Schweiz

1. Geschichtswissenschaft und digitale Medien

1.1 Digitale Geschichtswissenschaft in der Schweiz

Die Verfasser des Clio-online Guides zur Schweiz sind zunächst, wie viele Leserinnen und Leser wohl auch, vor die Frage gestellt, was genau die nationalen Eigenheiten ausmacht, die die Erstellung eines solchen Guides rechtfertigen. Die scientific communities der deutschsprachigen Schweiz und Deutschlands sind mittlerweile dermassen stark verwoben, dass sich die nationalen Eigenheiten der Schweizer Geschichtswissenschaft im Wesentlichen auf die institutionellen Besonderheiten, die sich vor allem aus dem sprachregionalen und föderalen Aufbau der Nation herleiten, oder auf die dezidierte Beschäftigung mit der eigenen Nationalgeschichte beschränken.

Schweizer Geschichte stellt im geschichtswissenschaftlichen Diskurs deutscher, aber auch französischer, englischer oder italienischer Sprache eine quantité négligable dar. Dabei bietet sich die schweizerische Nationalgeschichte durchaus als Beispiel für die identitätsstiftende Funktion eines Nationalstaats an – zumal die Schweiz eine Nation darstellt, die ihre Identität nicht aus gemeinsamer Sprache und Kultur bezieht, sondern die sich primär als Willensnation versteht.[1] Allerdings hat das geschichtswissenschaftlich-institutionelle Interesse an der Geschichte der Schweiz auch in der Schweiz selbst abgenommen: So gibt es nach verschiedenen Umwidmungen von Lehrstühlen und Neuausrichtungen der Studienordnungen, die sich an den über- und transnationalen Trends der Geschichtswissenschaften der letzten Jahre orientierten, derzeit nur noch in Bern und in Genf dedizierte Schwerpunkte für Schweizer Geschichte.

Im Bereich der Historischen Fachinformation weist die Schweiz im Vergleich zu vielen anderen Ländern einige Defizite auf. So existierte lange kein zentrales Geschichtsportal und es gibt auch kaum historische Fachforen, Blogportale oder entsprechende Mailinglisten. Dieser Rückstand lässt sich zum Teil mit der eingangs benannten föderalen und mehrsprachigen Struktur der schweizerischen Wissenschaftslandschaft erklären, welche die Errichtung entsprechender Förderinitiativen massiv erschwert. In der Folge beteiligten sich interessierte Forscherinnen und Forscher an einschlägigen Projekten der sprachkulturell nahe liegenden Nachbarländer. Gleichwohl hat sich in den letzten Jahren ein Online-Angebot in der Schweiz entwickelt, das den hier tätigen GeschichtswissenschaftlerInnen mittlerweile ihre Arbeit zu erleichtern vermag. Aber erst langsam etablierte sich auch ein umfassenderes Verständnis davon, welche grundlegende Bedeutung digitale Medien für die zukünftige Ausgestaltung geisteswissenschaftlicher und geschichtswissenschaftlicher Arbeitsprozesse einnehmen. Die Digital Humanities sind erst im Aufbau begriffen.

Einen Forschungsstand benennen zu wollen, fällt daher schwer, denn die Forschungslandschaft befindet sich im Wandel. Sie setzt sich zusammen einerseits aus Arbeiten, die in der Tradition des Einsatzes von Informatikhilfsmitteln zur Bearbeitung von historischen Fragestellungen im Umfeld des Vereins Geschichte und Informatikentstanden sind. Andere Forschungsarbeiten entstehen im Rahmen von Dissertationen (zum Beispiel das Projekt Historical Source Criticism) oder im Rahmen von Förderinitiativen, wie beispielsweise das Digital Humanities Lab an der Universität Basel. Eine gute Übersicht darüber, wie sich dieser Übergang vom Einsatz der Informatik zur Entwicklung eines Fachbereichs Digital Humanities in der Schweiz vollzieht und welche laufenden Forschungsprojekte dazu benannt werden können, bietet der Artikel „Vernetzter Geist? Stand und Tendenzen der Digital Humanities in der Schweiz“, den Eliane Kurmann und Enrico Natale von infoclio.ch für H-Soz-Kult verfasst haben. Wenn institutionelle Strukturen sich erst noch entwickeln müssen, sind individuelle Initiativen umso bedeutungsvoller, um Entwicklungen neuer Ideen voranzubringen. Eine wichtige Person in der Schweiz sowohl bezüglich der Entwicklung der Online-Infrastruktur, der Anregungen für Forschungsprojekte, aber auch ganz grundsätzlich der Förderung des Diskurses über die Bedeutung von digitalen Medien in der Geschichtswissenschaften war Peter Haber (1964–2013). Bei den meisten der heute relevanten Projekte und Institutionen der Schweiz, die Geschichtswissenschaft und digitale Medien verbinden, hat er in der einen oder anderen Form mitgewirkt. 1998 gründete er mit Jan Hodel die Webplattform hist.net, um Lehrveranstaltungen an der Universität Basel zu unterstützen, die sich den Auswirkungen des Internets auf die Geschichtswissenschaft widmeten. Er wirkte über Jahre als für die Schweiz zuständiger Redakteur in der Mailing-Liste H-Soz-Kult mit und gab als Vorstandsmitglied mehrere Bände des Schweizer Vereins Geschichte und Informatik heraus. Sein Wirken in der Schweizer Gesellschaft für Geschichte trug zur Gründung des Schweizer Geschichtsportals infoclio.ch bei. Neben seinem institutionellen Wirken, das auch die Organisation verschiedener Tagungen umfasste, bleibt auch seine Habilitationsschrift digital past. Geschichtswissenschaft im digitalen Zeitalter Anregung und Vermächtnis für die Szene der Schweizer Digital Humanities[9].

Institutionelle Infrastrukturen

Historische Institute (Seminare, Departemente, Sektionen) sind nur auf universitärer Ebene verankert. Es existieren solche in Basel, Bern, Freiburg (Fribourg), Genf, Lausanne, Luzern, Neuenburg und Zürich. Die Universität St. Gallen und die Universität der Italienischen Schweiz bieten keine geschichtswissenschaftlichen Studiengänge an. Die fachlichen Schwerpunkte und organisatorischen Strukturen sind an jeder Universität sehr heterogen aufgebaut, was für Studienanfängerinnen und -anfänger nicht leicht zu durchschauen ist. Die Webseiten der Institute und Abteilungen sind vor allem auf die Informationsbedürfnisse der Studierenden im Zusammenhang mit dem Studium und der Institution selbst ausgerichtet. Forschungsprojekte werden meist nur erwähnt oder kurz umrissen, ohne Zugang zu substanziellen Quellen zu bieten. Historische Lehrangebote werden auch an anderen Fakultäten angeboten, vor allem in Theologie (Kirchengeschichte), Jurisprudenz (Rechtsgeschichte) und Medizin (Medizingeschichte).

– Universität Basel: Departement Geschichte, Departement Altertumswissenschaften / Einrichtungen an anderen Fakultäten: Kirchengeschichte; Kunstgeschichte; Zentrum für jüdische Studien

– Universität Bern: Departement Geschichte und Archäologie / Einrichtungen an anderen Fakultäten: Institut für Kunstgeschichte; Institut für Medizingeschichte; Institut für Rechtsgeschichte; Institut für Historische Theologie

– Universität Freiburg (Fribourg): Département für Historische Wissenschaften, Mediävistisches Institut, Institut für Kunstgeschichte; Musikwissenschaft und Geschichte des Musiktheaters; Institut für Zeitgeschichte / Einrichtungen an anderen Fakultäten: Departement für Patristik und Kirchengeschichte

– Universität Genf: Département d’Histoire Générale, Maison de l’Histoire, Institut d’histoire de la Réformation / Einrichtungen an anderen Fakultäten: The Paul Bairoch Institute of Economic History, Département d’histoire du droit et des doctrines juridiques et politiques) Département d'histoire de l'art et de musicologie / Unité d'histoire de l'art

– Universität Lausanne: Institut d’archéologie et des sciences de l’histoire ancienne etc., Section d’histoire, Département interfacultaire d’histoire et de sciences des religions / Einrichtungen an anderen Fakultäten: Institut d’histoire économique et sociale; Institut universitaire d’histoire de la médicine et de la santé publique)

– Universität Luzern: Historische Seminar / Einrichtungen an anderen Fakultäten: Kirchengeschichte; Rechtsgeschichte)

– Universität Neuenburg: Institut d’histoire, Institut d’histoire de l’art et de muséologie

– Universität Zürich: Historisches Seminar / Einrichtungen an anderen Fakultäten: Institut für schweizerische Reformationsgeschichte; Kirchengeschichte; Zentrum für rechtsgeschichtliche Forschung; Institut für Biomedizinische Ethik und Medizingeschichte; Kunsthistorisches Institut

Forschungszentren

Die Forschungsstelle Sozial- und Wirtschaftsgeschichte ist an das Historischen Seminar der Universität Zürich angebunden, aber zusätzlich mit Economic History des Departments of Economics und dem Zentrum Geschichte des Wissens interfakultär verbunden. Das Lehrangebot umfasst den Bereich der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Schweiz und Europas (vor allem 19. und 20. Jahrhundert), Kultur- und Wissenschaftsgeschichte der Moderne sowie theoretische und methodologische Fragen der Geschichtswissenschaft. Das Zentrum für Mediävistik der Universität Zürich, das sich als interfakultäres und interdisziplinäres Forum aller an der Universität Zürich forschenden und lehrenden Mediävistinnen und Mediävisten versteht, koordiniert mittelalterbezogene Aktivitäten in Lehre, Forschung und Weiterbildung.

Das Zentrum Geschichte des Wissens wird gemeinsam von der Universität und der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich betrieben. Das Kompetenzzentrum versteht sich als ein Ort, an dem historische und philosophische Reflexionen der Wissensentwicklung stattfinden sollen. Der Problem- und Fragehorizont basiert auf der Annahme, dass die Wissensentwicklung und ihre epistemischen, technischen und kulturellen Voraussetzungen sowie ihre Konsequenzen als grundsätzlich offener Prozess angesehen werden müssen.

An der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich besteht innerhalb des Departements für Geistes- und Sozialwissenschaften das Institut für Geschichte (mit Technikgeschichte und dem Archiv für Zeitgeschichte) und das Zentrum für Geschichte des Wissens. Das Lehrprogramm der Technikgeschichte thematisiert die gesellschaftlichen Bedingungen, technischen Anforderungen, wirtschaftlichen Verhältnisse und politischen Kontexte, in denen Technik entsteht, in denen sie verhandelt, eingesetzt und verändert oder entsorgt wird. Das Archiv für Zeitgeschichte der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich sichert Schrift-, Ton- und Bilddokumente aus privatem Besitz zur Geschichte der Schweiz vom späten 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart und macht diese öffentlich zugänglich.

An der Universität der Italienischen Schweiz ist das Laboratorio di Storia delle Alpi (LabiSAlp), das Zentrum für die Geschichte des Alpenraumes, an der Accademia di Architettura angesiedelt. Untersucht werden die endogenen Auswirkungen der dynamischen Geschichte des Gebietes. Das Zentrum für Verkehrsgeschichte (ViaStoria) setzt sich für die Erforschung, Instandstellung und sachgerechte Nutzung historischer Verkehrswege ein. Im Auftrag des Bundes hat die Organisation das Inventar historischer Verkehrswege der Schweiz erarbeitet. ViaStoria publiziert zweimal jährlich Wege und Geschichte.

Spezifische Forschungseinrichtungen für die Digital Humanities sind in den letzten Jahren ebenfalls an verschiedenen Universitäten eingerichtet worden. An der Universität Basel werden im Digital Humanities Lab Potentiale und Anwendungsfelder der digitalen Geistes- und Sozialwissenschaften ausgelotet. Beispielsweise wurde im Projekt System for Annotation and Linkage of Sources in Arts and Humanities (SALSAH) an einer Forschungsumgebung für Digitale Quellen geforscht. An der Forschungsstelle Digital Humanities der Universität Bern werden Themen bearbeitet, die sich beispielsweise mit den Auswirkungen und dem Potential aktueller und künftiger digitaler Informations- und Kommunikationstechnologien im politischen, sozialen, ökonomischen und kulturellen Kontext befassen. Die Forschungsstelle koordiniert im Kompetenznetzwerk Digitale Information solche Projekte und bietet Lehrveranstaltungen an. An der École Polytechnique Fédérale de Lausanne besteht das Digital Humanities Laboratory, das computergestützte Ansätze für die Wiederentdeckung der Vergangenheit, vor allem der Stadtentwicklung (Projekt: The Venice Time Machine), entwickelt und untersucht, wie Computer die Schreibkultur beeinflusst. Im interfakultären Laboratoire de culture et humanités digitale der Universität Lausanne werden Praktiken und Anwendungen der Informationstechnologie und die Auswirkungen der Digitalisierung auf das literarische Erbe, der historischen Archive und sozialen Beziehungen untersucht.

Studiengänge

In der Schweiz sind Studiengänge im Bereich Digital Humanities kaum über das Planungsstadium hinausgekommen. infoclio.ch hat eine Broschüre bestehender und geplanter Schweizer Bildungsangebote im Bereich Digital Humanities veröffentlicht. Im Folgenden werden einige Studiengänge aufgeführt, die in einem weiteren Sinne Themen der Digital Humanities abdecken.

Geschichte

Die Universität Zürich bietet mit Advanced Studies in Applied History Weiterbildungsstudiengänge in Angewandter Geschichte an (Abschlüsse: MAS, DAS, CAS). Das Angebot will in praxisnaher Weise die spezifischen strategischen Potentiale der historischen Methode, die generell für die verschiedensten Berufsfelder von praktischem Nutzen sind, erschliessen: in Politik, Diplomatie, Wirtschaft, Lehre, im Management, im Medien- und im Kulturbetrieb.

Informationswissenschaften

Die Universitäten Bern und Lausanne bieten zusammen das interdisziplinär ausgerichtete Nachdiplomstudium in Archiv-, Bibliotheks- und Informationswissenschaft an, das nach zwei Jahren mit dem Master of Advanced Studies in Archival, Library and Information Science (MAS ALIS) oder nach der Grundstufe mit dem CAS abgeschlossen werden kann. Die Studierenden lernen den Inhalt und die theoretischen Grundlagen der zentralen archivischen, bibliothekarischen und informationswissenschaftlichen Funktionen zu verstehen, kritisch zu prüfen und umzusetzen. Die Hochschule für Technik und Wirtschaft Chur bietet verschiedene Abschlüsse im Bereich Digital Science an. Ziel ist, die Studierenden zu Experten im professionellen Umgang mit Daten, Information und Wissen auszubilden.

Die Philosophische Fakultät der Universität Zürich bietet in Kooperation mit der Zentralbibliothek Zürich das berufsbegleitende Weiterbildungsprogramm Bibliotheks- und Informationswissenschaft als MAS, DAS oder CAS an. Sowohl die traditionellen als auch die neuen Aufgabengebiete in der Erschliessung, Vermittlung und Erhaltung von unterschiedlichen Informationsträgern und -inhalten werden thematisiert. Zu den neuen Aufgabengebieten zählen Digitalisierung, Langzeitarchivierung sowie die im Kontext der Entstehung und Verarbeitung digitaler Forschungsdaten entstandenen Tätigkeiten und Bereiche.

Events

Die Digital Humanities Summer School Switzerland wurde 2013 erstmals durchgeführt und 2017 als Digital History Summer School Switzerland wiederholt. Beteiligt waren infoclio.ch und mehrere Schweizer Universitäten und Forschungsinstitutionen. Das vielfältige Programm bot den TeilnehmerInnen Einblicke in verschiedene Disziplinen der Digital Humanities und viel Raum zum Diskutieren und Partizipieren.

Fachvereine, Vereinigungen, Verbände

Mit rund 100.000 aktiven Vereinigungen kann die Schweiz als Land der Vereine, Verbände und Interessensgruppen bezeichnet werden. Der wichtigste Fachverband für HistorikerInnen ist die Schweizerische Gesellschaft für Geschichte (SGG), Herausgeberin der wichtigsten historischen Fachzeitschrift, der Schweizerischen Zeitschrift für Geschichte (SZG). Zudem werden mit „Itinera“ Themenhefte als Ergänzung zur SZG veröffentlicht. Auf der Website des Verbandes stehen verschiedene Hilfsmittel zur Verfügung, so zum Beispiel eine Datenbank mit allen laufenden und abgeschlossenen historischen Dissertationen und Lizentiatsarbeiten in der Schweiz. Zudem ist auch ein sehr detaillierter Index aller Beiträge in der SZG seit 1951 online abrufbar. Der SGG sind als Sektionen verschiedene Vereinigungen angegliedert, welche spezifische geschichtswissenschaftliche Interessen verfolgen, wie die Schweizerische Gesellschaft für Familienforschung, die Schweizerische Gesellschaft für ländliche Geschichte, die Schweizerische Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialgeschichte oder die Schweizerische Vereinigung für Militärgeschichte und Militärwissenschaft.

Weitere Vereine mit spezifischen geschichtswissenschaftlichen Zielsetzungen sind keine Sektion der SGG, bieten aber neben Fachinformationen regionale, nationale und internationale Netzwerke. Darunter befinden sich beispielsweise die Schweizerischen Gesellschaft für historische Bergbauforschung, die Association pour le patrimoine industriel, die Schweizerische Vereinigung für Studentengeschichte, der Verein Memoriav, oder die Rechtsquellenstiftung des Schweizerischen Juristenvereins. Zudem bestehen in nahezu jedem Kanton eigene lokale historische Vereine. Eine Übersicht findet sich auf der Webseite der Schweizerischen Gesellschaft für Familienforschung.

In der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW) sind mehrere historische und archäologische Gesellschaften vertreten. Sie bildet das grösste Netz in den Geistes- und Sozialwissenschaften der Schweiz und ist aktiv in der Forschungsförderung, der internationalen Zusammenarbeit sowie in der Förderung des akademischen Nachwuchses. Sie unterstützt auch verschiedene Projekte in den Digital Humanities. Auf der Website sind umfassende Informationen über Forschungsprojekte, Bildungspolitik, Veranstaltungen oder Öffentlichkeitsarbeit aufgeführt.

Die Entwicklung historischer Gesellschaften ist im Artikel Historische Vereine von Anne-Marie Dubler im Historischen Lexikon der Schweiz (HLS) ausführlicher dargestellt.

Vereine zur Förderung der Digital Humanities

infoclio.ch ist die Fachinstitution für die Geschichtswissenschaften der Schweiz und stellt umfassende Informationen für die Forschenden bereit, trägt zur Vernetzung derer bei und will die digitale Infrastruktur in der Schweiz stärken. Infoclio.ch bietet unter anderem eine Datenbank zu schweizerischen Institutionen und Online-Ressourcen, welche für die Geschichtswissenschaften von Bedeutung sind sowie eine Editionen-Datenbank. Integriert ist auch eine Liste der laufenden und abgeschlossenen Dissertationen, Lizentiats- und Masterarbeiten an Schweizerischen Hochschulen im Fach Geschichte. Diese wird in Zusammenarbeit mit der SGG laufend erweitert. Zum Angebot gehört auch ein digitaler Werkzeugkasten, bestehend aus einer Auswahl von Software, die bei der Sammlung, Organisation und gemeinsamen Nutzung von Informationen aus den Geisteswissenschaften behilflich sind. Für Studienanfängerinnen und -anfänger bietet der compas Anleitung, um sich eine eigene (digitale) Forschungsumgebung bereitzustellen und zu nutzen.

Die Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW) evaluiert die Einrichtung eines Daten- und Dienstleistungszentrum für geisteswissenschaftliche Forschungsdaten. Ziel dieses Zentrums ist es, eine Plattform für primäre geisteswissenschaftliche Forschungsdaten zu schaffen, welche den Zugang zu diesen Daten sicherstellen kann. Darüber hinaus soll die Vernetzung dieser Daten mit anderen Datenbeständen gefördert (Linked Open Data) und somit ein Mehrwert für die Forschung und die interessierte Öffentlichkeit geschaffen werden. Mit metagrid.ch wird bereits die Online-Vernetzung von geisteswissenschaftlichen Ressourcen gefördert. Mit dieser Plattform verbunden ist ein umfassendes Beratungsangebot für die Fachgemeinschaft zu Normen, Standards und IT-Technologien für die Sicherung und Pflege von Daten (Data Curation).

Der Verein Geschichte und Informatik (G&I) verfolgt das Ziel, die qualifizierte Anwendung der Informatik in der historischen Forschung, Ausbildung und Dokumentation zu fördern. Der Verein gibt die Publikation Geschichte und Informatik heraus und informiert online mittels eines Blogs.

1.2 Digitales Publizieren

Der Stand digitalen Publizierens unterscheidet sich nicht wesentlich von jenem in den Nachbarländern, an welche die Schweizer Wissenschaftsöffentlichkeit angebunden ist. Nennenswert ist – abgesehen vom Ausnahmeprojekt des Historischen Lexikons der Schweiz (HLS) – die Unruhe, die 2014 ein Entscheid des Schweizerischen Nationalfonds (SNF), der nationalen Forschungs-Förderagentur, zu ihrer Open Access-Strategie ausgelöst hat. Vom SNF geförderte Projekte haben in der Regel ihre Resultate nach einer Sperrfrist (zwischen sechs und 24 Monaten) unentgeltlich im Internet zur Verfügung zu stellen. Dies hat zu heftigen Reaktionen vor allem der geisteswissenschaftlichen Verlage geführt, die um ihre Einnahmen fürchten.[56]

Als wichtigster Verlag für geisteswissenschaftliche Publikationen hat sich in der Schweiz der Schwabe Verlag (Basel) etabliert. Er arbeitet eng mit universitären Institutionen, wissenschaftlichen Gesellschaften und Akademien zusammen. Der Schwabe Verlag gibt auch das offizielle Organ der SGG, die Schweizerische Zeitschrift für Geschichte (SZG) heraus. Als weitere bedeutsame Verlage für geschichtswissenschaftliche Publikationen sind der Chronos Verlag (Zürich) und der in Baden beheimatete Verlag Hier + Jetzt zu nennen. Im Chronos Verlag erscheinen diverse geschichtswissenschaftliche Zeitschriften, die wichtigste darunter ist die Traverse, welche vom gleichnamigen Trägerverein dreimal jährlich herausgegeben wird. Die zweisprachige Zeitschrift versteht sich als Forum der Geschichtsforschenden in der Schweiz, vor allem auch für jüngere Forschende.

Im Bereich des digitalen Publizierens sind die genannten Schweizer Verlage nicht aktiv, mit Ausnahme des Verlags Hier + Jetzt, der seine Publikationen auf den grossen kommerziellen Plattformen auch als E-Books vertreibt. Eher den Charakter eines Repositoriums hat das der Eidgenössischen Technischen Hochschule angegliederte Projekt e-periodica (früher retro-seals), das auch geisteswissenschaftliche Zeitschriften, die in der Schweiz publiziert wurden, in digitaler Form anbietet. Erwähnung verdient hier die seit den 1990er-Jahren aktive Website e-hist.ch des Zürcher Historikers Gerold Ritter, der mit fachspezifischen Webdienstleistungen für Geschichte erfolgreich ein eigenes Unternehmen etabliert hat. Er hat unter anderem maßgeblich an der Entwicklung des Lernprogramms Ad fontes und Archivesonline mitgewirkt.

1.3 Herausragende Angebote

Als einzigartig darf das Historische Lexikon der Schweiz (HLS) gelten. Es ist das teuerste je in der Schweiz hergestellte geisteswissenschaftliche Werk. Es umfasst in der gedruckten Fassung 13 Bände mit über 36.000 Einträgen – und dies jeweils in den Sprachen Deutsch, Französisch und Italienisch. Die Erstellung des HLS dauerte von 1988 bis 2014. Da in den frühen 1990er-Jahren der technische Entscheid gefasst wurde, die Inhalte mit SGML und XML zu erfassen, konnten die Artikel laufend ohne allzu grossen Aufwand in einer Internet-Version bereitgestellt werden. Gleichsam als Vorläufer des Open Access-Ansatzes waren die Artikel dabei von Beginn an immer kostenlos zugänglich.

Ebenfalls den Status eines herausragenden Webangebots darf das Projekt Ad fontes in Anspruch nehmen. Die Website wurde seit den späten 1990er-Jahren an der Universität Zürich entwickelt und bietet mit zahlreichen Online-Lernmodulen eine Einführung in die Quellenarbeit an. Ad fontes wurde 2002 mit dem Medida-Prix und 2004 mit dem digital-Preis für Bildungssoftware ausgezeichnet.[68] Mittlerweile gibt es Ad fontes auch als Web-App für Mobilgeräte.

2. Digitale Informationsressourcen und Medien

2.1 Recherche

Portale

infoclio.ch ist das Schweizer Fachportal für die Geschichtswissenschaften und stellt entsprechend umfassende Informationen bereit. Ergänzend kann auch die Website der Schweizerische Gesellschaft für Geschichte (SGG), des Fachverbands der Historikerinnen und Historiker der Schweiz, genutzt werden. Für Althistoriker bietet das Fachportal Altertumswissenschaften Informationen zu Veranstaltungen, Bildungsmöglichkeiten und Forschung des Themas. Ein umfangreiches Verzeichnis von Online-Ressourcen ergänzt das Angebot.

Bibliothekskataloge

Die 1894 gegründete Schweizerische Nationalbibliothek (bis 2006 Landesbibliothek) sammelt die Literatur aus der Schweiz und über die Schweiz. Das Katalogsystem Helveticat verzeichnet Monografien sowie Zeitungen und Zeitschriften, die sich in der Nationalbibliothek befinden, allerdings nur für die Bestände nach 1998. Der Sachkatalog vor 1998 läuft auf einem eigenen System, das ebenfalls von der Nationalbibliothek betreut wird. Die Nationalbibliothek bietet auch einen gesamtschweizerischen Nachweis aller in der Schweiz erhältlichen Periodika über das Schweizerische Zeitschriftenportal (früher Portal Swiss Serials). Sie ermöglicht auch den Zugriff auf spezialisierte Verzeichnisse, zum Beispiel auf die Bibliographie der Schweizergeschichte, allerdings erst ab dem Jahr 1975; die gedruckte Version erscheint seit 1913. Auch andere Spezialverzeichnisse können über die Nationalbibliothek erreicht werden, teilweise von ihr selbst verantwortet, wie die Schweizer Plakatsammlung, oder von Partnerinstitutionen betreut, wie das Verzeichnis der Schweizer Nationalphonothek. In einer Beta-Version bietet die Nationalbibliothek auch Recherchen über die in Entstehung begriffene Sammlung von e-Helvetica an. Neben historischen Websites sind hier elektronisch publizierte Bücher, Periodika, Hochschulschriften und Amtsschriften zu finden. Zudem können gedruckte Werke abgerufen werden, die nachträglich digitalisiert wurden.

Die Kataloge der Universitätsbibliotheken sind in zwei sprachregional organisierten Verbünden erschlossen: dem Réseau Romand (ReRo) und dem Informationsverbund Deutschschweiz (IDS). Dieser ist in mehrere Teilverbünde (zum Beispiel IDS Basel Bern) gegliedert, die eigene Abfragemasken anbieten. Mittlerweile ist unter der Dach-Website Swissbib der Schweizer Bibliotheken eine Metasuche über alle Hochschulbibliotheken der Schweiz möglich. Eine Übersicht über die in der Schweiz tätigen Bibliotheken bietet ebenfalls die Website Swissbib.

Die Sammelschwerpunkte der schweizerischen Universitätsbibliotheken werden derzeit nicht koordiniert, eine Zusammenarbeit besteht lediglich bei der Lizenzierung von elektronischen Angeboten über das Konsortium der Schweizer Hochschulbibliotheken. Auch fehlt eine koordinierte regionale oder fachspezifische Literaturversorgung, weil die schweizerische Forschungsförderung (das heißt insbesondere der Schweizerische Nationalfonds) die Förderung der Forschungsinfrastruktur und der Literaturversorgung nicht zu ihren Aufgaben zählt. Über grosse historische Bestände verfügt die Universitätsbibliothek Basel, da die Universität bereits 1460 gegründet wurde und Basel eine wichtige Druckerstadt war. Über die entsprechenden Spezialsammlungen informiert die Website der Universitätsbibliothek Basel ausführlich. Eine reiche Handschriftensammlung weist auch die Stiftsbibliothek St. Gallen auf, die ihre Bestände im Projekt Codices Electronici Sangallenses laufend digitalisiert und im Web öffentlich zugänglich macht.

Webkataloge

infoclio.ch ist das Schweizer Fachportal für die Geschichtswissenschaften und ist für Online-Recherchen zu geschichtswissenschaftlichen Fragen das einzige umfassende Webangebot der Schweiz.

Archive

Die schweizerische Archivlandschaft ist stark durch die föderalistische Struktur des Landes geprägt. Wie für andere Politikbereiche ist auch für das staatliche Archivwesen die Gliederung in die drei Ebenen Bund, Kantone und Gemeinden von zentraler Bedeutung. Während das Bundesarchiv für die Sicherung, Erschließung und Auswertung der Unterlagen des Bundes zuständig ist, fällt die Archivierung der von den kantonalen Verwaltungen produzierten Unterlagen in die Kompetenz der kantonalen Staatsarchive. Diese sind rechtlich unabhängig vom Bundesarchiv. Neben den Staatsarchiven führen eine Vielzahl von Gemeinden, geistlichen Organisationen, Institutionen oder Privatpersonen ihre eigenen Archive. Die Bestände der Archive sind je nach Aufgabenbereich und Kompetenzen der jeweiligen politischen Ebene sehr unterschiedlich strukturiert. Die Archivbestände der Kantone und Gemeinden reichen in der Regel ins Mittelalter zurück, während der Schwerpunkt des Archivguts des Bundesarchivs in der Zeit seit der Bundesstaatsgründung von 1848 liegt. Diese Aufteilung bedeutet in der Forschungspraxis eine gewisse Unübersichtlichkeit und setzt zum Teil sehr gute lokale Kenntnisse voraus, um tatsächlich vor Ort mit dem Material arbeiten zu können.

Eine sehr gute Übersicht über die Archivlandschaft der Schweiz bietet die Website des Vereins Schweizerischer Archivarinnen und Archivare. Neben der Möglichkeit, strukturiert in der Archiv-Datenbank zu suchen, sammelt die Website auch Verweise auf online zugängliche Findmittel. Ein weiterer wichtiger Einstiegspunkt für archivübergreifende Recherche in Beständen Schweizer Archive ist das Webangebot archivesonline.org. Hierbei handelt es sich um eine von verschiedenen Schweizer Archiven unterstützte Meta-Suchmaschine, die gleichzeitige Recherchen in mehreren Schweizer Archiven ermöglicht.

Eine zentrale Rolle in der schweizerischen Archivlandschaft nimmt das 1798 errichtete Schweizerische Bundesarchiv (BAR) in Bern ein. Die Aufgaben des BAR sind im Bundesgesetz über die Archivierung aus dem Jahre 1998 geregelt. Die dort festgeschriebenen Grundsätze, Fristen etc. sind allerdings für die kantonalen Staatsarchive nicht relevant; die meisten Kantone haben eigene Archivgesetze oder Verordnungen. Das BAR umfasst das Zentralarchiv der Helvetischen Republik (1798–1803), das Archiv der Mediationszeit (1803–1813), der Tagsatzungsperiode (1814–1848) und des Bundesstaates (seit 1848); weiter beherbergt es originale diplomatische Akten und Ratifikationen internationaler Verträge, Privatarchive zur Schweizer Geschichte seit 1798 und Sammlungen von Abschriften, Kopien und Mikrofilmen von Helvetica, die in ausländischen Institutionen aufbewahrt werden. Online verfügbar sind ausgewählte Datenbestände der Amtsdruckschriften, wie beispielsweise das amtliche Bulletin der Bundesversammlung von 1891 bis 1995 oder die Protokolle des Bundesrates von 1848 bis 1948. Darüber hinaus bietet das BAR die Recherche in den Archivbeständen mittels digitalem Findmittel in verschiedenen Modi an: Volltextsuche, Archivplan-Suche und Feldsuche. Ausgegeben werden die Archivplan-Daten, anhand derer die Archivbestände bestellt werden können. Wie viele Archive, ist auch das BAR von der Umstellung auf digitale Geschäftsführung in der Verwaltung betroffen und befasst sich mit der Archivierung digitaler Daten verschiedener Art. Hierbei befasst es sich auch mit Fragen der Open Government Data und beteiligt sich am Projekt opendata.swiss.

Das Online-Angebot der einzelnen kantonalen Archive ist sehr unterschiedlich, doch sind die Angebote in den letzten Jahren massiv ausgebaut worden. Reine Informationsseiten werden immer seltener, stattdessen stellen die Archive zunehmend digitale Findmittel zur Verfügung, die teilweise, wie zum Beispiel beim Staatsarchiv Basel-Stadt, auch Zugang zu digitalen und digitalisierten Daten ermöglichen.

Wichtige Aufgaben übernehmen auch verschiedene Spezialarchive, die zum Teil von der öffentlichen Hand, zum Teil privat finanziert sind. Zu nennen sind dabei das 1910 gegründete Schweizerische Wirtschaftsarchiv in Basel, das Schweizerische Sozialarchiv in Zürich und das zur Eidgenössischen Technischen Hochschule gehörende Archiv für Zeitgeschichte, zu dessen Schwerpunkten die jüdische Zeitgeschichte gehört. Alle drei Archive bieten online Zugang zu ihren Beständen, der jedoch unterschiedlich ausführlich ausgestaltet ist. Das Schweizerische Literaturarchiv besitzt mehr als 250 (Teil-) Nachlässe, über 60 Autorenbibliotheken und Archive lebender Autorinnen und Autoren. Es verfügt damit über die bedeutendste Sammlung der Schweizer Literaturen des 20. und 21. Jahrhunderts.

Museen

Die Museumslandschaft in der Schweiz ist reichhaltig und umfassend. Die Museen bieten im Rahmen ihrer Tätigkeiten auch ausgebaute Web-Präsenzen an. Diese erfüllen in aller Regel primär Werbezwecke und bieten kaum Zugang zum Sammelgut oder anderen kuratierten Inhalten an. Eine Übersicht über die Schweizer Museen bzw. deren Webpräsenzen bietet die Webplattform des Verbandes Schweizer Museen und des Schweizer Ablegers des Internationalen Museumsrats.

Von besonderer Bedeutung ist das Landesmuseum in Zürich, das grösste kulturhistorische Museum der Schweiz. Es gehört zusammen mit dem Château de Prangins und dem Forum Schweizer Geschichte Schwyz sowie dem Sammlungszentrum in Affoltern zum Schweizerischen Nationalmuseum. Als Institution des Bundes bildet das Schweizerische Nationalmuseum eine Ausnahme, sonst werden in der föderal organisierten Schweiz die Museen von kantonalen oder privaten Eignern getragen. Auf der Website des Landesmuseums wird ein umfassendes Bildarchiv (über 400.000) sowie ausführliche Dokumentationen und eine Übersicht aller Publikationen geboten.

2.2 Digitale Medien

Nachschlagewerke

Das umfassendste digitale historische Projekt der Schweiz ist das Historische Lexikon der Schweiz (HLS). Weitere nennenswerte digitale Nachschlagewerke sind noch nicht verfügbar, mit Ausnahme der Helvetia Sacra. In dieser werden die kirchlichen Einrichtungen der Schweiz (Bistümer, Stifte und Klöster) bis zum Jahr 1874 systematisch erfasst und vornehmlich in ihrer institutionellen Ausprägung historisch beschrieben. Online ist nur das Verzeichnis zugänglich.

Quellen

Digitale bzw. digitalisierte Quellen sind in der Schweiz noch relativ rar. In den letzten Jahren hat sich jedoch das Angebot etwas erweitert, was hauptsächlich auf Initiativen des Bundes und einiger Universitäten zurückzuführen ist.

Swissvotes ist eine umfassende Datenbank der eidgenössischen Volksabstimmungen. Sie enthält Daten zu allen Vorlagen seit 1848 und wird jährlich um die jüngsten Abstimmungen ergänzt. Betrieben wird das Angebot vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern.

Auf der Plattform e-rara.ch stellen Schweizer Bibliotheken digitalisierte Schweizer Drucke des 15. bis 19. Jahrhunderts öffentlich und kostenlos zur Verfügung. Einen ersten Schwerpunkt bilden die Schweizer Drucke des 16. Jahrhunderts. Diverse thematische Kollektionen gedruckter Bücher sowie gedruckte Karten aus dem 16. bis 19. Jahrhundert erweitern das Angebot. Das Repertorium „Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters“ der Bayerischen Akademie der Wissenschaften umfasst Geschichtsquellen des mittelalterlichen Deutschen Reiches für die Zeit von circa 750 bis 1500 und somit auch Quellen mit Bezügen zur heutigen Schweiz. Es wird kontinuierlich erweitert. Im Codices Electronii Sangallenses sind die mittelalterlichen Handschriften der Stiftsbibliothek St. Gallen digitalisiert abrufbar. Die Stiftsbibliothek Sankt Gallen gehört mit ihren 2.100 Handschriften zu den ältesten und bedeutendsten Handschriftenbibliotheken der Welt. Die digitale Bibliothek wird ständig erweitert; Ende 2017 waren 610 Handschriften dem Publikum online zugänglich. Das Klosterarchiv Einsiedeln stellt in seinem E-Archiv Archivalien, Urkunden, Dokumente, Filme und Bilder sowie Findmittel und weitere Informationen online zur Verfügung. Bilder sind in hoher Auflösung verfügbar. Auf monasterium.net wird ein virtuelles Urkundenarchiv Europas aufgebaut. Darunter befinden sich auch Dokumente aus der und über die Schweiz.

Editionen und Spezialsammlungen

Das Bundesarchiv (BAR) stellt eine Datenbank der Amtsdruckschriften online zur Verfügung. Darunter fallen das Amtliche Bulletin der Bundesversammlung, das Bundesblatt, die Bundesratsprotokolle, die Diplomatischen Dokumente der Schweiz, der Eidgenössische Staatskalender, der Geschäftsbericht des Bundesrates sowie die Staatsrechnung und der Voranschlag.

Die Schweizerische Nationalbibliothek (SNB) beherbergt verschiedene Spezialsammlungen. Unter anderem HelveticArchives (Archivdatenbank der Schweizerischen Nationalbibliothek), Familiennamen-Katalog, Handschriften-Katalog, Heraldischer Katalog, Katalog der biografischen Zeitungsartikel, Katalog der genealogischen Tafeln, Katalog der monografischen und der periodischen Amtsdruckschriften, Periodika-Katalog, Schweizer Plakatsammlung, Sonderdrucke-Katalog oder der Vereinsschriften-Katalog. Die Kataloge können online durchsucht werden. Die SNB kooperiert mit verschiedenen in- und ausländischen Organisationen, unter anderem mit dem MALVINE-Consortium.

Eine Übersicht über weitere Editionen bietet infoclio.ch. Mit diversen Filtermöglichkeiten kann die Datenbank durchsucht werden.

Retrodigitalisierte Quellensammlungen

Einen Überblick über die in der Schweiz laufenden Digitalisierungsprojekte möchte die Plattform digicoord.ch schaffen. Die Plattform wird von der Nationalbibliothek und dem Bibliotheksverbund der französischsprachigen Schweiz betrieben.

Die Plattform e-manuscripta.ch bietet digitalisierte handschriftliche Quellen aus Schweizer Bibliotheken und Archiven. Ähnlich ist e-codices, die virtuelle Handschriftenbibliothek der Schweiz, unterhalten von der Universität Freiburg.

Beim Projekt „Diplomatische Dokumente der Schweiz“ sind zusätzlich zur gedruckten Edition zentrale Dokumente zur Geschichte der schweizerischen Aussenbeziehungen retrodigitalisiert worden und in einer Datenbank abrufbar. Amtliche Quellen, die für die Rekonstruktion und das Verständnis der außenpolitischen Geschichte der Schweiz nötig sind, sollen in gedruckter und digitalisierter Form der Forschung und Praxis zur Verfügung gestellt werden.

Memoriav ist das nationale Netzwerk für die Erhaltung des audiovisuellen Kulturguts, mit dem Informationsportal „Memobase“. Dieses bietet einerseits Zugang zu knapp 150.000 (Stand Ende 2017) retrodigitalisierten, audiovisuellen Beständen und andererseits umfassende Informationen zur Handhabung und Archivierung von audiovisuellen Objekten sowie Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten.

Spezifische Quellen

E-Pics ist die zentrale Bilddatenbank der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich für Fotografien und Bilddokumente. Sammlungen, Archive, Institute und Einheiten der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich sowie Externe verwalten und präsentieren hier ihre Bildbestände. Ein Grossteil der Bilder kann öffentlich eingesehen und nach Stichwörtern recherchiert werden.

Die Schweizerische Radio und Fernsehgesellschaft (SRF) bietet mit Timeline zahlreiche Trouvaillen in Bild und Ton zu allerlei Themen durch rund 80 Jahre Radio- und Fernsehgeschichte. Parallel dazu werden auf dem YouTube-Kanal SRF Archiv weitere Clips und Filmausschnitte veröffentlicht. Französische Beiträge sind im RTSarchives zu finden. Die Datenbank Bild- und Tondokumente zur ländlichen Gesellschaft des Archives für Agrargeschichte (AfA) ermöglicht Benutzern, nach Film-, Foto- und Tondokumenten zur ländlichen Gesellschaft zu suchen. Die erschlossenen audiovisuellen Quellen sind thematisch gegliedert, aber nicht online verfügbar.

Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes stellt mit dem Resource Centre eine Möglichkeit zur Verfügung, online nach Bildern, Filmen, Dokumenten oder Karten der Organisation zu recherchieren. Je nach Objekt muss es anschliessend bestellt oder kann direkt heruntergeladen werden. Die Basler Organisation mission 21 stellt Fotos (knapp 30.000), Zeichnungen und Dokumente aus missionarischer Tätigkeit in aller Welt online zur Verfügung. Die Datenbank kann nach Stichwörtern oder in einer einfachen Gliederung durchsucht werden.

Elektronische Zeitschriften

Das Schweizerische Zeitschriftenportal ist eine Dienstleistung der Schweizerischen Nationalbibliothek in Zusammenarbeit mit den regionalen Verbünden und Bibliotheken. Das Portal ermöglicht die Metasuche nach Zeitschriftentiteln in den grösseren Bibliothekskatalogen der Schweiz.

e-periodica.ch ist die Plattform der Bibliothek der Eidgenössischen Technischen Hochschule für digitalisierte Schweizer Zeitschriften aus den Bereichen Wissenschaft und Kultur. Die frühesten Zeitschriften auf e-periodica.ch datieren vom Anfang des 18. Jahrhunderts. Das Angebot wird laufend durch aktuelle Ausgaben ergänzt.

Elektronische Publikationen

Das Einreichen von elektronischen Dissertationen und Habilitationen ist je nach Universität unterschiedlich geregelt. Beispielsweise ist an der Juristischen und der Philosophisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel die Abgabe einer elektronischen Version obligatorisch, an den anderen Fakultäten möglich, aber nicht nötig. Alle Universitätsbibliotheken nehmen elektronische Dissertationen und Habilitationen aus allen Fachbereichen an und bieten auf ihren Webseiten entsprechende Suchmöglichkeiten. Wissenschaftliche E-Books werden von einzelnen Bibliotheken angeboten und können dort online bezogen werden. Eine spezifische Plattform für dieses Medium existiert (noch) nicht.

Multimediale Publikationen

Ad fontes ist ein Lernangebot der Universität Zürich um Interessierten beim Lesen von alten Handschriften zu unterstützen sowie wie diese ausgewertet und als Quellen benutzt werden können.

2.3 Mailinglisten, Blogs, Podcasts

Ein umfassendes, zentrales Portal existiert nicht. Einige Organisationen (Institutionen, Vereine, Verlage, usw.) bieten einen Newsletter oder RSS-Feed an, einige auch Podcasts oder Filmbeiträge (beispielsweise das Schweizer Fernsehen). Blogs werden ebenfalls von verschiedenen Organisationen angeboten, einige Forschungsblogs finden sich unter hypotheses.org. Im Portal H-Net online finden sich bei übergreifender Suche zahlreiche geschichtswissenschaftliche Beiträge mit Bezug zur Schweiz.

3. Fazit

In der Schweiz haben sich erste Angebote zu Digital Humanities und/oder Digital History mittlerweile etablieren können, einige davon haben sogar Pionierarbeit geleistet (e-hls oder Ad fontes). Der föderalistischen Struktur der Schweiz ist es geschuldet, dass neue Angebote, Projekte und Plattformen nur langsam entstehen und sich erst nach einer gewissen Bewährungszeit mit anderen Angeboten vernetzen. Dennoch ist die digitale Community aktiv und entwickelt laufend weitere Angebote für den Einsatz in den digitalen Geschichtswissenschaften.

Literaturhinweise

Geschichtsforschung

Atelier H (Hrsg.), Ego-Histoires. Ecrire l'histoire en Suisse romande, Neuchâtel 2003.
Allgemeine Geschichtsforschende Gesellschaft der Schweiz, Geschichtsforschung in der Schweiz. Bilanz und Perspektiven, Basel 1992.
Feller, Richard; Bonjour, Edgar, Geschichtsschreibung der Schweiz (2 Bände), Basel; Stuttgart 1979 (zuerst 1962).
Fueter, Eduard, Geschichte der gesamtschweizerischen historischen Organisation, in: Historische Zeitschrift 189 (1959), S. 449–506.

Geschichte und Geschichtsschreibung

Kreis, Georg (Hrsg.), Die Geschichte der Schweiz, Basel 2014.
Maissen, Thomas, Geschichte der Schweiz, Baden 2010.
Imhof, Ulrich; Mesmer, Beatrix, Geschichte der Schweiz und der Schweizer. Studienausgabe in einem Band. Herausgegeben von Comité pour une Nouvelle Histoire de la Suisse, 4. Auflage, Basel 2006.
Hettlin, Manfred u.a, Eine kleine Geschichte der Schweiz. Der Bundesstaat und seine Tradition, Frankfurt am Main 1998.

Digital Humanities

Bruderer, Herbert, Konrad Zuse und die Schweiz. Wer hat den Computer erfunden?, München 2012.
Egger, Josef, Ein Wunderwerk der Technik, Zürich 2014.
Epple, Angelika; Haber, Peter (Hrsg.), Vom Nutzen und Nachteil des Internet für die historische Erkenntnis. Version 1.0, Zürich 2005 (Geschichte und Informatik, Bd. 15).
Haber, Peter; Koller, Christophe (Hrsg.), Geschichte und Internet. „Raumlose Orte - geschichtslose Zeit?“, Zürich 2002 (Geschichte und Informatik, Bd. 12).
Haber, Peter (Hrsg.), Computergeschichte Schweiz: eine Bestandsaufnahme. Histoire de l'ordinateur en Suisse: un état des lieux, Zürich 2009 (Geschichte und Informatik, Bd. 17).
Haber, Peter, Sprung in eine andere Welt? Mediengeschichte im Zeichen von Digitalität und Remediation, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 60 (2010) 1, S. 121–132.
Haber, Peter, Digital past. Geschichtswissenschaft im digitalen Zeitalter, München 2011.
Hartmann, Heinrich, Einleitung: Qualität der historischen Forschung: Möglichkeiten und Fallstricke einer anstehenden Debatte, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 62 (2012) 2, S. 191–203.
Hügi, Jasmin; Schneider, René, Digitale Forschungsinfrastrukturen für Historiker in der Schweiz, Folien, SAGW-Tagung 'Digital Humanities', Bern 28. November 2013.
Zürcher, Markus; Kübli, Beatrice, Dossier Digital Humanities und Web 2.0, Bern 2012 (SAGW Bulletin).

Fußnoten

  1. [1] Ein sehr differenziertes Bild des Zustands der Schweizer Geschichtsforschung (genauer der Schweizer Zeitgeschichtsforschung) zeigt die Analyse von Christoph Dipper bei Docupedia-Zeitgeschichte, was die Eingangsthese zumindest teilweise widerlegt. Vgl. Dipper, Christof, Schweiz – Die Geburt der Zeitgeschichte aus dem Geist der Krise, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 22. 3.2011, http://docupedia.de/zg/Schweiz_-_Die_Geburt_der_Zeitgeschichte_aus_dem_Geist_der_Krise?oldid=97438 (Um einen Nachtrag ergänzte und im Literaturapparat leicht aktualisierte Wiederveröffentlichung von: Dipper, Christof, Die Geburt der Zeitgeschichte aus dem Geist der Krise. Das Beispiel Schweiz, in: Nützenadel, Alexander; Schieder, Wolfgang (Hrsg.), Zeitgeschichte als Problem. Nationale Traditionen und Perspektiven in Europa, Göttingen 2004, S. 149–174.)
  2. [9] Haber, Peter, Digital Past. Geschichtswissenschaft im digitalen Zeitalter, München 2011.
  3. [56] Hirschi, Caspar, Der Schweizerische Nationalfonds und seine Open-Access-Strategie, in: NZZ online, 19.05.2014, verfügbar unter http://www.nzz.ch/aktuell/feuilleton/uebersicht/der-schweizerische-nationalfonds-und-seine-open-access-strategie-1.18304812; Wenzel, Uwe Justus, Der Nationalfonds kapituliert: „Open Access“, in: NZZ online, 27.05.2014, http://www.nzz.ch/aktuell/feuilleton/uebersicht/open-access-1.18310145.
  4. [68] Vgl. Hodel, Jan, Web-Rezension zu: Ad fontes, in: H-Soz-Kult, 16.10.2004, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/id=63&type=rezwww.

Zitation: Jan Hodel / Pascal Föhr, Schweiz, in: Clio Guide – Ein Handbuch zu digitalen Ressourcen für die Geschichtswissenschaften, Hrsg. von Laura Busse, Wilfried Enderle, Rüdiger Hohls, Thomas Meyer, Jens Prellwitz, Annette Schuhmann, 2. erw. und aktualisierte Aufl., Berlin 2018 (=Historisches Forum, Bd. 23), S. D.10-1 – D.10-28, DOI: 10.18452/19244.


Für Clio-online verfasst von:

Jan Hodel / Pascal Föhr

Jan Hodel
Pascal Föhr

Dr. Jan Hodel ist Dozent für Geschichte und Geschichtsdidaktik an der Pädagogischen Hochschule der FHNW in Basel und Brugg. Er hat zusammen mit PD Dr. Peter Haber das Portal hist.net gegründet.

Dr. phil. Pascal Föhr promovierte an der Universität Basel zum Thema „Historische Quellenkritik im Digitalen Zeitalter. Er arbeitet als wissenschaftlicher Assistent im Staatsarchiv Solothurn, verantwortlich für die Langzeitspeicherung digitaler Daten.