Großbritannien und Irland

1. Geschichtswissenschaft und digitale Medien in Großbritannien und Irland

1.1 Digital Humanities und Digital History in Großbritannien und Irland

Digital(isiert)e Medien und die Anwendung digital basierter Methoden und Praktiken in den Humanities sind in den letzten Jahren im britischen Wissenschaftssystem massiv gefördert worden. Der Wissensraum gedruckter Publikationen bis zum Erscheinungsjahr 1900, also für die Zeit ohne urheberrechtliche Einschränkungen, ist in großem Umfang digital transformiert worden. Dies gilt auch für spezifische Materialien wie Karten, Fotos, museale Objekte usw. Angesichts dieser Entwicklung konnte der britische Historiker Tim Hitchcock denn auch feststellen: „… Britain has been at the forefront of the international campaign to make this happen, and its academic community - and the wider community of scholars working on British subjects - has been its greatest beneficiary.”[1]

Diese Entwicklungen haben natürlich auch institutionelle Konsequenzen gezeitigt. Mit Joint Information Systems Committee (JISC) gibt es in Großbritannien einen zentralen Akteur, mittlerweile in der Rechtsform einer not-for-profit company, der Projekte fördert sowie Zugänge zu kommerziellen digitalen Medien für die britischen Universitäten vermittelt. Connected histories: British History Sources, 1500–1900 ist nur ein prominentes Beispiel eines von JISC geförderten Projekts aus dem Bereich der Digital History. Weitere Akteure der Digitalisierung sind die großen National- und Forschungsbibliotheken sowie die National Archives. Die Vielfalt und Lebendigkeit der Entwicklung dokumentiert sich insbesondere auch über zahlreiche Forschungsinstitute und universitär verankerte Zentren und Departments zum Bereich der Digital Humanities, die sich in den letzten Jahren etabliert haben. Als Beispiele seien nur genannt: Digital.Humanities@Oxford, das Digital Humanities Network an der University of Cambridge, die Digital Humanities am King’s College London, das Humanities Research Institute (HRI Digital) an der University of Sheffield oder das Humanities Advanced Technology & Information Institute an der University of Glasgow sowie das NaCTeM. The National Centre for Text Mining an der University of Manchester; auch die Queen’s University Belfast weist einschlägige Aktivitäten auf, so zum Beispiel die Digital Humanities Initiative, ebenso das Trinity College Dublin. Unter dem Dach der Digital Humanities finden sich alle geisteswissenschaftlichen Disziplinen wieder, doch fast überall sind darunter auch Projekte von HistorikerInnen realisiert worden, die ihren Niederschlag meist in einschlägigen thematischen Websites gefunden haben.[12]

Von den genuin geschichtswissenschaftlichen Forschungseinrichtungen, die im Bereich der Digital History seit Jahren besonders aktiv ist, muss an erster Stelle das , das institutionell zur School of Advanced Study der University of London gehört, genannt werden. Die Website des IHR dokumentiert, wie aktiv das Institut bei der Erstellung digitaler Angebote seit langem war und ist. So wurde mit den Reviews in History bereits 1996 eine genuin digitale Rezensionszeitschrift aufgelegt. Die publizistischen Aktivitäten des IHR umfassen den gesamten Bereich der Fachinformation zur britischen Geschichte, angefangen von der Bibliography of British and Irish History über das Angebot digitalisierter Quellen unter dem Label British History Online bis zur digitalen Version des regionalgeschichtlichen Grundlagenwerkes Victoria County History of England und anderem mehr. Freilich sind nicht mehr alle Angebote kostenfrei, auch wenn es nach eigenen Angaben die Mehrheit der Texte noch sein soll. Wer das komplette Angebot nutzen will, benötigt dafür eine Subskription.

1.2 Verbände und Institutionen

Auch wenn für die klassischen Berufs- und Interessensverbände, wie die 1868 gegründete Royal Historical Society, mittlerweile der Verband der wissenschaftlich arbeitenden HistorikerInnen, oder die 1906 gegründete Historical Association, die mit ihren über 5.500 Mitgliedern auch den Bereich der an Schulen tätigen HistorikerInnen umfasst, Digital History nicht das primäre Thema ist, so sind beide Einrichtungen, direkt oder vermittelt, auch in diesem Bereich aktiv. Die Historical Assocation verfügt zum Beispiel über ein umfassendes Angebot an Podcasts für den Unterricht. Dass die Publikationen der Royal Historical Society auch digital verfügbar sind, liegt indes allein daran, dass ihre klassischen bei Cambridge University Press publizierten Printprodukte, wie die Camden Series oder die Zeitschrift Transactions of the Royal Historical Society, in einer digitalen, in Deutschland über eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierte Nationallizenz frei zugängliche Parallelausgabe vertrieben werden.[23]History UK (HE), 1982 gegründet als Interessensvertretung der History Departments an britischen Universitäten, versucht seit 2012 auch im Bereich des Open Access-Publizierens die spezifischen Interessen der britischen Geschichtswissenschaft zu artikulieren und zu vertreten. Wer sich für britische Lokalgeschichte interessiert, kann über die Website der British Association for Local History weiterführende Informationen finden. Die vergleichbaren Berufsverbände für Irland sind die Irish Historical Society sowie The History Teachers‘ Association of Ireland.

Für deutsche HistorikerInnen mit einem Interesse an britischer Geschichte sei – neben dem Arbeitskreis Deutsche England-Forschung – vor allemauf die Website des German Historical Institute London verwiesen. Aus der Publikationsreihe des Instituts sind mittlerweile zahlreiche Titel Open Access zugänglich, daneben gibt es auch eine kleine Sammlung von Podcasts sowie weitere aktuelle Informationen.

2. Digitale Informationsressourcen und Medien

2.1 Recherche

Portale

Wenn es eine Institution gibt, deren Website den Anspruch erheben kann, als Portal für die britische Geschichtswissenschaft zu fungieren, so ist es die des Institutes of Historical Research (IHR) in London, das auch expressis verbis den Anspruch formuliert „… an accessible and stimulating portal for the exchange of ideas and information and current development in historical scholarship“[31] zu bieten. Von den verschiedenen Informationsangeboten des IHR sei im Kontext der Portalfunktion nur das Modul History Online genannt: „History Online provides information about and for historians. It publishes details of university lecturers in the UK and the Republic of Ireland (Teachers), current and past historical research (Theses), digital history projects (Projects), new books and journals from a range of leading publishers (Books, Journals) and sources of funding available for researchers (Grants). The database also provides details of history libraries and collections and digital research tools for historians.”[32] Das Modul eignet sich mithin, um einen ersten Überblick über personelle und institutionelle Strukturen wie auch über wichtige thematische Projekte zu eruieren. Wer sich danach informieren will, was von einzelnen HistorikerInnen oder was zu bestimmten Themen bereits publiziert wurde, kann dann zu einem anderen, vom IHR mitbetreuten Modul wechseln: der zentralen Fachbibliographie zur britischen und irischen Geschichte.

2.2 Fachbibliographien

Die fachbibliographische Lage ist für die britische und irische Geschichte hervorragend. Mit der Bibliography of British and Irish History, einem Gemeinschaftsprojekt der Royal Historical Society und des Institutes of Historical Research gibt es für die Erforschung der britischen wie der irischen Geschichte eine erstklassige bibliographische Basis. Die Datenbank, die über 550.000 Datensätze enthält, stellt eine Kumulation der einschlägigen gedruckten britischen und irischen Fachbibliographien dar, wie der Writings on British History[36] oder der Annual Bibliography of British and Irish History[37] und anderer, welche die Sekundärliteratur seit 1900 nachweisen; dazu kommen mittlerweile laufende Aktualisierungen. Für kein anderes europäisches Land gibt es derzeit eine geschichtswissenschaftliche Fachbibliographie, welche so umfassend ihre Daten retrospektiv in maschinenlesbarer Form erfasst hat. Leider ist der Zugang seit 01.01.2010 nicht mehr frei zugänglich, sondern muss beim Verlag Brepols subskribiert werden, so dass nur an denjenigen Universitäten ein Zugang möglich ist, deren Bibliotheken eine Lizenz erworben haben.[38] Frei zugänglich ist hingegen Irish History Online, während London’s Past Online in das kostenpflichtige Brepols-Angebot integriert wurde.

Daneben gibt es in Großbritannien natürlich auch von anderen Anbietern eine Reihe spezifischer Fachbibliographien für ausgewählte Themenbereiche, wie Agrargeschichte oder die Geschichte einzelner Regionen und Orte.[41] Für geschichtswissenschaftliche Theses gibt es seit 1995 Jahresverzeichnisse vom Institute of Historical Research; sowie für alle britischen Dissertationen seit 2009 das zentrale Rechercheportal EThOS. Electronic Theses Online Service der British Library. Das Deutsche Historische Institut in London hat als Beta-Version eine Online-Bibliography: German Research on British History aufgelegt.[45]

2.3 Bibliotheken und Bibliothekskataloge

In Großbritannien und Irland gibt es eine Reihe auch international herausragender wissenschaftlicher Bibliotheken, deren Katalogdaten in einem mittlerweile circa 40 Millionen Datensätze umfassenden Online-Verbundkatalog namens COPAC, nachgewiesen und darüber gut recherchierbar sind, so dass sich dieses Instrument für eine erste Suche anbietet. Freilich kann es sich oft lohnen, auch die spezifischen Kataloge und Websites einzelner Bibliotheken mit ihren weitergehenden Suchoptionen zu nutzen. An erster Stelle müssen hier die British Library genannt werden sowie die weiteren Nationalbibliotheken des Vereinigten Königreichs, also die National Library of Wales in Aberystwyth und die National Library of Scotland in Edinburgh; daneben natürlich noch die Bodleian Libraries der Oxford University, die mittlerweile circa 40 Bibliotheken der Universität umfassen sowie die Cambridge University Library und für Irland die Trinity College Library in Dublin und die National Library of Ireland, die mit Sources. A Database for Irish Research ein umfassendes, 180.000 Datensätze umfassendes Suchinstrument zu Handschriften zur irischen Geschichte sowohl der eigenen Bestände als auch der der Handschriftenabteilungen von Bibliotheken weltweit anbietet. Natürlich gibt es daneben noch zahlreiche interessante Spezialbibliotheken, wie die Guildhall Library, die Lambeth Palace Library, die Wellcome Library, die Wiener Library und andere mehr, die sich insbesondere in London konzentrieren. Eine gute Übersicht zu einschlägigen Spezialbibliotheken im Raum London bietet History Online des IHR. In Deutschland besitzt die Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen die größte Sammlung zur Geschichte des angloamerikanischen Kulturraums auf dem Kontinent, die auch systematische Online-Kataloge für die Erwerbungen seit 1995 sowie für den Altbestand (Erscheinungsjahr bis 1945) anbietet.

2.4 Webkataloge

Wer gezielt nach geschichtswissenschaftlichen Websites suchen will, der kann den History Guide der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek nutzen, der Metadaten zu über 500 Websites zur britischen und irischen Geschichte enthält; oder sich die Liste der über 200 einschlägigen Projekte ansehen, die History Online des IHR nachweist und hinter denen sich in der Regel auch entsprechende Webpräsenzen verbergen. Speziell zur irischen Geschichte seien noch die Irish Resources in the Humanities von Susan Schreibman und Emily Cullen genannt, die bei den University of Maryland Libraries gehostet werden.

2.5 Archive

Wie die Bibliotheken bieten auch die Archive mittlerweile in großem Umfang Online-Zugänge zu ihren Repertorien.[65] Einer der wichtigsten Anlaufpunkte im Netz ist für HistorikerInnen zweifelsohne die Website der im Jahr 2003 durch die Zusammenführung des Public Record Office in Kew und der Historical Manuscript Commission entstanden National Archives. Discovery, das Online-Repositorium, der Nachfolger von A2A: Access to Archives, enthält mittlerweile 32 Millionen Datensätze, sowohl von Beständen der National Archives als auch von 2.500 weiteren Archiven des Landes. Dazu gibt es noch eine Reihe weiterer, thematisch spezialisierter Suchinstrumente. Fünf Prozent der Bestände sind nach der Angabe der National Archives bereits digitalisiert, indes werden nicht alle frei angeboten, sondern in einigen Fällen auch als digitale Einzeldokumente verkauft. Neben diesem zentralen Archivportal seien auch noch die Archive der einzelnen Länder des Vereinigten Königreichs genannt: die National Records of Scotland und das Public Record Office of Northern Ireland. Das zentrale Archiv Irlands sind die National Archives of Ireland.[71]

Mit Find an archive in the UK and beyond bieten die National Archives auch ein Hilfsmittel für die Suche nach lokalen Archiven. Für Schottland leistet Vergleichbares das Scottish Archive Network. Um lokale Archive zu ermitteln gibt es zudem noch ein weiteres Produkt, das von Manchester Information & Associated Services (Mimas), welches seit 2014 zur Digital Resource Division at Jisc gehört, angeboten wird: Archives Hub, das als Gateway zu 220 Archiven dient. Für Archive aus dem Großraum London wird ein solcher Service durch AIM 25. Archives in London and the M25 area bereitgestellt. Wer sich für neuere britische Sozial- und Wirtschaftsgeschichte interessiert, kann auch mit Gewinn die Bestände des an der Bibliothek der University of Warwick angesiedelten nutzenModern Record Centre. Für Irland gibt es ein Irish Archives Resource Web Portal, das Zugang zu über 30 regionalen Archiven erschließt.

Für bereits digital aufbereitete Forschungsdaten sei auf das an der University of Essex angesiedelte UK Data Archive „the UK’s largest collection of digital research data in the social sciences and humanities“, verwiesen. Und wer als HistorikerIn nicht nur mit klassischen Archivmaterialien arbeitet, sondern sich zum Beispiel auch für neuere visuelle Medien wie Filme interessiert, findet weiterführende Informationen, unter anderem zu regionalen Filmarchiven, über Film Archives UK.

In Großbritannien gibt es auch beachtenswerte Aktivitäten, Websites als neue und künftige Quellen für die Geschichtswissenschaften zu archivieren. Die National Library of Wales hat 2003 mit einem Web Archive-Projekt begonnen, 2004 fing die British Library an, ausgewählte Websites zu archivieren. Seit 2013 kann die Bibliothek nach einer entsprechenden Änderung des Pflichtexemplarrechts auch alle Websites mit der Endung uk speichern, also regelmäßige snapshots des gesamten britischen Internets, soweit das technisch möglich ist, erstellen. Über UK Web Archive können die von der British Library archivierten Websites recherchiert werden. Mit Big UK Domain Data for the Arts and Humanities gibt es sogar ein Forschungsprojekt, an dem unter anderem auch das Institute of Historical Research beteiligt ist, das sich damit beschäftigt, wie solche Webarchive für die Geschichtswissenschaft und andere Disziplinen überhaupt auswertbar sind.[86]

2.6 Museen

Museen haben in den letzten Jahren für HistorikerInnen nicht allein wegen des cultural turn oder auch des material turn an Bedeutung gewonnen, sondern ganz praktisch auch dadurch, dass sie zunehmend ihre Bestandsverzeichnisse als online zugängliche Datenbanken anbieten und von Teilen ihrer Objekte auch digitale Abbildungen im Internet zugänglich gemacht haben und damit neue und einfachere Zugangsmöglichkeiten zu den bei ihnen bewahrten Quellen anbieten. Über CultureGrid gibt es auch eine übergreifende Suchmaschine zu derzeit circa drei Millionen Objekten, die auch in Europeana eingebunden sind.

Dass die großen, zentralen Museen, wie das British Museum, das National Museum of Scotland sowie das National Museum of Ireland auch für HistorikerInnen relevante Ressourcen besitzen, muss kaum eigens erwähnt werden. Dasselbe gilt für das Victoria & Albert Museum, über dessen Website die Suche nach mehr als eine Millionen Objekte, von denen es zu circa 430.000 auch bereits digitalisierte Images gibt, ermöglicht. Spezifische Relevanz für die Geschichtswissenschaft hat eine für die Zeitgeschichte zentrale Institution, das 1917 gegründete Imperial War Museum. Für die HistorikerInnen bieten die umfassenden Sammlungen, darunter 18.000 Nachlässe, 11 Millionen Fotografien, 23.000 Stunden Film, zahlreiche Quellen. Für Forschungen zur Erinnerungskultur lässt sich eine Datenbank zu 60.000 War Memorials im Vereinigten Königreich nutzen. Für ein Land, dessen historische Entwicklung untrennbar mit der Seefahrt verbunden ist, sind natürlich auch die Sammlungen des National Maritime Museums, des weltweit größten seiner Art, von besonderer Bedeutung. Von 1,5 Millionen Objekten sind circa 250.000 Datensätze online recherchierbar sowie 90.000 digitalisierte Bilder verfügbar. Für Recherchen nach weiteren Museen kann man die history & heritage-Seite von Culture24 nutzen.

2.7 Kommunikation

Netzwerke und Podcasts

Die für die britische und irische Geschichte wichtigste, epochenübergreifende elektronische Diskussionsliste dürfte H-Albion sein, eine der Listen des H-Net, Humanities and Social Sciences Online. Von weiteren H-Net-Listen im britischen Kontext sei nur noch auf H-Empire verwiesen. Ergänzt wird das „alte“ Medium der Diskussionslisten mittlerweile durch Twitterfeeds. So kann man zum Beispiel den Aktivitäten des IHR auch über Twitter folgen.

Podcasts haben sich in den letzten Jahren verhältnismäßig rasch als Medium für die britische Geschichtswissenschaft verbreitet. Mit der Backdoor Broadcasting Company gibt es sogar ein Unternehmen, das einen speziell auf akademische Einrichtungen zugeschnittenen Service zur digitalen Aufzeichnung wissenschaftlicher Kongresse und Workshops anbietet. Das Institute of Historical Research bietet seit 2009 Podcasts an, mittlerweile über 500; und auch das German Historical Institute London hat seit November 2009 begonnen, öffentliche Vorträge als MP3-Dateien anzubieten. Für ein breiteres Publikum gedacht sind die seit 2007 aufgelegten History Podcasts des BBC History Magazines, die in der Regel von renommierten und sachkundigen Vertretern des Faches stammen; oder die mittlerweile schon sehr umfangreiche, mehrere hundert Podcasts umfassende Sammlung der National Archives wie der bereits genannten Historical Association. Dass dieses Feature auch von Verlagen genutzt werden kann, zeigt Oxford University Press mit 200+ life stories from the Oxford Dictionary of National Biography.

2.8 Digitale Medien

Biographische Nachschlagewerke

Während die Welsh Biography Online noch frei über das Netz angeboten wird, gilt dies nicht für das von Cambridge University Press verlegte Dictionary of Irish Biography oder das bei Oxford University Press erschienene britische Pendant, das renommierte Oxford Dictionary of National Biography. Deren digitale Versionen können nur dann benutzt werden, wenn die lokale Universitätsbibliothek eine Subskription erworben hat. Somit bleibt als Ersatz nur das über eine Nationallizenz bereitgestellte World Biographical Information System, das unter anderem auch das British Biographical Archive enthält.

Quellen

Fasst man pauschal die bis 1850 erschienenen Publikationen als mögliche historische Quelle auf, so ist für Großbritannien und Irland der überwiegende Teil in digitalisierter Form direkt nutzbar, wobei auf die konkreten Probleme der mitunter schlechten Recherchequalität hier nicht näher eingegangen werden kann.[111] Die britischen und irischen Publikationen der Frühen Neuzeit sind über die beiden großen Textcorpora Early English Books Online (1475–1700) und Eighteenth Century Collection Online (1701–1800) zugänglich, die aus der Digitalisierung der gleichnamigen Sammlungen mikroverfilmter alter Drucke hervorgegangen sind. Auch wenn es sich hier um kommerzielle Produkte der Verlage ProQuest und Gale/Cengage handelt, besteht doch für Wissenschaftler in Deutschland über eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierte Nationallizenz freier Zugriff auf diese beiden Volltextdatenbanken, die circa 280.000 digitale Bücher umfassen. In diesem Kontext können als Ergänzung auch die British Periodicals von ProQuest genannt werden, die die digitalisierten Volltexte populärwissenschaftlicher und literarischer Zeitschriften vom Ende des 17. bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts enthalten. Ergänzt werden diese Sammlungen durch das Angebot der bekannten großen universalen retrodigitalisierten Büchersammlungen, wobei hier an erster Stelle Google Books genannt werden muss, da darin die Bestände des 19. Jahrhunderts der Bodleian Library enthalten sind.

Ergänzend zu den retrodigitalisierten alten Drucken sei auch noch auf andere Quellenformen hingewiesen, wie museale Objekte, die über Europeana oder CultureGrid suchbar sind[121]; oder die Online-Repertorien der Archive, die in einigen Fällen auch direkt auf digitalisierte Archivmaterialien führen können.[122]

Neben diesen großen digitalisierten Quellenräumen ist im Laufe der letzten Jahre eine Vielzahl spezifischer Websites entstanden, die zu enger begrenzten historischen Themen zum Teil komplexe und aufwendige Angebote machen. Die eingangs bereits erwähnte Site Connected histories: British History Sources, 1500–1900 bietet eine Suchmaschine zu einem kleinen, ausgewählten Raum von 22 Websites. Darunter befindet sich auch das bereits erwähnte Angebot des Institutes of Historical Research: British History Online. Dort sind neben frühneuzeitlichen Parlamentaria, wie dem Commons Journal oder dem Journal of the House of Lords, die Acts of the Privy Council 1542–1556, die Fasti Ecclesiae Anglicanae 1066–1857 und zahlreiche weitere thematisch spezifischere digitalisierte Quellensammlungen enthalten. Wer für Irland nach digitalisierten Quellen sucht, kann fündig werden bei CELTS. Corpus of Electronic Texts, „…Ireland's longest running Humanities Computing project“. Auch die 1928 gegründete Irish Manuscripts Commission hat mittlerweile begonnen, ihre Backlist zu digitalisieren und agiert zudem auch als National Aggregator für Europeana. Ein spezielles Angebot, das mittlerweile über die Homepage nicht zu finden ist, sind die Tanner letters. Für die irische Zeitgeschichte relevant sind die Documents on Irish Foreign Policy, die für den Zeitraum 1919–1941 online frei zur Verfügung stehen.

Im Kapitel 2.8 werden beispielhaft weitere thematische Websites genannt, die häufig edierte oder auch nur retrodigitalisierte Quellen ins Zentrum ihrer Angebote stellen. Wer weiter nach thematisch fokussierten Digitalisierungsvorhaben sucht, wird vor allem bei den National- und Forschungsbibliotheken fündig. Die Online Gallery der British Library ist ein Angebot einzelner herausragender Quellen, wobei unter den für die britische Geschichte besonders relevanten Quellen als Beispiele nur die Magna Carta oder Scott’s Diary genannt seien. Natürlich sind auch die beiden Oxbridge-Bibliotheken in diesem Feld aktiv. Die Cambridge Digital Library muss daher ebenso aufgelistet werden wie die auch für die geschichtswissenschaftliche Forschung interessanten Digital Collections der Bodleian Library, zum Beispiel die Broadsides Ballads Online, die Zugriff auf 30.000 digitalisierte Flugblätter bietet. Ein weiteres Beispiel einer bereits länger existierenden Sammlung ist die Internet Library of Early Journals mit sechs ausgewählten digitalisierten Zeitschriften des 18. und 19. Jahrhunderts, die gut ergänzt werden durch ein Projekt der British Library, die Nineteenth-Century Serials Edition. Eine Übersicht über alle Digitalisierungsprojekte in Oxford gibt die Oxford Digital Library. Erwähnenswert sind auch die Aktivitäten der schottischen und walisischen Nationalbibliotheken, der Digital Library der National Library of Scotland oder die Digital Gallery der National Library of Wales, deren Spektrum von einer Auswahl mittelalterlicher Handschriften, über archivalische Quellen bis zu Briefen von David Lloyd George an seinen Bruder oder auch Beispiele historischer Ton- und Filmaufnahmen reicht. Genannt sei auch noch die Glasgow Digital Library mit einigen vorwiegend auf Schottland fokussierten Projekten.

Einige spezifische Quellengattungen, zu denen es relevante digitale Angebote gibt, werden in den folgenden Kapiteln thematisiert.

Parlamentaria

Umfassend digitalisierte und auch genuin digitale Quellenbestände gibt es bei den Parlamentaria. Auf die Sammlungen bei British History Online, die sich vor allem auf die Frühe Neuzeit beziehen, wurde bereits verwiesen. Über eine Nationallizenz stehen in Deutschland auch die House of Commons. Parliamentary Papers des Verlags ProQuest, die von 1715 bis zur Gegenwart reicht, frei zur Verfügung. Ergänzt wird dieses Angebot durch den Historic Hansard für die Jahre 1803 bis 2005 sowie die Official Reports (Hansards), die bei der offiziellen Website des britischen Parliaments aufliegen und zwar ab 1988 für das House of Commons und ab 1995 für die Lords debates; dazu kommt noch für die Gegenwart der Government Digital Service, der Zugriff auf aktuelle Publikationen erlaubt.

Quellen zur frühneuzeitlichen Geschichte des schottischen Parlament bietet die University of St. Andrews an unter dem Titel Records of the Parliaments of Scotland to 1707. Die Offical Reports der letzten Jahre findet man über die Website des schottischen Parlaments.

Eine Erschließung für das 19. wie das 20. Jahrhundert gibt es für Irland mit EPPI: Enhanced British Parliamentary Papers on Ireland 1801-1922 und den Parliamentary Debates des irischen Parlaments, die mittlerweile von der ersten Sitzung am 21. Januar 1919 bis zur Gegenwart frei zugänglich sind.[154] Zu Nordirland sei auf The Stormont Papers. 50 Years of Northern Ireland Parliamentary Debates verwiesen, welche den Zeitraum von 1921 bis 1972 abdecken und die sachlich gut ergänzt werden durch Northern Ireland. A Divided Community 1921–1972. Cabinet Papers of the Stormont Administration.

Zeitungen

Neben den Parlamentaria wurde in den letzten Jahren auch der digitale Zugang zu Zeitungen, einer weiteren für die Geschichtswissenschaft wichtigen Quellengruppe, deutlich verbessert. Zugriff auf frühneuzeitliche Zeitungen – neben Flugschriften und anderem Kleinschrifttum – bieten die 17th–18th Century Burney Collection Newspapers Die derzeit umfassendste und wichtigste Sammlung stellen aber die 19th Century British Library Newspapers dar, die als Nationallizenz in Deutschland frei zugänglich sind. Ferner sind noch folgende einzelne Zeitungen über eine Nationallizenz nutzbar: The Times 1785–1985; The Economist 1843–2006; sowie The Guardian und The Observer (1791–1900) im Rahmen der von ProQuest.

Hilfreich kann bei einer intensiveren Nutzung von Zeitungen als Quelle auch eine von der British Library erstellte Timeline sein, die unter dem Titel Concise History of the British Newspaper angeboten wird, weitere Informationen zur History of British Library Newspapers sowie das Angebot Newspaper and comics, das unter der Rubrik Help for Researchers zu finden ist und eine umfangreiche Linkliste zu digitalisierten Zeitungsarchiven enthält, wobei insbesondere auf Scottish Newspapers on the Internet und Irish Newspapers on the Internet hingewiesen sei. Und vor allem ist hier The British Newspaper Archive der British Library zu nennen, das indes nur partiell frei zugänglich ist. Möglich sind Recherchen in den Volltexten von circa 200 Zeitungen; die Dokumente selbst können aber nur vor Ort kostenlos genutzt werden.

Vollständig kommerzialisiert ist das Irish Newspaper Archive, das Ausgaben seit 1700 digitalisiert hat. Insgesamt wird damit erkennbar, dass Zeitungen als Quelle mittlerweile in großem Umfang auch als Retrodigitalisat vorhanden sind, auch wenn aktuelle Kommerzialisierungstendenzen im britischen Wissenschafts- und Kulturbetrieb einer allgemeinen freien Zugänglichkeit derzeit nicht immer förderlich sind.

Zensusdaten, Karten, Landeskundliche Informationen

Weitere Quellentypen, für die es im Netz interessante digitale Versionen gibt, sind sozialstatistische Daten und auch Karten. Histpop – The Online Historical Populations Report Website gibt Zugriff zu den British Population Reports von 1801 bis 1937. Typische Kandidaten für digitale Angebote sind auch Volkszählungen, wobei in diesem Falle die National Archives mit kommerziellen Partnern zusammengearbeitet haben. Das bedeutet konkret: Es gibt Suchoptionen für die englischen und walisischen Zensusdaten von 1841 bis 1911, aber nur eingeschränkten Zugriff auf Volltexte. Das gilt auch für die über eine eigene Website zugänglichen Daten des Zensus von 1911. Frei zugänglich sind hingegen die Daten der irischen Volkszählung von 1901/1911.

Für Schottland gibt es mit Charting the Nation. Maps of Scotland and associated archives circa 3.500 ältere, frühneuzeitliche Karten von 1550–1740 in digitaler Form; für London eine Auswahl ältere Pläne und Karten über die Online-Ausstellung Crace Collection of Maps of London der British Library.

Wer nach lokalhistorisch relevanten Informationen sucht, kann die zahlreichen, professionell aufbereiteten Angebote der für die verschiedenen Landesteile zuständigen Behörden und königlichen Kommissionen nutzen. Ein auch für HistorikerInnen gut zu nutzendes Angebot bietet die Royal Commission on the Ancient & Historical Monuments of Scotland, die nicht nur Informationen zu einzelnen Gebäuden und Denkmälern liefert, sondern unter anderem auch umfangreiche Fotosammlungen anbietet. Für Wales sei genannt: Die Royal Commission on the Ancient & Historical Monuments of Wales; und für England English Heritage, deren Website auch einen Bereich für Professionals anbietet. Eine Kombination von Karten, statistischen Daten und deskriptiven Informationen bietet die Website Vision of Britain Through Time, die laut Selbstbeschreibung der Autoren zu 15.000 Städten und Dörfern 12 Millionen Daten für den Zeitraum 1801–2001 liefern. 2004 erstmals aufgelegt wurde die Website im Jahr 2009 vollständig überarbeitet. Eines der Ziele der Website ist es, die Möglichkeiten, die Geoinformationssysteme (GIS) bieten, so weit wie möglich für historische Daten zu nutzen.

Thematische Websites oder Thematic research archives

Vision of Britain ist ein bezeichnendes Beispiel für einen neuen digitalen Publikationstypus, für Websites, die sich der einfachen Kategorisierung entziehen. Paula Aucott stellt sich am Ende ihrer Rezension dieser Websites in den Reviews in History daher auch die Frage, ob es sich hier noch um eine klassische Quellenedition handelt oder um eine virtual reference library.[181] Nicht als Edition, aber als moderne, umfangreiche, thematisch fokussierte und webbasierte Quellenpräsentation kann London Lives 1690 to 1800. Crime, Poverty and Social Policy in the Metropolis bezeichnet werden. 240.000 Seiten archivalischer Quellen aus acht verschiedenen Londoner Archiven sind hierüber zugänglich. London, die Metropole, die circa ein Fünftel der englischen Bevölkerung zählt, ist natürlich auch ein zentrales Thema für die Geschichtswissenschaft. Proceedings of Old Bailey. London’s Central Criminal Court, 1674 to 1913, The Map of Early London, John Strype’s A Survey of the Cities of London and Westminster thematisieren alle Aspekte der Geschichte der britischen Hauptstadt.

Mittelalter und Frühe Neuzeit sind bei thematischen Websites durchaus prominent vertreten. Beispiele wären: Langscape. The Language of Landscape: Reading the Anglo-Saxon Countryside; People of Medieval Scotland 1093–1314; Cause Papers in the Diocesan Courts of the Archbishopric of York, 1300–1858; Act of Union Virtual Library; Revolutionary Players eine Seite, die die Industrialisierung in den West Midlands von 1700–1830 thematisiert. Doch auch zur Geschichte des 19. Jahrhunderts wie der Zeitgeschichte sind in den letzten Jahren eine Reihe substantieller Websites dazugekommen. In der Regel geht es dabei zumeist um irgendeine Art von Quellen- oder Faktenpräsentation. Als Beispiele seien angeführt: Edwardians Online. Family Life and Work Experience before 1918; Charles Booth Online Archive; Britain from Above 1919–1953; Atlantic Archive. UK-US relations in an age of Global War 1939–45; Mass Observation. Recording everyday life in Britain. Und wer einmal keine Textquellen nutzen will, kann über das Yorkshire Film Archive nach einschlägigen Filmen suchen.

Websites bieten sich auch an für Lern- und Faktendatenbanken. DigiPal. Digital Resource and Database of Palaeography, Manuscript Studies and Diplomatic erlaubt es, sich mit englischen Handschriften des 11. Jahrhunderts zu beschäftigen. Gerade für paläographische Tutorials bietet sich das Medium Website an, da Beispiele als Bilddateien neben Transkriptionsanleitungen abgelegt werden können.[198] Typische prosopographische Faktendaten liefern: PASE. Prosopography of Anglo-Saxon England, eine Datenbank, die alle überlieferten Personen vom Ende des 6. bis Anfang des 11. Jahrhunderts erfassen soll; sowie CCED. Clergy of the Church of England Database 1540–1835. Fast schon ein Klassiker ist mittlerweile CAIN. Conflict Archive on the Internet, das seit 1996 existiert und unterschiedliche Informationsservices und Materialien zu dem immer noch aktuellen Thema Nordirlandkonflikt bietet.

Bereits diese wenigen Beispiele zeigen, dass ein neuer geschichtswissenschaftlicher Publikationsraum entstanden ist jenseits der klassischen Formen gedruckter Editionen, Monographien und Fachzeitschriften, auch wenn diese nach wie vor die mediale Basis des geschichtswissenschaftlichen Diskurses bilden.

Publikationen: Monographien und Zeitschriften

Auch geschichtswissenschaftliche Sekundärliteratur, Monographien wie Zeitschriften, liegt mittlerweile in erheblichem Umfang, wenn auch noch nicht vollständig, in digitalisierter Form vor. Da es sich überwiegend um Verlagsprodukte handelt, sind die Zugriffsmöglichkeiten für einzelne HistorikerInnen allerdings davon abhängig, dass die jeweilige lokale Universitätsbibliothek eine Lizenz erworben hat oder es Zugriffsmöglichkeiten über Nationallizenzen gibt. Freien Zugriff gibt es nur für ältere, urheberrechtsfreie Publikationen, die über die üblichen Suchinstrumente, wie Europeana, Hathi Trust, das Internet Archive oder Google Books gefunden werden können sowie für Open Access-Publikationen.

Für die Forschung spielen indes die digitalen Parallelausgaben zu gedruckten Monographien oder Periodika der renommierten Wissenschaftsverlage derzeit noch die entscheidende Rolle. Und für die großen britischen Verlage, wie Cambridge University Press, Oxford University Press, Palgrave Macmillan, Routledge, Wiley-Blackwell und andere mehr ist es in der Tat mittlerweile üblich, digitale Parallelausgaben anzubieten. Oxford Scholarship Online oder Cambridge Histories Online sind nur zwei Beispiele für kommerzielle digitale Versionen gedruckter Monographien. Via JSTOR oder das Periodicals Archive Online (PAO), das in Deutschland als Nationallizenz verfügbar ist, sind auch einschlägige Zeitschriften in digitaler Form nutzbar. Dies heißt, dass bekannte Fachzeitschriften, wie die English Historical Review, Past & Present oder Twentieth Century British History und andere mehr bei den älteren Jahrgängen auch in einer digitalen Parallelausgabe genutzt werden können – bei den aktuellen Bänden aber nur, wenn die jeweilige lokale Universitätsbibliothek ein entsprechendes Online-Abo besitzt. Ob dies der Fall ist, lässt sich jeweils rasch über die Elektronische Zeitschriftenbibliothek oder den lokalen Bibliothekskatalog ermitteln.

Genuine digitale Sekundärliteratur ist auch in der britischen Geschichtswissenschaft noch kaum verbreitet, wenn man einmal von der Rezensionszeitschrift Reviews in History oder einigen digitalen Dissertationen absieht, für die es seit 2009 mit EthOS – Electronic Theses Online Service ein zentrales Rechercheportal der British Library gibt. Eine interessante Ausnahme stellt das Produkt Welsh Journals Online der walisischen Nationalbibliothek dar, über das 50 Zeitschriften, darunter die Welsh History Review, online frei zugänglich sind (in der Regel aber nicht bis zum aktuellen Jahrgang).

In Großbritannien gibt es auch eine intensive Debatte zum Open Access- Publizieren. Im Juli 2012 hat die Regierung den sogenannten Finch Report, der eine umfassende Open Access-Strategie empfiehlt, angenommen.[213] Als Interessensvertretung der akademischen Geschichtswissenschaft hat darauf History UK (HE) reagiert und die Empfehlungen des Finch-Reports durchaus kritisch beurteilt, da der Verband die etablierte Struktur der Kooperation der Fachcommunity mit Fachverlagen auch unter den Vorzeichen von Open Access bewahrt sehen möchte. Inwieweit und in welchen Formen sich das geschichtswissenschaftliche Publizieren in Großbritannien und Irland in den nächsten Jahren verändern wird, kann daher zum derzeitigen Zeitpunkt nicht abschließend beurteilt werden.

3. Zusammenfassung

Zur britischen und irischen Geschichte gibt es, wie die skizzierten Beispiele dokumentieren, mittlerweile eine Fülle digitaler Ressourcen. Bibliographische Recherchen können weitgehend auf umfangreiche und vollständig digital verfügbare Fachbibliographien und Online-Kataloge zurückgreifen. Und insbesondere für die Zeit bis 1900 ist bereits ein Großteil der zeitgenössischen Printpublikationen digitalisiert. Dazu kommt, dass die Digitalisierung von Zeitungen, vor allem des 19. Jahrhunderts, in Angriff genommen wurde und bereits erste, ansehnliche Ergebnisse genutzt werden können. Zusammen mit den Parlamentsschriften und thematischen Websites zu spezifischen Themen sind damit wichtige historische Quellenbestände digital verfügbar.

Hinter diesen Digitalisierungsprojekten stehen einerseits große Verlage wie Gale Cengage oder ProQuest, andererseits die großen National- und Forschungsbibliotheken sowie einzelne Institutionen, wobei für die Geschichtswissenschaften vor allem das Institute of Historical Research hervorgehoben werden muss. Dazu kommen natürlich zahlreiche andere Einrichtungen, die einschlägige, drittmittelfinanzierte Projekte durchführen. Deutlich wird, vor allem bei den Vorhaben der British Library, aber auch bei den National Archives, dass einige große Digitalisierungsvorhaben zunehmend in einer Public Private Partnership durchgeführt werden, was mit anderen Worten bedeutet, dass der Zugriff darauf kostenpflichtig wird. Auch das Institute of Historical Research in Kooperation mit der Royal Historical Society hat es nicht vermocht, die über mehrere Jahre mit Hilfe von Drittmitteln frei zugängliche Bibliography of British and Irish History weiterhin in kostenfreiem Zugriff zu halten. Da keine weitere Förderung mehr erreichbar war, wurde ein Vertrag mit dem belgischen Verlag Brepols geschlossen, der seitdem den technischen Betrieb übernommen hat und dafür den Zugriff zur Datenbank lizenzieren darf. Dass die öffentliche Hand in Großbritannien bei der Wissenschaftsförderung zunehmend nicht nur spart, sondern auch Kommerzialisierungstendenzen unterstützt, zeigen die angeführten Beispiele. Die Fülle des Digitalen verhilft damit nur dort zu einem leichteren Zugriff auf Texte und Daten, wo auch Mittel für die nötigen Subskriptionen vorliegen.

Diese Problematik prägt auch den Zugriff auf die digitalen Parallelversionen von Büchern und Periodika, also die Nutzung von E-Books und elektronischen Zeitschriften. In welchem Umfang die aktuelle Open Access-Debatte sich auch auf das Publikationsverhalten britischer und irischer HistorikerInnen auswirken wird und ob es zu strukturellen Veränderungen bei den Publikationsformen kommen wird, werden die nächsten Jahre zeigen müssen.

Literaturhinweise

Geschichte und Geschichtsschreibung zum Thema

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Dr. Wilfried Enderle ist Fachreferent für Geschichte und Koordinator der Abteilung Informations- und Literaturversorgung Geistes- und Gesellschaftswissenschaften (wiss. Fachreferate) an der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen.

Fußnoten

  1. [1] Hitchcock, Tim, Confronting the Digital. Or How Academic History Writing Lost the Plot, in: Cultural and Social History 10 (2013), S. 9, http://dx.doi.org/10.2752/147800413X13515292098070.
  2. [12] In Kap. 2.werden einige Beispiele aufgelistet.
  3. [23] Zu Nationallizenzen vgl. Marcus Schröter, Historische Volltextdatenbanken, in: Clio Guide – Ein Handbuch zu digitalen Ressourcen für die Geschichtswissenschaften, Hrsg. von Laura Busse, Wilfried Enderle, Rüdiger Hohls, Thomas Meyer, Jens Prellwitz, Annette Schuhmann, Berlin 2018 (=Historisches Forum, Bd. 23), http://www.clio-online.de/guides/sammlungen/historische-volltextdatenbanken/2018.
  4. [31] Vgl. http://www.history.ac.uk/about.
  5. [32] Vgl. http://www.history.ac.uk/history-online.
  6. [36] Writings on British History, London 1937–1986.
  7. [37] Annual Bibliography of British and Irish History, Oxford 1976–2003.
  8. [38] Wo ein lizenzierter Zugriff besteht, lässt sich über das Datenbank-Infosystem ermitteln, http://www.bibliothek.uni-regensburg.de/dbinfo.
  9. [41] Als Beispiele seien nur genannt: Bibliography of British and Irish Rural History http://www.reading.ac.uk/Instits/im/the_collections/bibliog_brit_irish.html; East Yorkshire Bibliography (suchbar über den Online-Katalog der Bibliothek der University of Hull http://library.hull.ac.uk; A Social Science Bibliography of Northern Ireland 1945-1983 http://cain.ulst.ac.uk/bibdbs/newnissbib.htm.
  10. [45] Wie das Angebot weiter entwickelt wird, ist insofern unklar, als die Daten aus der Historischen Bibliographie stammen, die von der mittlerweile aufgelösten Arbeitsgemeinschaft historischer Forschungsinstitute (AHF) betreut wurde und zunächst von der Bayerischen Staatsbibliothek München weitergeführt wird.
  11. [65] Ein kommerzielles und daher nicht frei zugängliches Angebot ist der Archive Finder including ArchivesUSA and NIDS UK/Ireland von ProQuest, http://archives.chadwyck.com.
  12. [71] Seit dem 01.04.2011 sind die National Archives of Scotland mit dem General Register Office for Scotland zusammengelegt worden.
  13. [86] Vgl. auch Winter, Jane, Web archives as a source for historical research, in: Past and Future 16 (2014), S. 10–11, http://www.history.ac.uk/sites/history.ac.uk/files/newsletters/past-and-future-autumn-2014-web.pdf.
  14. [111] Vgl. dazu Hitchcock (wie Anm. 1).
  15. [121] Vgl. Kap. 2.6.
  16. [122] Vgl. Kap. 2.5.
  17. [154] Gibt Zugriff auf die Debates von 1919 bis 2012; die aktuellen Debates sind zu finden unter: http://oireachtasdebates.oireachtas.ie.
  18. [181] Vgl. Aucott, Paula, A Vision of Britain Through Time, in: Reviews in History 934 (July 2010), http://www.history.ac.uk/reviews/review/934.
  19. [198] Vgl. Paleography: reading old handwriting 1500–1800. A practical online tutorial http://www.nationalarchives.gov.uk/palaeography; InScribe: Paleography learning materials http://www.history.ac.uk/research-training/courses/online-palaeography.
  20. [213] http://www.researchinfonet.org/publish/finch, Vgl. zum Kontext auch UNESCO: Global Open Access Portal. United Kingdom of Britain and Ireland http://www.unesco.org/new/en/communication-and-information/portals-and-platforms/goap/access-by-region/europe-and-north-america/united-kingdom-of-great-britain-and-northern-ireland sowie Higher Education Funding Council: Policy for open access in the post-2014 Research Excellence Framework http://www.hefce.ac.uk/pubs/year/2014/201407.

Zitation: Wilfried Enderle, Großbritannien und Irland, in: Clio Guide – Ein Handbuch zu digitalen Ressourcen für die Geschichtswissenschaften, Hrsg. von Laura Busse, Wilfried Enderle, Rüdiger Hohls, Thomas Meyer, Jens Prellwitz, Annette Schuhmann, 2. erw. und aktualisierte Aufl., Berlin 2018 (=Historisches Forum, Bd. 23), S. D.15-1 – D.15-30, DOI: 10.18452/19244.