibt es nur noch wenige reine Printverlage. Die Mehrzahl der Monographien und Zeitschriften erscheint parallel in Print und elektronisch, überwiegend noch hinter einer Paywall. Zwar bieten vermehrt führende Verlage die Möglichkeit an, Monographien oder einzelne Zeitschriftenartikel in Gold Open Access zu publizieren, doch existieren gerade für nicht-institutionell angebundene Autor:innen noch kaum Finanzierungsmöglichkeiten für Beiträge, die nicht aus geförderten Projekten hervorgehen. Daher bleibt das Angebot an reinen OA-Reihen oder OA-Fachjournals, die in Kooperation mit kommerziellen Verlagen herausgegeben werden, noch überschaubar.

Bewertungsindizes oder Kennzahlen weltweiter Wahrnehmung spielen fachspezifisch in den Nahostwissenschaften nur eine untergeordnete Rolle. Dennoch gilt es für das eigene Renommée als wichtig, in führenden Peer-Review-Zeitschriften publiziert zu haben, die ganz überwiegend noch von kommerziellen Verlagen herausgebracht werden. Es bleibt abzuwarten, ob universitäre Angebote, über institutionelle Repositorien Open Monograph Press (OMP)-Reihen oder Open Journal System (OJS)-Zeitschriften im Diamond Open Access herauszugeben, von der Fachcommunity künftig angenommen und als gleichwertig zu den Verlagsreihen betrachtet werden. Als Beispiel für die Akzeptanz solcher nichtkommerzieller Open Journals im Bereich der türkischen Geschichtsstudien kann auf das European Journal of Turkish Studies (EJTS) verwiesen werden.

In Deutschland haben Universitätsverlage keine Tradition, die mit den Verlagen der US-amerikanischen Universitäten vergleichbar wäre. Die University of Bamberg Press gibt allerdings schon seit längerem (nur für Angehörige der Universität Bamberg) OA-Reihen wie die Bamberger Orientstudien oder die Bamberg Studies in Kurdish Linguistics heraus. Ein ausgereiftes Publikationsangebot für Asienwissenschaften unabhängig von einer institutionellen Zugehörigkeit bietet Heidelberg Asian Studies Publishing (HASP) des FID4SA an. Dieses Angebot ist grundsätzlich auch für die Nahostwissenschaften nutzbar. Hier können Monographien in Open Access erscheinen aber auch zusätzlich als Print-on-Demand hergestellt werden.

Für im Open Access geplante Working-Paper-Serien baut der FID Nahost gegenwärtig sein Angebot auf MENAdoc aus.[139] Angebote, eigene unselbständige Artikel im Green Open Access zweitzuveröffentlichen, bieten bereits viele institutionelle Repositorien aber auch einige fachliche Repositorien, so MENAdoc für die Islam- und Nahostwissenschaften, an. Die repositoriumsbetreibende Institution berät dabei in rechtlicher Hinsicht: Welche Beiträge dürfen in welcher Manuskriptform im Open Access zweitveröffentlicht werden? Darüber hinaus werden die Zweitveröffentlichungen mit einem zitierfähigen Permalink (z.B. DOI, URN) ausgestattet, über Katalogeinträge weltweit auffindbar gemacht und der Zugriff durch eine Langzeitarchivierungspolicy sichergestellt.

2.4 Text und Data Mining, Handwritten Text Recognition

Wie in den einleitenden Abschnitten geschildert, spielen die Erfassung und die Interpretation von Quellen in den Sprachen der MENA-Region eine entscheidende Rolle in der historisch ausgerichteten Forschung. Für den Fachbereich sind daher Tools, mit denen Volltexte von Handschriften erfasst werden können, die beim Entziffern von Manuskripten unterstützen oder computerbasiertes Durchforsten großer Textmengen in nichtlateinischen Schriften ermöglichen, ein großes Desiderat. Das Projekt Kitab widmet sich der Aufgabe, digitale Werkzeuge anzubieten, um klassische arabische Texte nach neuen DH-Fragestellungen durchsuchbar zu machen. Ziel ist es unter anderem, größere autoritative arabische Textmengen zur Verfügung zu stellen, die Analysen mit Text und Data-Mining Verfahren ermöglichen, wie dies für lateinische Schriften schon möglich ist.

Dafür spielen Software-Lösungen im Bereich der Handschriften (HTR – Handwritten Text Recognition) eine entscheiden Rolle. Diese sind für viele Schriften der MENA-Region noch nicht optimal gelöst. So wird am Freiburger Projekt MultiHTR (Mulitilinguale Handschriftenerkennung) unter anderem daran gearbeitet, osmanisch-türkische Handschriften automatisiert im Volltext zu erkennen. Dabei kommt auch die kommerzielle Software Transkribus zum Einsatz. Ein weiteres kommerzielles Tool zur Erkennung von osmanischen Begriffen in arabischer Schrift bietet die Software LexiQamus an, die aufgrund einer reichen lexikalischen Datenbasis Vorschläge für die Auflösung schwer entzifferbarer osmanischer Termini anbietet.

2.5 Kommunikation

In den letzten Jahren sind zahlreiche fachlich ausdifferenzierte Blogs und Social Media-Plattformen entstanden, über die sich die nahostwissenschaftlichen Fachcommunities austauschen. Hier treffen sich häufig Forscher:innen zu länder-, epochen- oder sprachspezifischen Themen, stellen neue thematische Webseiten vor, diskutieren Neuveröffentlichungen oder den Einsatz von DH-Tools in ihren jeweiligen Fachbereichen. Von fachübergreifender Bedeutung ist das seit 2013 aktive Repositorium Hazine, auf dem seit 2018 regelmäßig digitale Ressourcen mit Relevanz für die Nahost-, Nordafrika- und Osmanischen Studien vorgestellt werden. Hazine wird dabei von Fachkräften aus der Forschung sowie dem Bibliotheks-, Archiv- und Informationswesen unterstützt. Interdisziplinär ist auch das Projekt Mizan angelegt, das über digitale Initiativen im Bereich der Islamwissenschaften und der islamisch geprägten Kulturen berichtet.

Im Islamicate Digital Humanities Network (IDHN) haben sich Wissenschaftler:innen aus allen relevanten Bereichen der Geisteswissenschaften, Informatik, Computerlinguistik sowie der Bibliotheks- und Informationswissenschaften zusammengeschlossen, die digitale Methoden in den Nahost- und Islamwissenschaften anwenden.

Für Historiker:innen erwähnenswert sind der Abbasid History Podcast, eine Audioplattform, die sich der nahöstlichen Geschichte des 8. bis 13. Jahrhunderts widmet, sowie der Ottoman History Podcast mit einem Fokus auf den Nahen Osten des 14. bis 20. Jh.

Informationen zu iranistischen Forschungen liefert regelmäßig die unabhängige Plattform Vezvez-e kandū. Darüber hinaus bietet der Blog Bibliographia Iranica neue bibliographische Informationen zur Iranistik. In der Osmanistik hat sich die Webseite Digital Ottoman Studies etabliert, die über DH Projekte und Veranstaltungen mit Bezug zum Osmanischen Reich und der Türkei informiert. Einen explizit kurdologischen Schwerpunkt bietet der QWX Blog des Zahra Instituts (Chicago).

Nachwuchswissenschaftler:innen können in dem von Nadja Danilenko betriebenen Blog tell me a history, in dem auch immer wieder Aspekte der nahöstlichen und islamischen Geschichte thematisiert werden, aus ihrer Forschung berichten. „Dabei geht es nicht nur darum, was passiert ist oder wer was gesagt hat, sondern auch darum, woher wir das eigentlich wissen und wie darüber gesprochen wird – also Geschichte als history, aber auch als story.“.

Darüber hinaus informieren zahlreiche Institutionen oder Forschungsprojekte regelmäßig über aktuelle Entwicklungen in Newslettern, die Interessierte abonnieren können. Auch die Fachinformationsdienste im FID-Netzwerk Asien betreiben eigene Newsletter bzw. unterrichten regelmäßig über neue Aktivitäten auf Twitter- oder Mastodon-Accounts.[155]

3. Resümee und Ausblick

Aufgrund der Vielzahl von Unterdisziplinen mit ihren jeweils fachspezifischen Anforderungen, der großen Zahl von akademischen und informationstechnischen Playern in der MENA-Region sowie in den westlichen Ländern, der steigenden Zahl an digitalen Kooperationen zwischen ihnen sowie der rasanten Entwicklung auf dem Gebiet der DH-Technologie ist es insgesamt sehr schwierig, einen Überblick über die zu Verfügung stehenden digitalen Werkzeuge zu geben. Der deutschen Islam- und Nahostwissenschaft kommt die Förderung von gegenwärtig vier geisteswissenschaftlichen NFDI-Konsortien (Akronym für Nationale Forschungsdaten Initiative) in jedem Fall zugute. Denn der Bedarf nach Standards für die Beschreibung von fachspezifischen Metadaten, für den rechtlichen und ethischen Umgang mit digital(isiert)em Kulturgut sowie für innovative Editionsmethoden für Schriften der MENA-Region (enhanced publications) wächst stetig.

Eine der zentralen Herausforderungen wird daher darin bestehen, im Zusammenwirken von laufenden aber auch neu konzipierten Forschungsprojekten, Fachinformationsdiensten, NFDI-Konsortien, fachspezifischen Verlagen sowie Datenzentren und Fachrepositorien Standards für digitale Forschungsumgebungen und Editionstechniken zu definieren und diese auch für internationale Kooperationen fruchtbar zu machen. In der Zusammenarbeit mit Informations- und Gedächtnisinstitutionen der MENA-Region, die ihre Quellenbestände digital erschließen und zugänglich machen möchten, liegen große Potentiale, um gemeinsam historiographische Fragestellungen zu bearbeiten. Auch dient die Digitalisierung von in Deutschland vorhandenem Kulturgut aus der MENA-Region sowie eine digitale Verfügbarmachung westlicher Forschungsdiskurse im Open Access dazu, solche transnationalen Forschungsansätze zu ermöglichen. Die Schaffung autoritativer digitaler Textkorpora mit literaturgeschichtlichem und historiographischem Material könnte einen Weg darstellen, unter Einsatz von DH-Methoden gänzlich neuartige Fragestellungen an die vorhandenen Quellen heranzutragen. Es ist davon auszugehen, dass sich die Volltexterkennung von Druck- und Handschriften in den gängigsten Schriften und Sprachen der MENA-Region in den nächsten Jahren signifikant verbessert, so dass immer mehr digitalisierte Quellen hochwertig erschlossen werden können. Wenig beeinflussbar für Forschende ist dabei jedoch, ob die politische Lage in einzelnen Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas der digitalen Zugänglichmachung von Kulturgütern förderlich oder Unwägbarkeiten ausgesetzt bleibt.

Literaturhinweise

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Gumppenberg, Marie-Carin von; Steinbach, Udo (Hrsg.), Der Kaukasus: Geschichte – Kultur – Politik, München 2010.
Hafez, Kai, Orientwissenschaft in der DDR zwischen Dogma und Anpassung, 1969 – 1989, Hamburg 1995.
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Kreiser, Klaus; Neumann, Christoph K., Geschichte des Osmanischen Reichs und der Modernen Türkei, Ditzingen 2020.
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Wystrychowski, Leon, Zwischen Elfenbeinturm und Weltpolitik. Ein kritischer Blick auf die Geschichte der deutschen Islamwissenschaften, in: Jusur 1 (2019), S. 8–14 https://www.ruhr-uni-bochum.de/orient/mam/content/fachschaft/wystrychowski__leon_-_zwischen_elfenbeinturm_und_weltpolitik_ein_kritischer_blick_auf_die_geschichte_der_deutschen_islamwissenschaften__jusur_1_winter_2019_.pdf.

Fußnoten

  1. [2] Preissler, Holger, Die Anfänge der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, in: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 145 (1995) 2, S. 241–327.
  2. [3] Hafez, Kai; Höpp, Gerhard, Gegenwartsbezogene Orientwissenschaft in der DDR und den neuen Bundesländern – Kontinuität oder Neugebinn?, in: Krauth, Wolf-Hagen; Wolz, Ralf (Hrsg.), Wissenschaft und Wiedervereinigung – Asien- und Afrikawissenschaften im Umbruch, Berlin, 1998, S. 96–163.
  3. [4] Jedli: https://www.islamic-empire.uni-hamburg.de/publications-tools/digital-tools/jedli.html.
  4. [5] Character picker: https://www.theobeers.com/charpick/; Character picker multi: https://www.theobeers.com/charpick/multi/.
  5. [6] Arabic numbers expander: https://www.theobeers.com/arabic-numbers/.
  6. [8] Abjad calculator: https://www.abjadcalc.com/.
  7. [21] M. Seyfettin Özege, Eski harflerle basılmış Türkçe eserler kataloğu, İstanbul: Fatih Yayınevi Matbaası, 1971-1982.
  8. [74] Zu nennen wäre hier das Handbuch der Orientalistik (HdO): https://de.wikipedia.org/wiki/Handbuch_der_Orientalistik.
  9. [75] So die jährlich erscheinenden Middle East and Islamic Studies E-Book Collections.
  10. [86] Zu den Ländern gehört das arabischsprachige Nordafrika, der arabische Osten (Maschrek), die Türkei, Iran, der Kaukasus sowie das islamische Mittelasien; siehe auch https://www.menalib.de/vifa/systematik-des-fid-nahost-nordafrika-und-islamstudien/.
  11. [109] Der Zugriff auf die Datenbank (https://www.ekb.eg/) ist nur innerhalb Ägyptens oder über ein Virtual Private Network möglich.
  12. [122] Für die zweite Jahreshälfte 2023 ist ein Umzug des Turkologischen Anzeigers Online auf eine Unterseite von MENALIB (https://www.menalib.de/) geplant.
  13. [132] Zu den bisher erworbenen siehe https://www.menalib.de/vifa/fid-lizenzen/.
  14. [134] Eine Stichprobe des Publikationsverhaltens von zehn ausgewählten Seminaren (durchgeführt im März 2018 für das Publikationsjahr 2016 anhand der auf den Institutsseiten veröffentlichten Publikationslisten) hat ergeben, dass das Verhältnis zwischen Artikeln in Sammelbänden zu Artikeln in Zeitschriften bei 2,3 : 1 liegt, siehe https://www.menalib.de/service/publizieren-auf-menadoc/.
  15. [139] Als Beispiel hierfür sei auf die seit 2022 erscheinende Serie MECAM Papers verwiesen: https://www.menalib.de/vifa/menadoc/mecam-papers/.
  16. [155] Für die MENA-Region siehe: https://www.menalib.de/community/newsletter bzw. https://www.menalib.de/community/twitter/.

Dr. Jutta Wintermann promovierte im Fachbereich Islamwissenschaft mit einem Thema zur kirgisischen epischen Literatur und betreute von 2021 bis 2022 das Fachreferat Iranistik am Fachinformationsdienst Nahost-, Nordafrika- und Islamstudien an der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt.

Dr. Volker Adam promovierte im Fach Islamwissenschaft zu einem osmanistischen Thema und betreut die Fachreferate Turkologie und Kaukasiologie, zunächst am Sondersammelgebiet Vorderer Orient einschl. Nordafrika (bis 2015) und seither im Fachinformationsdienst Nahost-, Nordafrika- und Islamstudien an der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt.

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Für Clio-online verfasst von:

Jutta Wintermann / Volker Adam

Dr. Jutta Wintermann promovierte im Fachbereich Islamwissenschaft mit einem Thema zur kirgisischen epischen Literatur und betreute von 2021 bis 2022 das Fachreferat Iranistik am Fachinformationsdienst Nahost-, Nordafrika- und Islamstudien an der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt.

Dr. Volker Adam promovierte im Fach Islamwissenschaft zu einem osmanistischen Thema und betreut die Fachreferate Turkologie und Kaukasiologie, zunächst am Sondersammelgebiet Vorderer Orient einschl. Nordafrika (bis 2015) und seither im Fachinformationsdienst Nahost-, Nordafrika- und Islamstudien an der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt.