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Clio-Guide: Australien und Neuseeland

Henriette von Holleuffer, Clio-Guide: Australien und Neuseeland, in: Clio Guide – Ein Handbuch zu digitalen Ressourcen für die Geschichtswissenschaften, hrsg. von Silvia Daniel, Wilfried Enderle, Rüdiger Hohls, Thomas Meyer, Jens Prellwitz, Claudia Prinz, Annette Schuhmann, Silke Schwandt, 3. erw. und aktualisierte Aufl., Berlin 2023–2024, https://doi.org/10.60693/n25n-7s92

1. Die Historiographie Australiens und Neuseelands

1.1 Einleitung: Der aktuelle Forschungsstand

Australien und Neuseeland beziehen die Konturen ihrer Geschichte aus indigenen und europäischen Impulsen. Eine Besonderheit der australischen und neuseeländischen Historie ist die Zusammenfügung unterschiedlicher Kultureinflüsse zu einem Gesellschaftsgefüge von immenser Vielfalt. Das Beharren auf bestehenden Strukturen sowie die Fähigkeit zur Erneuerung erwiesen sich als geschichtsmächtige Entwicklungsstränge. Liegt im Bewahren von Traditionen eine Konstante, so birgt die Innovationsfähigkeit des modernen Australien und Neuseeland eine flexible Kraft, die beide Länder in das 21. Jahrhundert befördert hat. Eine Ära der weitreichenden und vielfach ungehinderten Modernisierung, die sich bis in die Jahre nach dem Jahrtausendwechsel vollzog, wird derzeit neu ausgerichtet: Dabei treten ökologische und epidemiologische Entwicklungen sowie die Erkenntnis, Teil der orbitalen technologischen Cyber-Vernetzung geworden zu sein, zunehmend als richtungsweisende Koordinaten in den Vordergrund. Dies bedeutet, dass die einst apostrophierte „Tyrannei der Entfernung” – gerade in Zeiten von Covid-19 – eine völlig eigene Bedeutung erhalten hat.[1] Im Zuge der weltumspannenden Pandemie erlebten Australien und Neuseeland in den Jahren 2020–2022 eine Phase geographischer Isolation, die noch weitreichender war als in Vorzeiten. Jegliche Mobilität nach Übersee war temporär und aufgrund ihrer konsequenten Durchsetzung annähernd lückenlos unterbrochen. Zu Beginn der 2020er Jahre schienen beide Länder unerwartet von der faktischen Abgeschiedenheit des Fünften Kontinents betroffen zu sein. Doch stand dem entgegen, dass der unbehinderte Zugang zu permanentem Dialog und simultanem Wissensaustausch Wesensmerkmal der digitalen Welt ist. Dieser Gegensatz, der zugleich den neu gearteten Kontrast zwischen greifbarer und virtueller Welt verdeutlicht, transferiert diese Weltregion nun in einen Zustand allgegenwärtiger Präsenz. Nicht länger bleibt der historiographische Blick auf Australien und Neuseeland Selbstbeschau: eine Perspektive, die bisher eingebettet schien in einen regional begrenzten Aktionsraum. Dessen weltweite, auf der orbitalen Vernetzung des australischen Kontinents mit dem Worldwide-Net basierende Präsenz hat vielmehr eine paradoxe historische Tatsache geschaffen: Ein Kulturraum erfährt seine regionale Entgrenzung. Heute positioniert sich dieser nachhaltig erneuert in einem von klimarelevanten Erwägungen und post-pandemischen Erkenntnissen befruchteten Diskurs, der über Zeit und Raum hinweg agiert.

Abbildung 1. „Zeitenwende“: Denkmal mit Bronze-Figur und Brunnen in Hobart, Tasmanien: Zur Erinnerung an Abel Janszoon Tasman (1603-1659), der Neuseelands Küste (Van Diemens Land) als vermutlich erster Europäer 1642 kartierte.agiert

Abbildung 1. „Zeitenwende“: Denkmal mit Bronze-Figur und Brunnen in Hobart, Tasmanien: Zur Erinnerung an Abel Janszoon Tasman (1603-1659), der Neuseelands Küste (Van Diemens Land) als vermutlich erster Europäer 1642 kartierte.

Ungeachtet der geographisch isolierten Lage ist Australiens und Neuseelands Geschichtswissenschaft in der internationalen Forschung sehr präsent. Wie verortet sich dieser Kulturraum im Zeitalter der digitalen Vernetzung, in dem virtuelle und reale Welten konturenlos ineinander zu fließen scheinen? Die geschichtswissenschaftliche Wahrnehmung Australiens und Neuseelands hat sich im letzten Jahrzehnt weiter verstärkt: Zwar bleibt der Fünfte Kontinent unverändert eingebunden in die bestehende Verflechtung mit kulturellen, politischen, ökonomischen und ökologischen Entwicklungen, ideengeschichtlichen Strömungen und sozialen Handlungsprozessen, die das Geschehen andernorts bestimmen. Doch ist es unumstößliche Erkenntnis, dass mit der Verortung des real abgrenzbaren Kulturraums im internationalen Diskurs weiter reichende Kategorien der Interaktion einhergehen. Die globale Verflechtung Australiens und Neuseelands ist präsenter und agiler denn je: Deskription und Analyse derselben sind in der Gegenwart nicht ausschließlich an einen Ort gebunden, sondern zunehmend ins allgegenwärtige Hypernetz zu verlagern. Aus diesem Betrachtungswinkel der Verflechtung makro- und mikrohistorischer sowie realer und virtueller Prozesse geraten gewohnte Perspektiven in Bewegung: transkulturelle Phänomene etwa werden omnipräsent und verbleiben in ihrer Wirkung nicht ortgebunden; die Grenze zwischen Möglichem und Denkbarem wird durchlässiger. Das historiographische Interesse an der südlichen Hemisphäre platziert Australiens und Neuseelands Geschichte auf den Rang eines exemplarisch illustrativen wie zugleich substanziell unverzichtbaren Forschungsfeldes. Es verwundert nicht, dass diese Perspektive eine Vorgeschichte hat, die die Infrastruktur der Lehre und Forschung bis heute nachhaltig prägt.

Traditionell gehört die Beschäftigung mit der Geschichte Australiens und Neuseelands in den Bereich der Commonwealth-Studien. Eine tief verwurzelte akademische Tradition, in der die Historie Australiens und Neuseelands im Mittelpunkt des geisteswissenschaftlichen deutschsprachigen Diskurses steht, lässt sich nicht nachweisen – erhält gleichwohl im Zuge der jüngsten weltweiten Vernetzung die Option zukünftiger Akzentverschiebung. Forschung und Wissensvermittlung in diesem speziellen Feld, das im englischsprachigen Gebrauch auch unter dem Begriff der Postcolonial Studies firmiert, waren noch vor wenigen Jahren nachrangiger Bedeutung und Bestandteil übergeordneter regionaler und thematischer Lehrstuhlinhalte – erst in jüngster Zeit verdichtet sich die Tendenz zur Herauslösung aus der marginalen Wahrnehmung: hin zur Anerkennung eines eigenständigen Forschungsfeldes; wenngleich sich solches Bestreben mit institutionellen Hindernissen und begrenzten finanziellen Ressourcen konfrontiert sieht. Hier bleibt darauf hinzuweisen, dass für den alten Begriff der Überseegeschichte eine längst veränderte Wahrnehmung gilt: Der angedeutete Perspektivenwechsel erweiterte die Kategorien der Vergleichbarkeit historischer Phänomene, löste diese Weltregion von ihren geographischen Fesseln und bettete dieselbe ein in interkulturelle Forschungsdebatten hierzulande und andernorts; dies schloss Diskussionen über ubiquitäre Quellen-Verfügbarkeiten und Recherche-Zugänge ein. Vor dem Hintergrund der digitalen Vernetzung moderner Historiographie ergibt sich somit ein kontrastreiches Bild der analogen und digitalen Lehr- und Lerninhalte.

1.2 Retrospektive: Die historische Entwicklung des Forschungsgebiets

Wer sich im deutschsprachigen Raum der Geschichte Australiens und Neuseelands annähert, erkennt diesen speziellen Bereich der Historiographie zunächst als untergeordneten Forschungsbereich: Die australische Hemisphäre geriet in Deutschland über einen langen Zeitraum zu einem Teilaspekt in der Geschichtsforschung. Naturgemäß hatte diese überkommene Sichtweise Auswirkungen auf den apostrophierten Stellenwert der sogenannten Überseegeschichte, wovon Australien und Neuseeland eine Komponente darstellten. Das begann sich vor allem in der Folge des Aufbaus post-kolonialer Interessensgebiete zu ändern. Mittlerweile fügte sich die späte Erkenntnis hinzu, dass in der Gegenwart keine Geschichte mehr losgelöst von größeren Zusammenhängen und Verflechtungen darzustellen, zu deuten und zu prognostizieren ist. Es ist eine für die Forschung relevante Wahrnehmung geworden, dass annähernd jede Form der Auseinandersetzung mit Geschichte ein eigenständiges Narrativ erzeugt – weiterführend gefolgert: der Grad der Vernetzung im Geflecht der Perspektiven bestimmt das Narrativ der Darstellung, nicht ohne die Horizonte der Erkenntnis zu multiplizieren und zu diversifizieren. Für Forschende und Lehrende bedeutete dies konkret, dass die eurozentrische Perspektive zugunsten indigener und multikultureller Sichtweisen verändert wurde. Wie vollzog sich die Wahrnehmung von einem marginal bedeutsamen Forschungsfeld zu einem, das größeres Augenmerk auf diese Hemisphäre richtete?

Abbildung 2. „Zeitenlauf“: Die „Great Australian Clock” animiert die Siedlungsgeschichte des neuzeitlichen Fünften Kontinents (Queen Victoria Building, Sydney). Entwurf und Realisierung der 4 Tonnen schweren Uhr: Chris Cook. Das Gebäude wurde von dem schottisch-australischen Architekten George McRae (†1923) konzipiert.

Abbildung 2. „Zeitenlauf“: Die „Great Australian Clock” animiert die Siedlungsgeschichte des neuzeitlichen Fünften Kontinents (Queen Victoria Building, Sydney). Entwurf und Realisierung der 4 Tonnen schweren Uhr: Chris Cook. Das Gebäude wurde von dem schottisch-australischen Architekten George McRae (†1923) konzipiert.

Eine Rekonstruktion dieses Weges zeigt, dass sich Australien und Neuseeland zunächst als eigenständige Themen der Historiographie profilieren mussten: dies geschah jedoch vergleichsweise spät. Während Ostafrika, Samoa und New Guinea bereits ihren eigenen historiographischen Stellenwert behaupteten, trat die Terra incognita vergleichsweise spät in den Radius der Geschichtsschreibung. Zu Beginn der kolonialen Besiedlung war es vornehmliche Sicht, dass es sich bei dieser Weltregion um eine Sphäre handeln würde, die „ohne Geschichte” sei – somit eine leere Seite im Buch der Weltgeschichte wäre: Das angebliche Fehlen von Geschichte und „der Unwille beziehungsweise die Unfähigkeit, das Alter der Aborigines [und ihrer Kultur] anzuerkennen”, galt als Beleg für die angebliche Geschichtslosigkeit dieses Erdteils.[2] Die evolutionäre Deutung von Geschichte verbannte Teile des südpazifischen Raumes in die Geschichtslosigkeit ‒ ein Klischee, das bis in die 1850er Jahre das Bild eines Kontinents, auch jenseits des englischsprachigen Kulturkreises, bestimmte.[3] Noch um 1752/3 symbolisierte das Fehlen der australischen Welt auf dem berühmten Fresco des venezianischen Künstlers Giovanni Battista Tiepolo das Denken der Zeit: Vier Kontinente zieren noch heute als Allegorie die Eingangshalle des Würzburger Schlosses ‒ der hier ausgebliebene Hinweis auf den fünften Kontinent versinnbildlicht die späte intellektuelle Bewußtwerdung über die Existenz eines weiteren Erdteils. De facto kollidierte spätestens seit 1606, als Willem Jansz unwissentlich Teile der australischen Küste vermaß, die europäische Weltsicht mit der nativen Wahrnehmung des Geschehens durch die indigenen Australier vor Ort. Die komplexe, auf Mythen, Steinritzungen und mündlicher Überlieferung basierende, und somit auf keiner archivalischen Tradition beruhende Vorgeschichte dieses Kontinents verschloß sich dem Kriterium der Vergleichbarkeit: Das Mißverständnis im Umgang mit der australischen Geschichte lag in der Ignoranz gegenüber einer Geschichtsschreibung, die die Existenz einer Vorgeschichte vor der europäischen Historie lange abstritt. Das hatte Auswirkungen auf die Geschichtsschreibung hierzulande.

Eine der ersten Referenzen zu Australien findet sich in dem umfangreichen Werk Annalen der britischen Geschichte des Jahres 1788-1796, das von Johann Wilhelm von Archenholz zusammengestellt wurde.[4] Anfangs waren es vornehmlich Inlandexpeditionen oder Entdeckungsreisen entlang der Küstenlinien, welche das Bewußtsein für den zu diesem Zeitpunkt noch wenig bekannten Kontinent schärften. Mit dem Aufkommen der Reiseliteratur formte sich ein tieferes Verständnis für Natur und Menschen dieser Sphäre – die einzigartige Flora und Fauna, das extreme Klima und die besondere Topographie weckten das Interesse aufgeklärter Kreise. Es bleibt anzumerken: Natur und Umwelt hatten einen entscheidenden Einfluss darauf, wie australische (und neuseeländische) Geschichte perzipiert und reproduziert wurde. Naturgemäß waren es keine Historiker, sondern Kartographen, Geologen, Botaniker, Anthropologen, Missionare und Sammler jeglicher Provinienz, die in Folge der Landnahme als Berichtende über diesen Kontinent auftraten. Sie skizzierten zunächst das Bild von „einer Insel von immenser Größe [...]“; die sich „zur zukünftigen Ansiedlung einer neuen Gesellschaft von Bürgern” anbot.[5] Darin lag die Offerte des historischen Augenblicks: Die Idee, Geschichte zu gestalten war eine andere, als über deren Verlauf zu berichten. Die empirischen Wissenschaften förderten die Kompilation von Wissen. Insbesondere in den Ländern, die ihre koloniale Expansion wissenschaftlich dokumentierten ‒ und dazu gehörten auch die deutschsprachigen Territorien ‒, formte das Logbuch der Entdeckungen eine Enzyklopädie des Wissens. Explorationen waren ein Weg, um imperiale Macht zu implementieren. Anders als in Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden und Spanien beschritt die deutschsprachige Historiographie einen eigenen Weg der Bewusstwerdung über die südliche Hemisphäre ‒ auch deshalb, weil die einzelnen Territorien jeweils unterschiedliche Zugänge zu Wissenspotentialen hatten. Unter dem Einfluss ausländischer Schulen erwarben Landesherren und Chronisten offizielle Dokumente, geheime Akten oder sie verfassten Zweitschriften übersetzter wissenschaftlicher Werke, mit denen sie das Wissen über die Terra incognita duplizierten und verbreiteten. So bediente sich Arnold L. Heeren während eines Vortrags an der renommierten Göttinger Akademie im Februar 1816 offizieller Berichte, die Gouverneur Macquarie zuvor in der Sydney Gazette präsentiert hatte.[6] Im Jahr 1854 lieferte Albert Heising eine der ersten Darstellungen, die auf Deutsch in die Geschichte Australiens einführten, indem er Formen der anglosächsischen Nationenbildung vorstellte.[7] Genau zwanzig Jahre später (1874) legte der renommierte Konversations-Lexikon-Verlag Meyer die dritte Auflage seiner Enzyklopädie vor ‒ mit einem umfangreichen Eintrag über „Australien“:[8] Kurz zuvor, im Jahr 1871, hatten die deutschen Territorien zu einer filigranen Einheit gefunden. Die Wahrnehmung der Welt erschien zunehmend statisch unter der Optik nationaler Kriterien: verengt auf das Blickfeld des Handelns und Deutens in der eigenen Sphäre.

Wie wirkte sich diese Tendenz aus auf die Entdeckung Australiens und Neuseelands für die Geschichtsschreibung hierzulande? Das Thema „Australien/Neuseeland“ gewann sehr langsam thematische Relevanz. Die willkürlich angeführten Daten (1816, 1854, 1874) veranschaulichen, dass es vor allem drei Aspekte waren, die, einem perpetuum mobile gleich, die Geschichtsschreibung in den deutschen Territorien über Australien gezielt anstießen: Einflussnehmend war (a) die naturwissenschaftliche Exploration; (b) die Entwicklung der europäischen Besiedlung in Übersee als Kolonisierungsstreben; (c) die Ausformung eines deutschen Nationalgefühls.[9] Das Jahr 1819, in dem sich eine deutschsprachige Historiographie zu etablieren begann – exemplarisch in Form der Monumenta Germaniae Historica versinnbildlicht –, kündigte eine Zeitenwende im Aufzug an: In der Gründung des deutschen Kaiserreichs 1871 endete, was die europäische Aufklärung zuvor erfolgreich mit ihren universal greifenden Denkmustern auf dem Pfad überwiegend wertfreier, wenngleich von merkantilen Zielen beeinflusster Empirie verfolgt hatte. Es zeigte sich, dass die Südhalbkugel nun verstärkt unter den Einfluss der Interpretationsschemata einer durch Nationalismus bestimmten Historiographie geriet. In der deutschsprachigen Geschichtsschreibung verselbständigte sich der Gedanke an das nationale Interesse – nicht aber an eine wertfreie Australien- oder Neuseeland-Forschung. Strategische Erwägungen rückten in den Vordergrund des Handelns und gerieten unter dem Druck eines erstarkenden Deutschtums im Ausland auf die Agenda: Verstärkt wurde versucht, eine Auseinandersetzung mit der eigenen Volksgruppe zu betreiben. Es verwundert nicht, dass die anglo-australische Historie überwiegend im Gefolge der wechselseitigen Machtkonstellationen in Europa und der Welt Gestalt gewann. Diese konturierte somit entweder allein als Vergleichsmoment, illustrierendes Beispiel oder als Teilaspekt des Ersten Weltkriegs, der Entwicklung dorthin sowie nach 1933 im Kontext der Frage, welche Folgen der Nationalsozialismus für das Erscheinungsbild der deutschsprachigen Historiographie hatte, soweit diese Australien und Neuseeland thematisierte. Überwiegend war die historische Darstellung von Ereignissen in Australien und Neuseeland, soweit sich dieselbe nicht auf eine objektive Sicht von außen beschränkte, dem Zeitgeist angebunden. Bis zum Zusammenbruch der nationalsozialistischen Herrschaft blieb die Darstellung eingefärbt von den ideologisch wenig verbrämten Argumentationen einer Pseudo-Wissenschaft; hier verfingen rassistische Weltbilder, die Vorgeschichten und Entwicklungen jenseits eurozentrischer Perspektiven ausblendeten und sich zugleich den machtpolitischen Erwägungen der Zeit unterwarfen. Aus heutiger Sicht verbietet sich solches Denken und Handeln, da die australische und neuseeländische Sphäre zu keinem Zeitpunkt in einem ahistorischen Raum zu verorten war.

Abbildung 3. „Zeitensprung“: Die Modernität australischer Forschungseinrichtungen spiegelt das Bewusstsein für den weitreichenden Zugang zu nationaler Bildung: die City of Perth Library (vollendet 2016) verdeutlicht zugleich breitenwirksames Interesse an ökologisch-kreativer Gestaltung von Architektur.

Abbildung 3. „Zeitensprung“: Die Modernität australischer Forschungseinrichtungen spiegelt das Bewusstsein für den weitreichenden Zugang zu nationaler Bildung: die City of Perth Library (vollendet 2016) verdeutlicht zugleich breitenwirksames Interesse an ökologisch-kreativer Gestaltung von Architektur.

Vor allem anthropologische Fragestellungen hoben das Interesse an dieser Weltregion in das Bewusstsein und ließen dieses zu dem am ehesten relevanten akademischen Forschungsfeld werden.[10] Als 1901 die Föderation des australischen Bundes erfolgte, kündigte sich der Beginn eines neuen historiographischen Kapitels in der Forschung an – dieses umfasste drei Bereiche: die politischen und sozialen Implikationen der Nationenwerdung und Staatsbildung Australiens (1901) und Neuseelands (1907), Großbritanniens verfassungsmäßige Rolle in diesem Prozess sowie die sozialpolitische Entwicklung beider Länder mit Blick auf die sich emanzipierende Arbeiterklasse. Die soziale und ökonomische Entwicklung in beiden Staaten beeinflusste den Auf- und Ausbau der modernen Australien- und Neuseeland-Studien nachhaltig. Historiker, Soziologen und Ökonomen begannen nicht nur den eigenen Forschungsbereich präziser gegeneinander abzugrenzen, sondern sie nutzten das historische Geschehen, um zu illustrieren, dass in Australien (und Neuseeland) ein faszinierendes Experiment im Gange war: Die Formierung einer modernen Industriegesellschaft, deren sozialer Rückhalt in den Agrarstrukturen Australiens und Neuseelands verwurzelt blieb.

Traditionelle und moderne Ansätze der Geschichtsdeutung vereinten sich in einer ideologisch aufgeladenen Diskussion, in der es beispielhaft um die Antwort auf die Frage ging, ob „das Ende des amerikanischen Zeitalters und der Beginn eines australischen Zeitalters gekommen“ sei; unbekümmert vom Korsett der Geschichte zu agieren, blieb ein Stereotyp, das wiederholt von Autoren*innen, die aus und über die Südhemisphäre berichteten, verwendet wurde.[11] Entgegen solcher vom Geist der Zeit bestimmten Deutung, beschritt die Geschichtswissenschaft einen langen Weg, um die Australien- und Neuseeland-Studien als eigenständige Forschungsfelder hierzulande und international zu etablieren. Wie zuvor angedeutet waren es im Kern drei Entwicklungsstränge, aus denen diese erwuchsen: (a) die Colonial Studies (britische Tradition); (b) die Australian Studies/ New Zealand Studies; (c) Indigenous Studies/ Māori Studies. Speziell in Deutschland hat der Einfluss US-amerikanischer Lernkonzepte nach 1945 bewirkt, dass das thematische Gewicht zunächst atlantisch ausgerichtet blieb. Substantiell erfolgte nicht vor den 1990er Jahren eine allmähliche Erweiterung des thematischen Spektrums in die pazifische Region.

1.3 Strukturen: Die Lehre und Forschung in Profil und Dynamik

Die Historie australischer und neuseeländischer Forschung zur eigenen Geschichte ist von einer wichtigen Entwicklung geprägt. Nur sehr langsam lösten sich die europäischstämmigen Teile der Bevölkerung, jene Kreise, die maßgeblich den Aufbau der Universitäten betrieben, von ihrer akademischen Bindung an das koloniale Mutterland Großbritannien. Immerhin gilt Kate Edger als die erste Frau in Neuseeland und im Britischen Empire, die 1877 mit einem BA von der University of New Zealand graduierte. Erst 1911, zehn Jahre nach Gründung des australischen Commonwealth, formulierte der Historiker George C. Henderson die Notwendigkeit einer systematischen und wissenschaftlichen Lehre australischer Geschichte.[12] Dennoch gab es vor 1927 keine Möglichkeit, einen Vollzeitkursus in australischer Geschichte zu belegen. Erst seit 1946/47 eröffnete sich mit der Gründung der Australian National University die Chance zu einem Doktorandenprogramm in diesem Feld. Seit Ende der 1940er-Jahre beschleunigte sich ‒ etwa in Australien ‒ der Ausbau nationaler Forschungsinstitute: Fast alle dieser historischen Fachbereiche genießen heute eine hohe akademische Reputation.

Pionierhaft wirkte in Deutschland seit Beginn der 1970er Jahre die Ausrichtung des Historischen Lehrstuhls an der Universität Stuttgart: Hier legte Prof. Dr. Johannes Voigt die Grundlage dafür, dass das Interesse an australisch-neuseeländischer Geschichte eigenständige Konturen gewann. Personell verankerte thematische Schwerpunkte gaben seit den 1980er Jahren die Koordinaten der Forschung und Lehre vor, wobei die enzyklopädische Präsentation ozeanischer Geschichte im Vordergrund stand. Eine Geschichtsschreibung, die den geographischen Raum aus dem Narrativ der europäischen Erzählung löste, erfolgte nicht unmittelbar und nur in allmählicher Abkehr von überkommenen Denkmustern. Ab den 1990er Jahren kündigte sich eine zunehmend vielfältiger und von indigenen Perspektiven bereicherte Historiographie zu dieser Weltregion an. Dafür verantwortlich zeichnete eine neue Generation von Historiker*innen, die vermehrt in Übersee studiert hatte. Einige von ihnen setzten ihre Forschung in Australien und Neuseeland fort und trugen somit zu einem intensiveren Gedankenaustausch zwischen den Kontinenten bei. Nicht länger verblieb es bei sporadischen Forschungsaufenthalten, die das Wissen über die Hemisphäre begründeten. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung und angesichts einer Historiographie, die bisher vernachlässigte Diskurse aufgriff und sich der Kenntnis indigener Perspektiven nicht verschloss, erfuhr das bisher tradierte Bild der Hemisphäre eine neue Grundlage zur Bestandsaufnahme.

Im Ergebnis begünstigte diese Entwicklung, dass sich vornehmlich seit dem Jahrtausendwechsel eine personelle Struktur herauskristallisierte, die mit historisch und landeskundlich orientierten Lehrveranstaltungen zu dieser Weltregion nun deren immenser Ausdehnung und Vielfalt Rechnung trug. Verstärkt in den letzten zwei Dekaden haben sich verschiedene Forschungsinstitutionen – oft im Kontext übergeordneter Fragestellungen – mit der südlichen Hemisphäre beschäftigt: An der Fernuniversität Hagen finden beispielsweise Lernende am Lehrstuhl für die „Geschichte Europas in der Welt” erste Orientierung: Podcasts beleben die digitale Geschichtsvermittlung vielseitig.[13]

Ein historisches Interesse an der Region läßt sich nicht immer trennscharf von landeskundlichen Inhalten abgrenzen. Daher seien hier vorrangig Lehrstühle benannt, die mit punktuellen Schwerpunkten in australischer und/oder neuseeländischer Geschichte dazu beigetragen haben, dass es im deutschsprachigen Sprachraum vermehrt Spezialistinnen und Spezialisten zur Thematik gibt, auch wenn dieses Interesse prinzipiell nicht als vollumfänglich förderungsfähig anerkannt wird und somit ein Annex der professionellen Historiographie bleibt. Alle in diesem Kontext genannten Lehrstühle verstehen sich als Antwort auf die Frage, wie Ozeanien seinen Weg in die digitalisierte deutsche Historiographie fand. Die weiterführende Antwort besagt, dass in der aktuellen Gegenwart – mehr noch als vor dem Wechsel in die 2020er Jahre – das Engagement für die digitale Vermittlung australischer und neuseeländischer Geschichte zwar institutionell an einige wenige Lehrstühle angebunden bleibt, diese jedoch vermehrt durch ihre international übergreifenden Kooperationen diversifizieren, als monopersonelle Körperschaften aufbrechen und sich an die Dynamik transstruktureller Entwicklungen anpassen. Damit wird sich die zuvor gängige Praxis, Lehrstühle an einen Ort zu binden, diese vollumfänglich auszustatten und mit dem anerkannten Ruf der Spezialkenntnis zu versehen, in der Zukunft ändern.

Die Forschung und Lehre zu Australien und Neuseeland ist mittlerweile überwiegend digitalisiert. Dabei kam der Impetus verstärkt aus eben dieser Weltregion, weil die moderne Infrastruktur des Internet auch eine Begleiterscheinung der Tradition von Fernunterrichtsstrukturen in diesen Ländern darstellt. Akteure und Projekte, die auf der Digitalisierung der Lehr-Inhalte beruhen und eine entsprechende technische Ausrüstung voraussetzen, sind im deutschsprachigen Forschungsraum vergleichsweise spät und oftmals unzureichend gefördert worden. Aus einer überschaubaren Zahl von Akteuren ragen vor allem folgende Lehrinstitutionen hervor: Dezidiert sucht der Lehrstuhl für „Internationale Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts” der Universität Trier seine Profilierung. Derselbe offeriert die derzeit in Deutschland weitreichendste Infrastruktur zur Geschichte dieser Region: Prof. Dr. Ursula Lehmkuhl und PD Dr. Eva Bischoff thematisieren Australien und Neuseeland nicht allein in der globalen Vernetzung historischer Handlungszusammenhänge. Deren vornehmliches Verdienst ist es, dass sie sowohl die Sonderstellung der Forschung zu dieser Hemisphäre betonen als auch deren Relevanz hervorheben im Kontext transkultureller Studien, die über den relevanten geographischen Raum hinausgehen. Der umfassende Themenkatalog des Lehrstuhls hat die Potenz, überkommene Kategorien der Abgrenzung zwischen Wissenspotentialen aufzubrechen und neue Kontaktzonen entlang dieser Perforationslinien zu eröffnen.[14] Überlagernde Forschungsinitiativen führen zur Kooperation von Lehrstühlen. Ein derzeit aktuelles Projekt widmet sich den Sammlungen deutscher Naturalisten, die in Australien wirkten und sammelten. Aus der Zusammenarbeit zwischen australischen und deutschen Wissenschaftlern sowie indigenen und überseeischen Kennnisträgern erwächst interdisziplinäres Wissen über post-/koloniale Strukturen und geht ein in ein virtuelles Archiv der Zukunft: Berlin´s Australian Archive spiegelt für den Bereich kolonialer Naturgeschichte projektiv in die Zukunft, was etwa mit dem Projekt Tupaia´s Karte bereits digital nachvollziehbar vorliegt.[15] An der Universität Potsdam ist mit dem Lehrstuhl „Großbritanniens Cultural Studies“ ein digitalisierter Studienbereich entstanden, der aufzeigt, dass in der pazifischen Hemisphäre indigene Einflüsse gleichwertig neben denen der europäischen Historie am Wirken sind.

Ein eigenständiger Lehrstuhl für australische oder neuseeländische Geschichtswissenschaft steht im deutschsprachigen Wissenschaftsraum nicht zur Diskussion. Dies hat vor allem mit der heute gängigen Abkehr von ortsbegrenztem Handeln zu tun: zugunsten der Etablierung einer Historiographie, die Ideen, Wirkungsbereiche und Strukturen auf eine transnationale und translokale Ebene hebt. Infolgedessen ergibt sich die Annäherung an die Historie Australiens und Neuseelands überwiegend aus der interdisziplinären Ausrichtung einzelner Literatur- und sprachwissenschaftlicher oder kulturgeographischer Lehrstühle auf eben diese interkulturellen Verflechtungen oder transnationalen Erscheinungsformen.

Ein besonderes Beispiel bietet die philosophische Fakultät zu Köln mit dem Centre for Australian Studies (CAS). Mit dem Inter- and Transdiciplinary Research Centre ist unter der Leitung von Prof. Dany Adone und Prof. Beate Neumeier das derzeit relevanteste Forschungs- und Lehrinstitut zu Australien und Neuseeland in Deutschland entstanden. Aus dem Zusammenschluss immer neuer Forschungskooperationen und Fachdisziplinen erwuchs ein internationales, Universitäts-übergreifendes Netzwerk, das seinen Ursprung in dem seit 2009 geförderten DAAD-Gastlehrstuhl (Dr. R. Marika-Lehrstuhl) hatte. Die Gründung des interdisziplinären CAS ist ein Novum im deutschen Forschungsbereich zu Australien und Neuseeland. Seit dem Jahr 2016 werden dessen Aktivitäten von Köln aus koordiniert. Aus den Kernkompetenzen dieses Lehrstuhls, die zunächst die Bereiche Linguistik, Literatur- und Kulturwissenschaft, Postcolonial Studies, Geographie, Ethnologie, Biologie und die Geschichtswissenschaft umfassten, hat sich das Zentrum personell erweitert, neue lokale Kooperationen in Deutschland und Übersee geschaffen und an der Diversifizierung auch hinein in den Bereich der Naturwissenschaft, Rechtswissenschaft, Politik und Wirtschaftswissenschaft gearbeitet. Modellhaft ist es den Organisatoren gelungen, digitale Lehr- und Lernangebote im Feld der Australian Studies anzubieten. Über prominente und international renommierte Lehrstuhl-Inhaber*innen (Bill Ashcroft, Kay Schaffer, Sue Kossew, Paul Arthur, Jacqueline Lo sowie Brian Devlin, Rob Amery, Patrick McConvell, Harold Koch) ergab sich der Ausbau eines breiten Forschungs- und Lehr-Netzwerks mit australischen (und neuseeländischen) Universitäten. So hat sich mit seinem breitgefächerten Themenspektrum ein eigenständiges Gestaltungszentrum in Deutschland verankert, das die Australien- und Neuseeland-Wissenschaften als potentes Forschungsfeld anerkennt. Der Geschichtswissenschaft kommt dabei nur in dem Maß ein nachgeordneter Rang zu, wie diese nicht ihre mannigfaltigen Chancen zur aktiven Ausgestaltung der Materie nutzt.

Es bleibt hervorzuheben, dass Historiker*innen ihre Kompetenzen innerhalb dieses Kooperationsnetzes einbringen und umfassend in Lehre und Forschung dokumentieren, wozu gerade die Digitalisierung der letzten Jahre enorm beigetragen hat. Beispielhaft sei hier auf zwei Bereiche verwiesen, die durch ihre digitalen Vernetzungen das disziplinär kaum voneinander trennbare Potential der Lehre und Forschung in den Australien- und Neuseeland-Wissenschaften beleuchten: Im Zentrum steht dabei (a) die digitale Vermittlung von Lehrkonzepten sowie (b) die digitale Dokumentation von Forschungsinhalten. So ist etwa der Forschungseintrag der German Association for Australian Studies (Gesellschaft für Australienstudien) belegt durch die fortlaufende Produktion eines Fachjournals wie dem Australian Studies Journal (Zeitschrift für Australienstudien) als auch durch die digitalisierte Datenbank aktuell agierender Australien- und Neuseeland-Experten. Im Ergebnis operiert die Lehre und Forschung zu Australien- und Neuseeland hierzulande vornehmlich auf der Basis folgender Infrastruktur: Mit dem von Nordrhein-Westfalen geförderten Verbundprojekt Australian Studies Online hat erstmals ein deutsches Bundesland den Aufbau innovativer, digitaler Lehrformate (Magisterprogramm: ab 2024) zu dieser Weltregion initiiert und etabliert (Schwerpunkt: Lehre). Zusätzlich entstand mit der auf die Australian and New Zealand Studies fokussierten Library of Anglo-American Culture & History das im virtuellen Gestaltungsbereich umfassendste deutsche Recherche-Portal sowie die zugehörige Archivierungs-Plattform zur interdisziplinären Erforschung dieser Hemisphäre (Schwerpunkt: Forschung).

Aus der Vielzahl überragender und marginaler Themenschwerpunkte zu beiden Regionen stechen die folgenden, vornehmlich historiographisch orientierten Einzelinitiativen hervor: Im Historischen Institut der Universität Bern bietet die Abteilung für Neueste Geschichte und Zeitgeschichte (Daniel Marc Segesser) einen Schwerpunkt zur Historie des britischen Empire, der Australien einbezieht. An der Universität Bayreuth lenkt Prof. Dr. Hermann Hiery mit dem Lehrstuhl für Neueste Geschichte in hervorgehobener Weise das Forschungsinteresse auf die Geschichte Neuseelands und Ozeaniens, während Prof. Dr. Ewald Frie am Lehrstuhl für Neuere Geschichte der Eberhard Karls Universität Tübingen über Neuseeland und Australien orientiert und vermehrt Forschungspersonal zu diesem Bereich rekrutiert.[22] Sprachwissenschaftliche Aspekte dominieren gleichwohl die eigentliche Annäherung an die Materie und verdrängen den historiographischen Bezug. Beispielhaft für die punktuelle Beschäftigung mit Australien – soweit diese nicht Teil der Kooperation mit hier bereits genannten Lehrstühlen sind – bleiben: der Lehrstuhl für Anglistik und Amerikanistik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Dr. Therese-Marie Meyer) und die Professur für Anglistik und Literaturwissenschaft an der Universität Bremen (Prof. Dr. Norbert Schaffeld).

2. Suprastrukturen

Abbildung 4. „Zeitenspiegel“: Die Australien- und Neuseeland-Studien sind ein interdisziplinäres Forschungs- und Lehrgebiet, das alle Bereiche der Sozial-, Geistes- und Naturwissenschaften berührt.

Abbildung 4. „Zeitenspiegel“: Die Australien- und Neuseeland-Studien sind ein interdisziplinäres Forschungs- und Lehrgebiet, das alle Bereiche der Sozial-, Geistes- und Naturwissenschaften berührt.

Historiker*innen, die sich nicht nur in Deutschland und Österreich engagieren wollen, sondern in Europa, den Amerikas und Asien zu Australien und Neuseeland forschen, organisieren sich unbehindert von Zeitzonen und Grenzen, virtuell überall präsent und simultan vernetzt im globalisierten Seminarraum.

2.1 Netzwerke

Interessierte finden sich zu interdisziplinären Gesellschaften zusammen, in denen die Australien- und Neuseeland-Studien einen Forschungsschwerpunkt bilden. Seit 1989 sind etwa die European Association for Studies of Australia (EASA) und die International Australian Studies Association (INASA) bedeutende Foren des Gedankenaustausches. Deren Homepages geben einen ersten orientierenden Überblick über Fachgesellschaften, die in Europa, Asien, Nordamerika und Ozeanien Foren der Cross-Culture-Research bilden. Außerhalb des deutschsprachigen Raums hat sich eine umfassende Infrastruktur zur Erforschung und zum Studium der australischen und neuseeländischen Geschichte und Kultur herausgebildet. Vor allem profitiert der globale wissenschaftliche Raum von der Möglichkeit, außerhalb und innerhalb der eigenen Hemisphäre Vernetzungen und Forschungsinitiativen anzustoßen. Ein Beispiel ist das Australian Studies Institute (Australian National University); es steht im Zentrum der institutionellen Vernetzung und erfüllt symbolhaft die Aufgabe eines virtuellen Koordinationszentrums für die Australian Studies. Unter einer Vielzahl von europäischen Institutionen profilieren sich Einrichtungen wie beispielsweise das Menzies Australia Institute, King’s College London oder das parteiengebundene Menzies Research Centre (MRC). Eine Vielzahl fachübergreifender Institute und Gesellschaften offerieren digitale Zugänge zu Informationen über Australien- und Neuseeland: Diese Netzwerke sind separat gelistet.

2.2 Fachinstitute

In Nordamerika gibt es eine Reihe von Einrichtungen, die Australien und Neuseeland als gemeinsamen Forschungsbereich institutionalisiert haben: Es sind vor allem das Center for Australian, New Zealand & Pacific Studies an der Georgetown University Washington, DC; das Edward A. Clark Center for Australian & New Zealand Studies der University of Texas in Austin und der Gough Whitlam and Malcolm Fraser-Gast-Lehrstuhl für Australian Studies an der Harvard University in Cambridge, MA. In Asien besteht ein Austausch mit der Universität in Osaka (Japan).[23] Für Australien und Neuseeland seien auswahlweise folgende Zentren benannt: Renommierte historische Institute, an denen über unterschiedliche Aspekte der australischen Geschichte, beispielsweise über Formen des Kolonialismus und Postkolonialismus, indigene Geschichte sowie über die Historie des Südpazifik geforscht wird, sind die School of Historical and Philosophical Studies der University of Melbourne; die Departments of Archaeology and History der La Trobe University in Melbourne oder der University of Sydney. Letztere exemplifiziert mit ihrer Ausrichtung auf disziplin-übergreifende thematische Schwerpunkte den zeitgemäßen Diskurs: etwa zur kolonialen Siedlergeschichte und der assozierten Gewaltpotential-Erforschung, der Historiographie zu globaler Ökologie oder zur indigenen Geschichtsschreibung und Dekolonisation pazifischer Artefakte sowie der Diversitätskultur. Hervorzuheben bleibt die School of History, Philosophy, Religion and Classics der University of Queensland in Brisbane, die ein breitgefächertes Lehrangebot in australischer Kultur- und Sozialgeschichte offeriert.

Am Department of Pacific and Asian History der Australian National University in Canberra bilden transnationale Aspekte in der Geschichte Australiens und des Pazifikraums erweiterte Schwerpunkte der Lehre. Darüber hinaus profilieren sich auch Institutionen, die regionale Bezüge der Lehre in den Mittelpunkt der Forschung stellen: Beispielhaft agieren das Centre for Tasmanian Historical Studies an der University of Tasmania in Hobart und Launceston oder die University of Western Australia in Perth. Erwähnenswert ist eine inoffizielle Übersicht über Zentren der indigenen Forschung – sogenannten Centres for Australian Indigenous Studies; wie ebenfalls das Australian Institute of Aboriginal and Torres Strait Islander Studies (AIATSIS), das 1964 offiziell gegründet wurde, eines ist. Gleich mehrere dieser Zentren, die eine mikrohistorische Perspektive auf den Erdteil eröffnen, beziehen sich in besonderer Weise auf die Geschichte der Ersten Australier.

Ähnlich wie in Australien bestand auch in Neuseeland das Bestreben, der eigenen Nationenwerdung innerhalb des Britischen Commonwealth eine Historiographie zu geben. Die Gegenwart spiegelt ein breites Spektrum von innovativen Einrichtungen, die zur Symbiose einer von Mãoris und Europäern geprägten Historie forschen ‒ und nicht alle genannt werden können. An der größten geisteswissenschaftlichen Fakultät Neuseelands, an der University of Auckland, umfassen beide Kulturen gleichberechtigte Forschungsinhalte. Dieser interkulturelle Ansatz hat eine längere Tradition als in Australien und spiegelt sich konsequent in der zweisprachigen Betitelung neuseeländischer Universitäten. Renommierte Institute sind das Stout Research Centre for New Zealand Studies der Victoria University of Wellington, die School of Social Sciences der University of Waikato in Hamilton, das History Department der University of Canterbury in Christchurch und die School of History der Massey University in Palmerston North.

Die Forschungsinstitute australischer und neuseeländischer Hochschulen richten traditionell ein besonderes Augenmerk auf die Entwicklung der indigenen Völker in ihrem Kulturraum. Dieser Blickwinkel bezieht die Geschichte Ozeaniens ein. Der weit reichende politische und wirtschaftliche Einfluss beider Länder im pazifischen Raum impliziert ein besonderes Interesse an der Entwicklung der australischen und neuseeländischen Beziehungen zu den Staaten der Region. Auswahlweise benannt seien: das Pacific Institute an der Australian National University und das Macmillan Brown Centre for Pacific Studies der University of Canterbury in Christchurch.

Eine Besonderheit der australischen Hochschulforschung ist die Tradition der „external studies. Sie nahm 1911 als Angebot des Department of Correspondence Studies der University of Queensland ihren Anfang; auch in Neuseeland lag hierin ein wichtiges Anliegen der Bildungspolitik. Nicht zuletzt aus dieser pragmatischen Reaktion auf die immense Größe des Kontinents und die Abgeschiedenheit vieler Kommunen resultiert die heute selbstverständliche Nutzung digitaler Methoden der Geschichtsvermittlung. Australiens und Neuseelands Universitäten und Archive gehören gegenwärtig zu den weltweit fortschrittlichsten Anbietern digitaler historiographischer Inhalte. Das effiziente Internetangebot befördert den globalen akademischen Austausch und die Nutzung von Onlineressourcen. Moderne Kommunikationstechniken ermöglichen die Bereitstellung von Lernmodulen und digitalisierten Archivalien in akademischen Webportalen. Webinars, Online-Lectures, virtuelle Bild- und Audio-Archive, Web-gemäße Diskussionsforen, Hybrid-Konferenzen, multimediale Publikationen, Podcasts und Live-News-Ticker bestimmen den digitalisierten Diskurs und sind aus dem Forschungsalltag nicht mehr weg zu denken.

3. Die digitale Recherche

Hyperlinks repräsentieren im digitalen Zeitalter Querverweise vom Stichwort in die Materie. Die gezielte Suche nach einem Schlüsselbegriff ist heutzutage weltweit möglich und kann günstigenfalls ohne den realen Zugriff auf die materialisierte Akte auskommen. Dazu bedarf es virtueller Strukturen wie der Suchmaschine, die den Griff in papierne Kataloge ersetzt.

3.1 Tools: Suchmaschinen

Aus der Vielzahl von virtuellen Suchmaschinen zu Australien und Neuseeland ragen die digitalisierten Indizes der National Archives of Australia, der National Library of Australia, der National Library of New Zealand und der Archives New Zealand hervor. Über deren Suchmaschinen läßt sich annähernd jede historische Thematik der Südpazifik-Region recherchieren. Ein höchst effizienter Einstieg in die Materie erfolgt oft über die Suchmaschine „Explore the Collection” und „Publications and Resources”. Bei den National Archives of Australia erlaubt eine vorstrukturierte Stichwort-Vorgabe das erste Eintauchen in Themengebiete, die von hervorgehobener Bedeutung sind: Immigration, Foreign Relations, Military History, First Australians, States and Territories oder Australia´s Prime Ministers sind geeignete Wegweiser, um sich ohne eigene Kenntnisse eine erste Orientierung zu verschaffen. Wer tiefer und/ oder mit Vorkenntnissen in dem Pool von derzeit über 40 Mio. (Stand 2023) Dokumenten recherchieren möchte, wird mit Eingaben von Schlüsselbegriffen und Daten gezielt suchen und finden.

Die Recherche bietet auch Bezüge in die Hemisphäre; so sind die koloniale Administration in Papua New Guinea ebenso wie Ereignisse in Indonesien, Japan oder Südafrika in der historischen Dokumentation recherchierbar. Das Nationalarchiv bewahrt überwiegend Regierungsdokumente, die seit der australischen Föderation 1901 bis heute entstanden. Nach Bundesstaat geordnet finden sich regionale Depositorien in Canberra, Sydney, Melbourne, Adelaide, Brisbane, Perth, Hobart und Darwin. Die größte Sammlung an australischen Regierungsdokumenten verwalten die National Archives of Australia (NAA) in Canberra, aber auch über das Public Record Office Victoria (PROV) in Melbourne, das die Arbeit der kolonialen Administration in diesem Staat bis in das frühe 19. Jahrhundert dokumentiert, findet sich der digitale Einstieg in die Archivrecherche.

Daneben bietet die National Library of Australia (NLA) mit ihrer weitreichenden Vernetzung über das Recherche-System TROVE den bei weitem umfassendsten Zugriff auf Manuskripte jeder Art: Briefe, Artefakte, Zeitungen, Magazine, Bilder, Karten, Bücher und archivierte Webseiten werden durch die Datensuche auf einer australischen Plattform verbunden. Grundsätzlich fokussiert sich die Recherche auf Online-Kataloge. Hier kanalisiert vor allem die australische Nationalbibliothek alle relevanten Informationszugänge zu wissenschaftlicher Literatur sowie zu historischen Dokumenten. Über die Homepage eröffnet sich dem Australianisten ein faszinierender virtueller Forschungsraum, der Zugriff auf alle wichtigen Ressourcen in diesem Forschungsfeld gewährt. So sind in der Suchmaschine ebenso Hinweise auf die Existenz von handschriftlichen Aufzeichnungen des berühmten Navigators James Cook zu finden wie Hinweise auf Buchausgaben der populären neuseeländischen Illustratorin Dorothy Wall (1894–1942), die das beliebte Kinderbuch Blinky Bill schuf oder die weltweit bekannte und 1895 von Andrew B. Paterson (1864–1941) vertonte Volksweise „Waltzing Matilda”. Das schier unerschöpfliche Potential dieser Suchmaschine führt dazu, dass im Jahr 2023 für die australische Historie in noch nie da gewesenem Ausmaß digitale Inhalte für die Lehre und Forschung bereit stehen.

Die State Library of New South Wales hat in ihrer Homepage unter dem Stichwort „Research and Collections“ äußerst fundierte Internet-Links zu speziellen Themengebieten eingerichtet: die Webseiten verlinken u.a. zu den Seiten „Indigenous Languages Collection“, zu der berühmten „Holtermann Collection”, den „Sir Joseph Banks Papers” oder zum „Social Media Archive”mit den aktuellsten Medienforen und Hashtags. Diese Sammlungen eröffnen gehaltvolle Übersichten über die unterschiedlichsten Themen der australischen Geschichte. Interessierte können sich, einem Proseminar zur australischen Geschichte gleich, hier mit Hilfe von einführenden Texten, Fotos, Links und Hashtags über die Sammlungen der Bibliothek informieren. Vorrangig ermöglicht diese Orientierungshilfe eine historiographische Einführung in die Materie. Thematische Websites lesen sich als Auswahlkriterien: Ganz allgemein führen die Links dieser Übersicht zu Institutionen, Studiengebieten und digitalen Ressourcen.

Ähnliches gilt für neuseeländische Archivalien; über 6 Mio. Dokumente finden sich (Stand: 2023) in den Depositorien der Archives New Zealand, die das Handeln von Regierung und Öffentlichkeit seit ungefähr 1840 abbilden. Diese umfassen Manuskripte, Bilder, Filme ebenso wie Tondokumente. Frei recherchierbar und auf Anfrage zugänglich gemacht werden Archivbestände in Auckland, Wellington, Christchurch und Dunedin. Dabei handelt es sich um alle Arten offizieller Dokumente wie etwa Einwanderungsakten, Gerichtsprotokolle, Landregistrierungen, Vermessungskarten, Minenexplorationen oder Polizeiberichte, die in administrativem Zusammenhang standen mit der Kolonialverwaltung und den Māoris. Nur etwa 3–4 Prozent aller jemals von einer neuseeländischen Behörde produzierten Aktenbestände sind heute noch vorhanden; es wird vermutet, dass die meisten Unterlagen durch Nachlässigkeit in der Verwahrung, Inkompetenz oder negative Natureinflüsse verloren gingen. Die National Library und Alexander Turnbull-Sammlungen bieten Suchfunktionen: zum digitalen Katalog, zu Archivalien, Bildsammlungen, e-Ressourcen und Magazinen. Hier erschließt sich Historikern das kulturelle Gedächtnis der neuseeländischen Nation, verfügbar gemacht durch eine Vielzahl von digitalisierten Dokumenten und weiterführenden Links. Vor allem die „Papers Past”-Funktion mit ihrem Volltext-Archiv zur Neuseeland- und Pazifik-Region erlaubt Recherchen von Manuskripten (Briefe und Tagebücher), gedruckten Periodika (Zeitschriften) und Büchern. Beispielhaft lassen sich unterschiedlichste Aspekte zum Leben von Donald McLean (1820–1877), einer der einflussreichen Personen in der Geschichte Neuseelands recherchieren. McLean unterhielt ein ausgedehntes Netz von Informanten in ganz Neuseeland, das ihm wichtige Kontakte sicherte. Seine Kenntnis der Māori-Sprache machte den Austausch zwischen der englischsprachigen Kolonialadministration und den Māori-Führern zu einem Vehikel des zeitgenössischen Kulturaustausches. Annähernd 3000 dokumentierte Korrespondenzen zwischen McLean und (beauftragten) Vertretern der Māoris illustrieren den Kulturkontakt; diese stellen die heute wohl umfassendste Sammlung von Māori-Zeugnissen des 19. Jahrhunderts dar. Ein groß angelegtes Trankriptions- und Digitalisierungsprojekt begleitet das Projekt.

Die großen historischen Archivbestände werden überwiegend auf dem Fünften Kontinent verwaltet und digitalisiert. Außerhalb der Hemisphäre finden sich gleichwohl bedeutende Sammlungen: Dies gilt insbesondere für die koloniale Geschichte Australiens und Neuseelands. Hervorzuheben bleibt, dass Historiker*innen über Großbritanniens Server digitale Zugänge zur Geschichte der europäischen Exploration auftun. Primär ist hier die British Library (BL) zu benennen: Ein kurzer Abriss über Entwicklung, Inhalt und Dokumentationsstrategie der Australian and New Zealand Collections der BL liegt online vor. Ein Schwerpunkt der Sammlung ist das 19. Jahrhundert, da australische und neuseeländische Literatur zu jener Zeit vielfach im Vereinigten Königreich publiziert wurde. Die BL ist eine Fundgrube für Historiker*innen, die sich mit der britischen Landnahme im Südpazifik beschäftigen.

3.2 Webportale: Themenpools

Das Angebot digitaler Informationsressourcen zur Geschichte Australiens und Neuseelands erschließt sich mühelos über Themenportale, die jenseits der allgemeinen Suche bereits auf Sammlungen mit inhaltlichen Schwerpunkten verweisen: Etwa bietet die Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen zu den Stichworten „Australian History” und „New Zealand History” unzählige Hinweise auf historisch relevante Internet-Links, unter denen der höchst ergiebige „Fachinformationsdienst (FID) Anglo-American Culture” ein wichtiges Instrument der digitalen Recherche für Studierende, Lehrende und Publizierende darstellt. Kaum eine der hierzulande eingeführten Sammlungen ist so umfangreich wie die der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen. Dort entstand seit 1949 das Sondersammelgebiet zur Geschichte des angloamerikanischen Kulturraumes. Die Göttinger Sammlung umfasst die in Deutschland größte kulturgeschichtliche Forschungsbibliothek zu Australien und Neuseeland. Der Zugang erfolgt über die „Library of Anglo-American Culture & History”.

Das Portal „South Seas: Voyaging and Cross-Cultural Encounters in the Pacific” gewährt Zugang zu ausgewählten Reiseberichten von James Cook und seinen Begleitern. Eine breit gefächerte Sammlung von zeitgenössischen Bildern, Texten und kartographischen Quellen beleuchtet den Kulturkontakt im Kontext der Entdeckung des Südpazifiks zwischen 1760 und 1800. Das Kultur-Portal des Australian Museum in Sydney greift zeitlich weiter: Dem Anfänger vermittelt es virtuelle Einblicke in die Vorgeschichte Australiens, seiner indigenen Kulturen sowie Erkenntnisse über die Prähistorie Ozeaniens. In einen gesonderten Bereich entführt das „Project Gutenberg Australia”: Es legt seinen Schwerpunkt auf die Bereitstellung historischer Bücher als primäre Quelle. Im Kontext der deutsch-australischen Historie bleibt hinzuweisen auf ein Forschungsprojekt zur Thematik des interkulturellen Kontaktes zwischen indigener Bevölkerung und europäischen Missionaren, das Prof. Dr. Regina Ganter (Griffith University, Brisbane) zum Thema „German Missionaries in Australia” als Internetressource realisierte. Herausgestellt sei ein Portal, das Zugriff auf eine prominente Datenbasis des British Home Office (HO) gewährt: Die „Convict Transportation Registers Database” der State Library of Queensland. Hierin sind Informationen über 123.000 Sträflinge (von rund 160.000) enthalten, die zwischen 1788 und 1868 (von Irland: 1791–1853) nach Australien kamen.

In Neuseeland wirkt die University of Waikato an dem Aufbau der digitalen Bibliothek einer Nation mit. Wer umfassend auf Primärquellen zugreifen möchte, arbeitet vorzugsweise mit dem Portal der New Zealand Digital Library: Unter dem Stichwort „History and New Zealand“ findet sich ein exzellentes Rechercheportal, in dem neuseeländische und australische Text-, Ton- und Bild-Ressourcen zusammengefasst werden und digitalisierte Dokumente sowohl einsehbar wie abhörbar sind. Vorbildhaft erlaubt das „New Zealand History/ NZHistory”-Portal Zugriff auf Bilder, multimediale Präsentationen, Biographien und Beschreibungen von Denkwürdigkeiten und Orten. Stichworte aus allen Bereichen der neuseeländischen Geschichte, Politik, Regierung, Kultur und Gesellschaft leiten in die Tiefe der unerschöpflichen Materie: Dort bildet sich auch weiter, wer mehr über den „Kiwi der Woche” lernen will oder über das offizielle Register neuseeländischer Memorials. Das Ministry for Culture and Heritage mit dem Portal: „Manatū Taonga” beleuchtet Aspekte des kulturellen Erbes und der nationalen Identität dieser Nation im Südpazifik.[35] Modellhaft repräsentiert Neuseeland – ebenso wie Australien – das Beispiel einer digitalisierten Nation, der es nicht erst im Jahr 2023 erfolgreich gelungen ist, das nationale Erbe virtuell darstellbar zu machen, sondern dieses zugleich über soziale Netzwerke buchstäblich im Live Stream der Entwicklung diskursiv zu positionieren.

4. Die digitale Ressource

Suchmaschinen sind das digitalisierte Werkzeug (Tool), das zur eigentlichen Ressource (Medium) führt. Im virtuellen Zeitalter haben sich somit beide – Tool und Medium – entmaterialisiert; diese sind in wachsender Zahl ubiquitär verfügbar.

4.1 Bibliographien: Digitalisierte Findbücher

Bibliographien, die spezielle Zeiträume oder Aspekte der australischen oder neuseeländischen Historie behandeln, sind überwiegend nicht online verfügbar. Gleichwohl schreitet die Digitalisierung voran. So finden sich die Bände I–IV (Canberra: National Library, 1986) der Bibliography of Australia von John Alexander Ferguson im Online-Zugriff. Ebenfalls sind ausgewählte Sammlungen, wie die Rex Nan Kivell Collection (1898–1977) der National Library of Australia, online abrufbar: Bedeutende Manuskripte und Gemälde aus der Pazifik-Region sind hier erfasst. Wer etwa mehr über das Lebenswerk des bekannten indigenen Führers, Edward Koiki Mabo (1936–1992), erfahren will, kann sich selbst maßgerecht ein digitales Findbuch erstellen. Ähnliche Möglichkeiten bietet die Funktion der e-Resources-Suche in der National Library New Zealand. Jedem sei angeraten, sich über die umfassenden Suchfunktionen der National Library of Australia oder die National Library New Zealand virtuelle, individualisierte Bibliographien zu Themen der australischen oder neuseeländischen Geschichte interaktiv zu erstellen.

4.2 Museen: Digitalisierte Rundgänge und Artefakte

Das Studium der australischen und neuseeländischen Geschichte ist breit gefächert und erschließt sich über die Rezeption ethnographischer, naturhistorischer, kultureller und historischer Objekt- und Kunst-Sammlungen. Virtuelle Rundgänge sind gängige Praxis multimedialer Auftritte. Oft ersetzen diese den realen Besuch: Museum and Art Gallery of the Northern Territory entführen ortsfremde Besucher ihrer Homepage virtuell in die Sammlung. Das Sydney Jewish Museum nutzt bewusst interaktive Methoden des Lernens: Hier wird explizit zur Teilnahme am Projekt „interaktiver Biographien” aufgefordert. Ebenfalls lassen sich in der National Gallery of Australia aktuelle und archivierte Online-Ausstellungen auffinden: Filmsequenzen, Interviews, Videos und Lesungen veranschaulichen die Möglichkeiten des unmittelbaren Eintauchens in die Bild-Geschichte der indigenen und nicht-indigenen Welt Australiens seit seiner Besiedlung. So besitzt die Galerie die weltweit größte Aboriginal & Torres Strait Islander Art Collection. Ebenso bietet das älteste Museum Australiens, das Australian Museum in Sydney, einen empfehlenswerten Querschnitt durch die Erdgeschichte des Kontinents.

Wer zu Neuseeland und Ozeanien forscht, wird die digital gestellten Inhalte dieser Museen nutzen: Das Museumsportal „NZ Museums” verweist auf historische Sammlungen, die online recherchiert werden können, wie etwa das „Museum of New Zealand ‒ TePapa Tongarewa, Wellington” oder das „Auckland War Memorial Museum” (Sammlung zur Māori-Kultur und des Südpazifik). Eine Besonderheit in Europa sind die ethnographischen Sammlungen, die digitale Zugriffe auf historisch relevante Artefakte im „Weltmuseum Wien” (Sammlung James Cooks zu Polynesien/ Māori-Kultur) oder im „British Museum, London” ermöglichen.

4.3 Sprachen: Digitalisierte Wörterbücher

Die Geschichte Australiens ist zugleich eine Geschichte der indigenen Sprachen und Kulturen. Mehr als 250 indigene Sprachen und deren rund 800 Dialekte versinnbildlichen die Verbundenheit der Bewohner mit ihrem Land, ihrer Kultur und den Ahnen. Einen Überblick über die bekanntesten Sprachgruppen verschafft die online verfügbare Lern-Ressource „Aboriginal and Torres Strait Islander People: Living Languages”.[45] Filmsequenzen, Audio- und Multimedia-Dateien illustrieren und beleben die Diversität der indigenen Kulturen: Zwar mag dem Unkundigen das Erleben einer die Zeiten überdauernden mythischen Verbindung zwischen Mensch, Natur und Ort nur punktuell in den Geschichten sogenannter „Songlines” nachvollziehbar sein, doch läßt sich die Einzigartigkeit der indigenen Kulturen dank der modernen Archivierungs- und Darstellungsformen multimedial und kreativ vermitteln. Für Neuseeland ist die Übersetzungshilfe „Māori Dictionary Online” zu empfehlen, da diese auf traditionelle Kulturkonzepte der indigenen Bewohner Neuseelands Bezug nimmt.

4.4 Quellen: Retrodigitalisierungen von Schriften und Tönen

In Australien lassen sich Digitalisierungen wichtiger Quellenbestände am schnellsten durch die Rechercheportale der National Library und der National Archives auffinden: Allgegenwärtig bleibt der digitale Zugriff auf die Digital Collections der NLA und die Online-Ressource TROVE. Von herausragender Bedeutung ist die Digitalisierung von James Cook's Journal of the HMS Endeavour aus den Jahren 1768–1771 und William Bligh′s Notizbuch von 1789, das dieser nach der Meuterei auf der Bounty verfasste. Die Retrodigitaliserung der berühmten Ducie Collection of First Fleet Art von George Raper (1788) ist Teil des historisch höchst relevanten Bildarchivs der NLA. Eine thematische Besonderheit stellt die Digitalisierung umfangreicher Forschungsressourcen aus dem australisch-pazifischen Kulturraum dar. Die NLA ermöglicht den weltweit umfassendsten digitalen Zugriff zu Primärquellen, die den europäischen Vorstoß im Südpazifikraum beleuchten: Zeichnungen, Kartenmaterial, Tagebücher und Forschungsberichte sind Bestandteil dieser erstrangigen Ressource vor allem zur Geschichte Neuseelands, Mikronesiens, Melanesiens und Polynesiens. Darüber hinaus hat ein nationales Kooperationsprojekt zur Digitalisierung wichtiger Quellenbestände aus der Kolonialzeit geführt: Mit dem Australian Periodical Publications Project 1840–1845, das zeitgenössische Zeitungen für die Lektüre verfügbar macht, liegt eine bedeutende Online-Ressource zu diesem Zeitraum vor.

Unter den Australiana, die bisher von der NLA digitalisiert wurden, finden sich Gesetzestexte des Bundes und der Einzelstaaten, ferner ornithologische Werke, wie John Goulds Birds of Australia (London 1848), die Zeichnungen des Indigenen Tommy McRae (1835–1901) oder berühmte Tonaufnahmen, wie etwa das umfangreiche Archiv zu John Meredith (1920–2001): Dieses Folklore-Projekt stellt einen reichen Fundus an Audiomaterial bereit und führt in ein populäres Thema der Nation ein. Die Digitalisierung ist in Australien gängige Methode der Multiplikation von Wissen. Bereits seit 2006 operiert die von der Australian National University verwaltete Plattform, Australian Dictionary of Biography, als digitales Medium, das weit über 13.000 Einträge zu Persönlichkeiten umfasst, deren historisches Wirken von nationaler Bedeutung war. Ebenfalls ist das Digitalisierungsprojekt des National Film and Sound Archive Australia (NFSA) hervorzuheben.

Einen nachhaltigen Service bietet das australische Nationalarchiv (NAA): Individuell recherchierte Dokumente können zur Digitalisierung angefordert werden. Daneben gibt es thematisch eigenständige Digitalisierungsprojekte: Das Public Record Office Victoria (PROV) bietet Forschern die Möglichkeit, über den Digitised Records and Online Index ausgewählte Dokumente ‒ etwa Passagierlisten ‒ einzusehen, die von regionalgeschichtlicher Relevanz sind. Beispielhaft zu nennen ist zudem die behördliche Korrespondenz des Chief Protector of Aborigines 1847–1851 im Port Phillip District.

In Neuseeland monopolisiert die National Library of NZ die Digitalisierung national relevanter Dokumentensammlungen. Alle bedeutenden Archiv- und Kunstsammlungen des Landes sind in der erwähnten Ressource DigitalNZ vernetzt: diese erschließt das digitalisierte historische und kulturelle Erbe Neuseelands systematisch. Ein wichtiges Digitalisierungsprojekt ist zudem die Dictionary of New Zealand Biography als Teil der Encyclopedia of New Zealand; eine Online-Version macht die Biographien indigener und nicht-indigener Neuseeländer zugänglich.

4.5 Bilder: Digitalisierte Fotos und Illustrationen

Die größte Bildressource Australiens ist in der Suchmaschine TROVE vernetzt. Gemälde, Zeichnungen, Photographien und Cartoons aus allen relevanten Sammlungen des Landes sowie aus Neuseeland erschließen das visualisierte Erbe eines Kontinents. Australiens und Neuseelands Archive besitzen überdies wertvolle Bildsammlungen, die die Beteiligung beider Nationen an der Erschließung der Antarktis-Region illustrieren. Ein großer Teil des photographischen Nachlasses von James Francis Hurley (1885–1962), der an Antarktis-Expeditionen teilnahm, lässt sich über diese Ressource einsehen. Die meisten australischen Staatsbibliotheken haben in Kooperationsprojekten Teile ihrer Bildbestände digitalisiert und bieten Recherchefunktionen an.

In Neuseeland ist es auswahlweise das Museum of New Zealand in Wellington, das Bildsammlungen digital bereitstellt. Von herausragender Bedeutung für die Forschung ist die „Dr. Hocken's Pictures Collection”. Ihre bisher nur partiell digitalisierten Bestände schöpfen aus einem reichen Fundus von Buchdrucken und Photographien zu allen Bereichen der neuseeländisch-pazifischen Geschichte.

4.6 Karten: Digitalisierte Landkarten und Räume

Die NLA verfügt über umfangreiche digitalisierte Kartenbestände. Unter den annähernd 1 Million Karten (Stand: 2023) finden sich die ältesten Vermessungen des Fünften Kontinents. Diese sind ebenfalls elektronisch recherchierbar. Viele Staatsbibliotheken besitzen interessante Sondersammlungen. Eine bedeutende Australiana-Sammlung wird von der State Library of New South Wales digitalisiert: Die „Sir William Dixson Map Collection” enthält historische Karten der pazifischen Hemisphäre, die bis auf das 16. Jahrhundert zurückdatieren. Interessante lokalgeschichtliche Forschungen erlaubt das Digitalisierungsprojekt zum „Melbourne and Metropolitan Board of Works (MMBW) der State Library of Victoria”, das wertvolle und fragil gewordene Kanalisierungspläne der Jahre 1890 bis 1950 ins Netz stellt.

Neuseelands Explorationsgeschichte ist in der kartographischen Sammlung der National Library of New Zealand dokumentiert; digitalisierte Bestände müssen über die Suchfunktion aufgefunden werden. Kostbare Kartenstiche des Südpazifiks und seiner Erschließung aus der „David Rumsey Historical Map Collection” liegen mittlerweile auch als abrufbare Dateien vor. Die amerikanische Firma David Rumsey hat sich zur Aufgabe gemacht, Karten von historischem Wert zu digitalisieren.

5. Die digitale Fach-Kommunikation

5.1 Digitale Zeitschriften

Digitale Versionen von Fachzeitschriften entsprechen dem heutigen Standard. Der elektronische Zugriff auf Fachzeitschriften ist oft kostenpflichtig – zumeist aber über Bibliotheken möglich, die eine Lizenz für ihre Nutzer erworben haben, oder durch direkten kostenpflichtigen Zugriff auf einzelne Artikel. Das Open access-Verfahren ist mittlerweile weit verbreitet. Im deutschsprachigen Raum gibt die Gesellschaft für Australienstudien neben der seit 2014 online verfügbaren wissenschaftlichen Zeitschrift für Australienstudien/Australian Studies Journal einen e-Newsletter heraus, der über Organisatorisches weit hinausgeht. Die Herausgeber*innen veröffentlichen vermehrt multimediale Artikel, auch zu historiographischen Themen. Es ist ein Forum, das Historiker*innen, Politolog*innen, Kultur-, Wirtschafts- und Literaturwissenschaftler*innen, Geograph*innen und Jurist*innen nutzen, um neueste Forschungsergebnisse zur Thematik zu diskutieren. Das Journal of Australian Studies (JAS) ist seit Mitte der 1970er-Jahre das Fachorgan der InASA. Es bietet Historiker*innen ein Forum fachlicher Partizipation.

Viele Wissenschaftsjournale zur Geschichte Australiens und Neuseelands sind über institutionelle Mitgliedschaften digital abrufbar. Für die historische Forschung bedeutet diese Option den direkten Zugriff auf Bibliographien, Bilder, Filme, Quellentexte und Multimediaaufsätze. Ein solches Forum, das digital und (noch) in der Internet-Version erscheint, ist das History Australia (Journal of the Australian Historical Association).

5.2 Digitale Foren, Blogs und Podcasts

Der vernetzte Gedankenaustausch schließt Kommunikationsforen von Universitäten, Museen, Archiven und Bibliotheken ein. Professionell agiert beispielsweise „H-Net: Humanities & Social Sciences Online”. Die Schnelllebigkeit des virtuellen Zeitalters und die eingeforderte permanente Aktualisierung redaktioneller Inhalte verwirkt lange Gültigkeitsfristen. Bis vor kurzem dienten archivierte Webseiten als neuestes digitales Medium des Belegs. Aktuell verhilft die rasant wachsende Zahl an Podcasts zu flexibleren Einblicken: Diese ermöglichen es, für jede Weltregion multimediale Archive zusammen zu stellen und individuell maßgeschneiderte Lektionen zu bauen, um die Historie des Pazifikraums in allen Facetten zu erfassen.[59]

Angesichts des in kürzester Zeit rasant gewachsenen Volumens an interaktivem Austausch gilt es nun, vermehrt zu unterscheiden, ob jeder journalähnliche Eintrag, jede notizartige Aufzeichnung, Anmerkung oder jedes Gedankenprotokoll als distributionswerter Inhalt gelistet werden sollte, um aus chronologisch geordneten, virtuellen Archiven abrufbar zu sein. Es bedarf professioneller Kompetenz und den fachlich motivierten Willen, um banale Mitteilungen von inhaltswertigen Neuigkeiten zu unterscheiden. Die ehemals pauschal unter Public Relations subsummierte Öffentlichkeitsarbeit bedient sich gegenwärtig verstärkt moderner, dem Zeitgeist angepaßter, letztlich trendiger Schlagworte, um mit der Aufmerksamkeit für Möglichkeiten in der Methode (Browse the beast; Treat your ears) den Anreiz für die intellektuelle Vertiefung in die Materie zu schaffen: Der Hashtag #ArchivesAtHome des australischen Nationalarchivs verdeutlicht den reflektierten Umgang mit Foren der Selbstdarstellung, etwa in Form von Blogs. Kurzmitteilungen in Social-Media-Kanälen wie Facebook, Instagram oder Twitter/X sind in der Gegenwart zum ständig fluktuierenden Inhalt des digitalen Austausches geworden – der wissenschaftliche Diskurs ist auf durchdachte Archivierung und Recherchierbarkeit angewiesen, um Wissenschaft nicht zu banaler Kommunikation verkommen zu lassen. Die meisten Wissenschafts-Plattformen unterziehen sich dieser Aufgabe: einer Selbstverpflichtung zum kreativen, jedoch nicht banalisierenden Ausbau der Digital Humanities.

6. Fazit

Abbildung 5. „Zeitenmomentum“: Die University of Otago ist die älteste Universität Neuseelands: Gründung 1869. Diese hat Zweigstellen ihres Haupt-Campus (in Dunedin) in Christchurch, Wellington, Invercargill und Auckland. Etwa 20.000 Student*innen aus vielen Nationen studieren an der Universität in Otago.

Abbildung 5. „Zeitenmomentum“: Die University of Otago ist die älteste Universität Neuseelands: Gründung 1869. Diese hat Zweigstellen ihres Haupt-Campus (in Dunedin) in Christchurch, Wellington, Invercargill und Auckland. Etwa 20.000 Student*innen aus vielen Nationen studieren an der Universität in Otago.

Der angestaubte Unterrichtsraum von einst ist heute ein hypermoderner, orbital vernetzter und faktisch permanent versetzbarer Ort virtueller Interaktion: Erst die Nutzung Computer-gestützter Technologien und digitaler Methoden hat der Australien- und Neuseeland-Forschung ungeahnte Möglichkeiten des Zugriffs auf Ressourcen und zuvor einzig im Depositorium aufbewahrter Quellenbestände ermöglicht. Ein Schlagwort eröffnet in der Gegenwart nicht mehr nur die Recherche, sondern führt den professionell Suchenden bereits im Moment der Stichwort-Eingabe in das Zentrum der Dokumentation. Die digitale Metasuche verkürzt den Umweg über langwierige Einzelrecherchen und ermöglicht den beschleunigten Zugriff auf Informationen. Dies ist eine für heutige Studierende selbstverständliche Maßgabe und dennoch war dieser Tatbestand noch vor wenigen Jahren undenkbar. Verdeutlichen wir dies exemplarisch, so entsteht eine imaginäre Architektur des digitalisierten Vorlesungsraums mit seinen Hauptstützen: der Recherche, Analyse, und Verbreitung der Lehre. Eine klare Abgrenzung dieser Schritte ist im digitalen Raum nicht mehr uneingeschränkt möglich und so geraten Narrativ und Diskurs meist zusammen auf eine Ebene; hier bleibt es wichtig, zwischen Darstellung und Analyse, Erzählung und Diskurs, Wahrnehmung und Kritik zu unterscheiden.

Sowohl Australien wie auch Neuseeland haben die Digitalisierung ihrer historiographischen Ressourcen und den diskursiven Umgang mit der Geschichtswissenschaft systematisch betrieben. Als Ergebnis der in Australien und Neuseeland lange einseitig wahrgenommenen geographischen Isolation sind technologische Innovationen im Bereich der Kommunikation früh rezipiert und aufgegriffen worden. Die ehedem von Geoffrey Blainey apostrophierte Problematik der „Tyrannei der Entfernung“ hat nach dem Wechsel zum 21. Jahrhundert ihre Lösung im beschleunigten Ausbau einer Internet-basierten Geschichtswissenschaft dieser Überseestaaten gefunden. Beide Länder haben die Möglichkeiten der digitalen Sicherung ihres nationalen Erbes in progressiver Weise umgesetzt. Ergebnis ist eine zeitgemäße Politik der digitalen Archivierung, die ein Studium der australischen und neuseeländischen Geschichte außerhalb der Hemisphäre deutlich begünstigt. Damit begegnete die Wissenschaftspolitik beider Länder schon sehr früh dem Problem einer lange unangemessen geringen Wahrnehmung der südpazifischen Hemisphäre durch deutschsprachige Bildungsinstitutionen.

Wünschenswert wäre eine Digitalisierung aller verfügbaren Quellenbestände, die einen Bezug zur „deutschen” Exploration des Südpazifik, Australiens und Neuseelands sowie zur Geschichte der deutschsprachigen Emigration in späteren Jahren aufweisen. Überdies stellt sich die weiterhin dringende Frage nach einer besseren finanziellen Unterstützung der historischen Lehrstühle, der e-Learning-Plattformen, der bilateralen Forschungspools und Spezialarchive im deutschsprachigen Raum, um dem Fünften Kontinent und seiner Hemisphäre einen dauerhaft eigenständigen Stellenwert in den geisteswissenschaftlichen Strukturen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz zu geben. Es gilt, sich spätestens im 21. Jahrhundert der vernetzten virtuellen Welt mit ihren veränderten Perspektiven zu stellen: Mehr denn je ist Wissen heute eine Ressource, die sich ortsungebunden, über gesetzte Grenzen hinweg und nahezu unversiegbar potenzierend offeriert; deren kritische Expertise stellt allein eine Anforderung dar an das Wollen der agierenden Akteure: Digitale Intelligenz sollte ein Instrument in der Hand des kosmopolitisch denkenden Menschen bleiben.

Literaturhinweise

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Fußnoten

  1. [1] Blainey, Geoffrey, The Tyranny of Distance: How Distance Shaped Australia’s History, Melbourne 1966.
  2. [2] Macintyre, Stuart, „The Writing of Australian History”, in: Borchardt, D.H. (Hg.), Australians, Bd. 7: A Guide to Sources, Broadway/NSW 1987, S. 1–29, hier: 1; Holleuffer, Henriette von, „The Missing Fifth Dimension: The Writing of Australian History in Germany”, in: Australian Journal of Politics and History, Bd. 54 (2008) 3, S. 450–463. Zeitgemäß ist heute der Gebrauch der Bezeichnungen indigene Australier oder Erste Australier.
  3. [3] Jurgensen, Manfred, „Deutsche Literatur in Australien – die historische Perspektive", in: Schulz, Gerhard u.a. (Hg.), Literatur und Geschichte 1788–1988, Bern/Frankfurt a. M. 1990, S. 333–347, hier: 335 u. 344 (Anm. 4).
  4. [4] Archenholz, Johann Wilhelm von, Annalen der britischen Geschichte des Jahres 1788–1796, 20 Tl., Hamburg/Stuttgart 1789–1798.
  5. [5] Forster, Georg, „Neuholland und die britische Colonie in Botany Bay”, in: Kleine Schriften. Ein Beitrag zur Völker- und Länderkunde, Naturgeschichte und Philosophie des Lebens – Erster Teil, Leipzig 1789, S. 233–274, hier: 239.
  6. [6] Zitiert nach: Eck, Reimer u. Hans Wilhelm Finger, Australien. Die europäische Erforschung von den Anfängen bis Ludwig Leichhardt (1848). Ausstellung anlässlich des 100. Jahrestages der Verfassung Australiens, Göttingen 2001, S. 69.
  7. [7] Heising, Albert, England und die anglo-sächsische Staatenbildung in Amerika, Westindien und Australien vom Ursprung bis auf die Gegenwart. Historische Darlegung, Berlin 1854.
  8. [8] „Australien“ in: Meyers Konversations-Lexikon, Bd. 2, 3. Aufl. Leipzig 1874, S. 269–298.
  9. [9] Wegele, Franz X. von, Geschichte der Deutschen Historiographie seit dem Auftreten des Humanismus, Geschichte der Wissenschaften in Deutschland: Neuere Zeit, Bd. 20, München/ Leipzig 1885, S. 1081.
  10. [10] Eine Liste Australien-relevanter deutschsprachiger Forschung: Bodi, Leslie; Jeffries, Stephen; Radvansky, Susan, Image of a Continent. A Bibliography of German Australiana from the Beginnings to 1975, Wiesbaden 1990.
  11. [11] Ein Beispiel für ideologisch verzerrte Deutungen von Fortschritt und Zivilisation: Ross, Colin, Der unvollendete Kontinent, Leipzig 1930, S. 228.
  12. [12] Macintyre, Stuart, The Writing of Australian History, S. 20 u. 22.
  13. [13] Beispielhaft Folge 2: Marshall Sahlin, Der Tod des Kapitän Cook, https://www.fernuni-hagen.de/geschichte/lg3/podcasts.shtml.
  14. [14] Es ist das besondere Verdienst der Lehrstuhlinhaber, die traditionelle Überseegeschichte auf das Niveau postkolonialer Geschichtswahrnehmung gehoben zu haben, um bisher wenig beachtete Aspekte der Forschung – wie etwa den Bereich der Biodiversitätsforschung oder der De-Territorialisierungs-Tendenz – im Blick zu haben.
  15. [15] Besonders hingewiesen sei auf das höchst gewinnbringende Ergebnis der Studie von Lars Eckstein und Anja Schwarz, deren Forschung im Bereich transkultureller Perforationen sich pragmatisch moderner digitaler Methodik bedient und Ressourcen didaktisch exzellent für die Lehre aufbereitet: https://www.uni-potsdam.de/en/iaa-alc/tupaias-map.
  16. [22] Exemplarisch: https://uni-tuebingen.de/de/4386 und http://www.neueste-geschichte.uni-bayreuth.de/.
  17. [23] Informativ: https://www.otemon.ac.jp/library/research/labo/cas/publication/pdf/39/8.pdf.
  18. [35] Die erwähnten Ressourcen finden sich (mit wenigen Ausnahmen), wie hier im Text genannt oder separat in der Liste.
  19. [45] Wissenschaftlich komplementiert wird diese Ressource durch das immense Hintergrund-Wissen, das aktuell einmalig in deutscher Sprache hinterlegt wurde: Bähr, Elisabeth/ Lindsay Frost, Erzählte Welt: Zeitgenössische indigene australische Kunst, Berlin 2022.
  20. [59] Etwa: Podcast Peoples History; Australian Histories Podcast; New Zealand History Podcast.

Dr. Henriette v. Holleuffer promovierte 1995 an der Universität Hamburg mit einer Arbeit über Migrationspolitik: „Zwischen Fremde und Fremde: Die Ansiedlung europäischer Displaced Persons in Australien, den USA und Kanada zwischen 1946 und 1952”. Als Forschungsstipendiatin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes forschte sie in Australien und arbeitete als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Überseegeschichte (Bereich: Nordamerika) an der Universität Hamburg. Henriette v. Holleuffer veröffentlichte verschiedene Arbeiten zur australischen Geschichte, u.a. ist sie Herausgeberin von Edward John Eyre, Expeditionen in den Westen Australiens, 1840–1841, Edition Erdmann, 2016. Von 2009–2021 war sie Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Australienstudien und Mitherausgeberin der Zeitschrift für Australienstudien/Australian Studies Journal. Ihr besonderes Interesse gilt der Umwelt-Geschichte der südlichen Hemisphäre.

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Für Clio-online verfasst von:

Henriette von Holleuffer

Dr. Henriette v. Holleuffer promovierte 1995 an der Universität Hamburg mit einer Arbeit über Migrationspolitik: „Zwischen Fremde und Fremde: Die Ansiedlung europäischer Displaced Persons in Australien, den USA und Kanada zwischen 1946 und 1952”. Als Forschungsstipendiatin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes forschte sie in Australien und arbeitete als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Überseegeschichte (Bereich: Nordamerika) an der Universität Hamburg. Henriette v. Holleuffer veröffentlichte verschiedene Arbeiten zur australischen Geschichte, u.a. ist sie Herausgeberin von Edward John Eyre, Expeditionen in den Westen Australiens, 1840–1841, Edition Erdmann, 2016. Von 2009–2021 war sie Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Australienstudien und Mitherausgeberin der Zeitschrift für Australienstudien/Australian Studies Journal. Ihr besonderes Interesse gilt der Umwelt-Geschichte der südlichen Hemisphäre.