Europäische Religionsgeschichte der Neuzeit

1. Geschichtswissenschaft und digitale Medien zur europäischen Religionsgeschichte der Neuzeit

1.1 Einführung ins Themenfeld

Religionsgeschichte als einen einheitlichen Teilbereich der Geschichtswissenschaft gibt es (noch) nicht. Während die Wirtschaftsgeschichte, die Mediengeschichte oder auch die Wissenschaftsgeschichte sich eines relativ klar abgrenzbaren Gegenstandes in seiner historischen Tiefe annehmen, fällt es aufgrund widerstreitender Definitionen, der empirischen Vielgestaltigkeit und des konstitutiven Transzendenzbezuges des Phänomens Religion schwer, diese als einen begrifflich fassbaren Ausschnitt der geschichtlichen Wirklichkeit von anderen Objekten der historischen Forschung zu trennen. Insbesondere in den vormodernen Epochen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit bildeten Religion und Frömmigkeit zusammen mit Kultur, Wirtschaft oder Politik ein gleichsam unentwirrbares Geflecht. Ansatzweise bereits in der späten Frühen Neuzeit, mit voller Wucht indes erst ab dem 19. Jahrhundert setzen deutliche Ausdifferenzierungsprozesse ein, die Religion von anderen gesellschaftlichen Bereichen unterscheiden lassen. Damit verändern sich nicht nur die Art und Weise der Bedeutung der Religion für die Lebenswelt der Menschen, sondern auch die wissenschaftliche Praxis, wie Religion erforscht und Religionsgeschichte betrieben wird.

Obwohl die Anwesenheit aller drei monotheistischen Weltreligionen im vormodernen Europa nicht zu leugnen ist, ist die europäische Geschichte der Frühen Neuzeit eine vornehmlich lateinisch-christliche. Die lange anhaltende Krise der mittelalterlichen Universalkirche, die von Schismen und dogmatischen Streitigkeiten einerseits, Kritiken und damit einhergehenden Reformvorschlägen andererseits geprägt war, mündete zu Beginn des 16. Jahrhunderts in das Großereignis der Reformation und führte damit zur Entstehung dreier im Laufe der Zeit zu Konfessionskirchen institutionalisierter Glaubensrichtungen – des Katholizismus, des Luthertums und des Calvinismus. Daneben brachte die reformatorische Dynamik auch radikale Strömungen des Christentums hervor – wie beispielsweise das kurzlebige Münsteraner Täuferreich (1534/35). Die reformatorische Bewegung veränderte aber auch Europas politische Machtstrukturen. In England hatte Heinrich VIII. in den 1520er- und 1530er-Jahren die Autorität des Papstes bestritten und sich selbst zum Oberhaupt der anglikanischen Kirche erklärt. Eine antipapale Haltung spielte auch im Römisch-Deutschen Reich eine Rolle. Die deutschen protestantischen Stände nutzten die konfessionellen Differenzen zur Lagerbildung gegen die katholische Kirche und die katholischen habsburgischen Kaiser, wobei den politischen Brennpunkt die Anerkennung der nichtkatholischen Glaubensrichtungen sowie die Steigerung der eigenen wirtschaftlichen und politischen Macht bildeten. Nach der Niederschrift des Augsburger Bekenntnisses (Confessio Augustana) 1530 und dem Schmalkaldischen Krieg (1546/1547) wurde 1555 der Augsburger Religionsfrieden dem Rechtssystem des Reichs einverleibt. Dieser verankerte die Mehrkonfessionalität des Reiches sowie in der Formel cuius regio, eius religio das Recht der Landesherren, die Konfession ihrer Untertanen festzulegen (ius reformandi) und somit das eigene Herrschaftsgebiet zu homogenisieren. Dieser Rechtslage zum Trotz blieb die konfessionelle Spannung im Reich bestehen und spielte eine nicht unerhebliche Rolle beim Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648), dessen friedensvertraglicher Abschluss in Münster und Osnabrück unter anderem den Augsburger Religionsfrieden bestätigte und auslegend fortentwickelte. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts zeichnete sich eine Entflechtung von Religion und Politik dergestalt ab, dass die Religion nicht mehr die Agenda des politischen Handelns bestimmt hat, sondern dieses sich primär an der Staatsräson orientierte. Nichtsdestotrotz nahmen Religion und Glaube auf unterschiedliche Lebensbereiche Einfluss und prägten weiterhin Mentalitäten – von der Rhythmisierung von Zeit und Lebenszyklen, über die Wahrnehmung des Körpers und der Geschlechterverhältnisse bis hin zur Beurteilung der sozialen Ordnung. Gut beobachten lässt sich die anhaltende gesellschaftliche Potenz von Religion und Frömmigkeit am Beispiel des Pietismus oder des Jansenismus, zweier religiöser Reformbewegungen des 17. und 18. Jahrhunderts.

Lagen in der Frühen Neuzeit religiöse und weltliche Herrschaftsansprüche noch eng beieinander, so löste sich im 19. Jahrhundert der Zusammenhang von Thron und Altar immer deutlicher auf und Religion und Politik traten schließlich als zwei unterschiedliche Funktions- und Lebensbereiche auseinander. Die Religion verlor dabei immer mehr ihren Status als letztlich natürlich gegebene Richtschnur der Lebensführung und sah sich nunmehr der Konkurrenz alternativer Weltanschauungen ausgesetzt: Materialismus und Sozialismus, der Glaube an Wissenschaft und biologische Evolution durchbrachen das Weltdeutungsmonopol der Kirchen, die sich nun als religiös-gesellschaftliche Kräfte neben anderen behaupten mussten. Die verschiedenen europäischen culture wars im späten 19. und im frühen 20. Jahrhundert führten dann zur prinzipiellen Trennung von Kirche und Staat. Gleichwohl spielten konfessionelle Identitäten weiterhin eine große Rolle sowohl für die ethisch-lebensweltliche Orientierung der einzelnen Menschen als auch für die gesamtgesellschaftliche Integration. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kam es in nahezu allen europäischen Gesellschaften zu nachhaltigen Säkularisierungsprozessen, welche die Bedeutung religiöser Bindung für den historischen Prozess insgesamt minderten. Hinzu kommt eine durch Dekolonialisierung und Arbeitsmigration zunehmende Präsenz des Islams in vielen europäischen Gesellschaften, sodass sich die religiöse Lage der Gegenwart als wesentlich vielgestaltiger und pluraler ausnimmt, als dies gegen Mitte des 20. Jahrhunderts noch der Fall gewesen war.

Dieser hier grob skizzierten Entwicklung der europäischen Religionsgeschichte der Neuzeit folgt im Wesentlichen auch ihre wissenschaftliche Erforschung mit ihren jeweiligen Schwerpunkten. Dabei wird man grundsätzlich zwischen Kirchengeschichte im engeren Sinne und Religionsgeschichte im weiteren Sinne unterscheiden müssen. Während die erstere im Grunde eine theologische Disziplin ist und die historische Entwicklung der eigenen Kirche vom konfessionellen Standpunkt aus betrachtet – wodurch die Wissenschaftlichkeit nicht geschmälert werden muss – ist die Religionsgeschichte ein breites, interdisziplinäres Forschungsfeld von HistorikerInnen, ReligionswissenschaftlerInnen, SoziologInnen und TheologInnen unterschiedlicher Konfession. Religionsgeschichte ist damit nicht thematisch auf eine Kirche oder Glaubensrichtung festgelegt und untersucht den Gegenstand „Religion“ in seiner gesamten Breite. Politik-, sozial- und kulturgeschichtliche Methoden kommen dabei je nach Fragestellung gleichermaßen zum Einsatz, und „Religion“ wird wie jedes andere Objekt der historischen Forschung behandelt. Auch wenn je nach Schule und Forschungsrichtung umstritten sein mag, was jeweils als „Religion“ definiert wird, so spielen Fragen nach der Geltung spezifischer Glaubenssätze in einer nicht-theologischen Religionsforschung keine Rolle.

Die Bedeutung der Religion für den allgemeinhistorischen Verlauf lässt sich nicht zuletzt daran erkennen, dass insbesondere im Bereich der Frühen Neuzeit religionsgeschichtliche Kriterien den Ausschlag für Periodisierungen gegeben haben. So lassen viele Autoren die Neuzeit bekanntlich mit der Reformation beginnen. Die Zeit bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges und teilweise noch darüber hinaus gilt als „konfessionelles Zeitalter“. Gemeint ist damit im Anschluss an Ernst Walter Zeedens Konfessionsbildungs- und Wolfgang Reinhards und Heinz Schillings Konfessionalisierungsthese die Verfestigung der drei auseinanderdriftenden Bekenntnisgruppen und – im Falle der Konfessionalisierung – deren Bedeutung für die frühneuzeitliche Staatlichkeitsausbildung. Religion wird hier nicht als ein Phänomen an sich, sondern in funktionaler Perspektive als ein Instrument der werdenden flächendeckenden Herrschaft interpretiert. Nicht zuletzt deswegen stelle die Konfessionalisierung einen Fundamentalvorgang der europäischen Frühneuzeit dar. Inzwischen hat die Forschung vom anfänglichen Etatismus des Konfessionalisierungsparadigmas allerdings Abstand genommen und sich der Religiosität als einem eigenständigen Lebensbereich zugewandt. Das Erkenntnisinteresse der Religionsgeschichte richtet sich somit nicht nur auf das Verhältnis von Kirche und Staat, sondern auf den Zusammenhang zwischen Weltlichkeit und Religiosität ganz allgemein, das heißt auf die über die institutionellen Grenzen hinausgehenden religiösen Lebens- und Glaubensformen sowie auf die individuelle Wahrnehmung und das persönliche Erleben von Religiosität. Im Mittelpunkt stehen nun vorwiegend mentalitäts- und kulturgeschichtliche Zugänge, die sich von der systemischen Vorstellung möglichst hermetischer konfessioneller Glaubenswelten lösen und Schwellenformen, bewusste wie kontingente Ambiguitäten, Ausprägungen individualisierter Glaubensformen, Konversionen, aber auch umfassende „Konfessionskulturen“ (Thomas Kaufmann), Transferprozesse von Glaubensvorstellungen, religiöse Kommunikation sowie Entkonfessionalisierungsprozesse und Säkularisierungen untersuchen.

Das Gleiche gilt für den Bereich der Neueren und Neuesten Geschichte. Auch hier hat sich die Forschung in den vergangenen Jahrzehnten von einer engen institutionengeschichtlichen Perspektive gelöst und fragt über das Staats-Kirchen-Verhältnis hinaus nach der allgemeinen kultur- und gesellschaftsprägenden Kraft von Religion und Frömmigkeit. Dabei haben HistorikerInnen häufig von der Mentalitäts- und Religionsgeschichte der Frühen Neuzeit gelernt. So ist beispielsweise versucht worden, das 19. und frühe 20. Jahrhundert als ein „zweites konfessionelles Zeitalter“ zu deuten (Olaf Blaschke). Andererseits überwiegen jedoch die religionsgeschichtlichen Unterschiede zwischen der Frühen Neuzeit und der Neueren Geschichte, sodass die europäische Religionsgeschichte der Neuzeit vor allem als ein Transformationsprozess zu untersuchen ist. Neben den Prozessen der Veränderung von Religionsgemeinschaften, wobei nach wie vor die christlichen Kirchen die größte Aufmerksamkeit erfahren, spielt in der zeitgeschichtlichen Forschung aber auch die Untersuchung von symbolischen Transferprozessen eine große Rolle. So haben inzwischen zahlreiche Untersuchungen zur „politischen Religion“ der totalitären Regime (Nationalsozialismus, Stalinismus) gezeigt, dass auch im Zeitalter der Säkularisierung autoritäre politische Herrscher zum Zwecke der Legitimation auf religiöse Symbole und Praktiken zurückgegriffen haben. Religionsgeschichtliche Methoden und Fragestellungen sind also nicht auf den Bereich von Kirche und Frömmigkeit begrenzt, sondern können auch auf anderen Gebieten der historischen Forschung sinnvoll zum Einsatz kommen.

1.2 Institutionen

Was die institutionelle Ausprägung der geschichtswissenschaftlichen Religionsforschung betrifft, so ist eine umfassende Infrastruktur für den Bereich der Frühen Neuzeit nicht zu konstatieren, wohl aber für einzelne Themen. An erster Stelle ist der Verein für Reformationsgeschichte zu nennen, in dem Kirchen- und ReligionshistorikerInnen als auch Institutionen mit entsprechendem Themenschwerpunkt zusammenarbeiten und dessen Tätigkeit vorrangig in der Herausgabe von Publikationen und Buchreihen zur Reformation sowie in der Veranstaltung von Tagungen besteht. Die Reformation ist ferner auf der thematischen Website Historicum.net prominent mit einem eigenen Portal vertreten, das vom Institut für Geschichte der Karl-Franzens-Universität in Graz betrieben wird. Dort findet man unterschiedliche Perspektiven auf das Großereignis der beginnenden Frühen Neuzeit sowie eine Sammlung von Text- und Bildquellen und kommentierten weiterführenden Links. Für die deutsche Pietismusforschung ist vor allem das Interdisziplinäre Zentrum für Pietismusforschung in Halle von einschlägiger Bedeutung, an dem mehrere interdisziplinäre Projekte zur Geschichte des Pietismus sowie dessen Wirkung und Rezeption angesiedelt sind. Hinzuweisen ist des Weiteren auf die für die europäische Frühneuzeitforschung zentrale Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, deren reiche Bestände an Büchern, Bildern, Flugschriften und -blättern die Forschung immer wieder stimulieren. Darüber hinaus fördert die Herzog August Bibliothek mit Stipendien diverse Forschungsprojekte aus dem Bereich der Frühen Neuzeit sowie zahlreiche Digitalisierungsvorhaben.

Auch für den Bereich der Neueren und Neuesten Geschichte gibt es im Hinblick auf die Religionsgeschichte keine umfassend ausgebildete Institutionenlandschaft. Einzig für die zeitgeschichtliche Forschung lassen sich zwei Einrichtungen benennen, die mittlerweile seit Jahrzehnten im Zentrum zumindest der engeren Kirchen- und Religionsgeschichte der beiden großen christlichen Konfessionen stehen: Zum einen ist dies die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte mit Sitz in München sowie zum anderen die (katholische) Kommission für Zeitgeschichte in Bonn. Beide Institutionen haben wertvolle Aktenpublikationen, insbesondere zum Verhältnis der Kirchen zum NS-Staat, vorgelegt, aber auch darüber hinaus zahlreiche Forschungsaktivitäten angestoßen. Während die Geschichte der christlichen Kirchen im 19. und 20. Jahrhundert insgesamt als gut erforscht gelten darf, ist es um die nichtchristlichen Religionsgemeinschaften weniger gut bestellt. Im Hinblick auf das Judentum wäre jedoch auf das Simon-Dubnow-Institut in Leipzig sowie auf das Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien in Potsdam zu verweisen, für die Geschichte des Islam auf das Zentrum Moderner Orient in Berlin. Über die Geschichtswissenschaft und insbesondere über den europäischen Raum hinaus werden religionshistorische Fragestellungen zudem im Göttinger Max-Planck-Institut zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften erforscht. Hinzu treten größere, allerdings temporäre Forschungsverbünde wie der Exzellenzcluster „Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und der Moderne“ in Münster oder das Bochumer Käte Hamburger Kolleg „Dynamiken der Religionsgeschichte zwischen Asien und Europa“.

Was den Stand des digitalen Publizierens betrifft, so bleibt die geschichtswissenschaftliche Erforschung der europäischen Religionsgeschichte der Neuzeit hier hinter dem Stand des technisch Möglichen zurück. Zwar sind alle genannten Forschungseinrichtungen im Internet präsent und bieten ein reichhaltiges Informationsangebot zu ihren eigenen Forschungsprojekten. Die Ergebnisse dieser Forschungen werden jedoch meistens weiterhin in Form konventioneller Buchpublikationen vorgelegt.

2. Digitale Informationsressourcen und Medien zur europäischen Religionsgeschichte der Neuzeit

2.1 Recherche

Eine spezialisierte Suchmaschine für die europäische Religionsgeschichte der Neuzeit sucht man in der Web-Galaxis vergeblich. Deshalb muss man bei der Recherche etwas allgemeiner ansetzen. Zum einen ist es möglich, auf den Karlsruher Virtuellen Katalog (KVK) zurückzugreifen. Dieser Meta-Katalog vereinigt Suchmaschinen aus unterschiedlichen Staaten rund um den Globus und macht somit mehr als 500 Millionen Bücher, Zeitschriften und andere Medien auffindbar. Zu den Vorzügen dieser Datenbank gehört die Eigenschaft, dass sie neben diversen Bibliotheksverzeichnissen auch die Buchhandelskataloge aufzulisten vermag und somit eine breite Plattform für Literaturrecherchen aller Art zur Verfügung stellt. Religions- und kirchenhistorische Titel lassen sich zum anderen sehr gut über den Virtuellen Katalog Theologie und Kirche (VTHK) recherchieren. Hier sind nicht weniger als sieben Mio. Titel – darunter eine Mio. Aufsätze aus kirchlich-wissenschaftlichen Bibliotheken des deutschsprachigen Raumes – katalogisiert. Er durchsucht die Kataloge der wichtigsten Diözesan- und Landeskirchlichen Bibliotheken Deutschlands sowie einiger Sondersammlungen wie die Bestände des deutschen Augustinerordens oder die Bibliothek des Caritasverbandes in Freiburg.

Im Hinblick auf die Frühe Neuzeit sind zudem die reichhaltigen Angebote der Herzog August Bibliothek (HAB) im niedersächsischen Wolfenbüttel sowie der Forschungsbibliothek im thüringischen Gotha zu beachten. Dank ihrer fast 450 Jahre währenden Existenz bietet die HAB für Religionsgeschichtsforschende den Vorteil, dass sie neben neuerer gedruckter Literatur im internen OPAC-System auch interessante, partiell digitalisierte Quellenbestände erschließt. So kann man per Internet beispielsweise auf die Handschriftendatenbank oder auf eine stattliche Anzahl von Leichenpredigten, auf den Katalog der Wolfenbütteler Luther-Drucke mit verzeichneten 5.910 Exemplaren oder auf die hebräischen Drucke aus der Zeitspanne zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert zugreifen. Nicht zu vergessen sind die nach chronologischem Aspekt sortierten Verzeichnisse der im deutschen Sprachraum erschienenen Drucke (für das 16. Jahrhundert; für das 17. Jahrhundert). Inzwischen wurde das Projekt auch für das 18. Jahrhundert fortgeführt, wobei nicht nur die Katalogisierung, sondern auch eine komplette Digitalisierung aller Drucke aus dem 18. Jahrhundert in Angriff genommen wird. Einen ähnlichen wissenschaftlichen Status wie die Wolfenbütteler Bibliothek nimmt die Forschungsbibliothek in Gotha ein. Ihr Webangebot bietet Handschriften aus dem 16. bis zum 18. Jahrhundert, alte Drucke von 1501 bis 1850 sowie eine digitale Bibliothek an. Für die in Gotha besonders profilierte und sich digital sukzessive etablierende Protestantismus-Forschung ist insbesondere die Datenbank Pietistische Kommunikationsnetzwerke einschlägig.

Hinzuweisen ist des Weiteren auf das Mammutprojekt Zentrales Verzeichnis Digitalisierter Drucke (ZVDD), das die in Deutschland erstellten Digitalisate von Druckwerken vom 15. Jahrhundert bis in die Gegenwart hinein nachweist; augenblicklich umfasst der Index weit über eine Mio. Titel und wächst beständig weiter. Gibt man in die Suchmaske den Namen „Luther“ ein (eine zugegebenermaßen nicht besonders einfallsreiche Probe), erhält man zurzeit insgesamt rund siebentausend Ergebnisse. Davon sind nicht wenige direkt mit der frei zugänglichen digitalisierten Version des jeweiligen Schriftstücks verknüpft und ermöglichen ein sofortiges Studium. Von noch größerer Dimension als das ZVDD ist dem Anspruch nach die Datenbank The Universal Short Title Catalog (USTC), die auf eine Erfassung aller in Europa publizierten Bücher zwischen der Erfindung des Buchdrucks um die Mitte des 15. Jahrhunderts und dem Ende des 16. Jahrhunderts zielt. Eine Erwähnung verdient dieses transnationale Projekt nicht nur aufgrund seines Ausmaßes. Maßgeblich ist hier auch der Umstand, dass an seinem Anfang die später über sich selbst hinauswachsende Idee stand, eine Bibliographie aller französischen Bücher mit religiöser Thematik als einen Beitrag zur Erforschung des französischen Protestantismus aufzustellen. Bei der Eingabe des Lemmas „Religion“ können Religionsforschende mit insgesamt 2.486 Funden aus unterschiedlichen europäischen Regionen arbeiten.

Eine Ressource globalen Ausmaßes, die für die Geschichte der vormodernen katholischen Kirche von kaum zu überschätzendem Wert ist, stellt die Vatikanische Apostolische Bibliothek dar. Im Gegensatz zum Vatikanischen Geheimarchiv, dessen Webauftritt – verständlicherweise – keine Recherchemaske bereithält und sich auf die selbstbezogenen Grundinformationen beschränkt, wuchern hier geradezu die vielfältigen Möglichkeiten, die Bibliothek online zu nutzen. Die prachtvollen Räume der über Jahrhunderte hinweg angewachsenen Einrichtung beherbergen wie ein papiergewordenes Gedächtnis der Institution Kirche mehr als zwei Millionen Manuskripte, Alt-, Erstdrucke, Bücher, die Familienarchive wichtiger katholischer Potentaten (viele sind im elektronischen Katalog leider indes nicht erfasst!) sowie Münz- und Graphiksammlungen. Auch die Bibliotheca Apostolica Vaticana ist gegenwärtig bestrebt, in einem Langzeitunternehmen die wertvollen Bestände um ihres unbeschädigten Erhalts willen zu digitalisieren und im Netz zur Verfügung zu stellen.

Während im Bereich der Frühen Neuzeit die digitale Katalogisierung insofern weit vorangeschritten ist, findet man Vergleichbares – zumindest in Bezug auf die Religionsgeschichte – für das 19. und 20. Jahrhundert nicht. Über die Suchmöglichkeiten der großen Metakataloge (KVK; VTHK) ist es jedoch rasch möglich, sich einen Überblick über die zeitgenössisch publizierte einschlägige Literatur zu verschaffen. Hinzu kommt noch eine an der Universität Tübingen angesiedelte Datenbank IxTheo, ein Zeitschrifteninhaltsdienst für die benachbarten Bereiche der Theologie und Religionswissenschaft. Er erfasst mehr als 50.000 religionswissenschaftliche und theologische Aufsätze und macht dazu zum Beispiel auch die Dokumente der Deutschen Bischofskonferenz recherchierbar. Wer hingegen einen Überblick über aktuelle Forschungsarbeiten der letzten Jahre sucht, sollte die Internetplattformen der entsprechenden wissenschaftlichen Vereinigungen besuchen. So bietet beispielsweise die Kommission für Zeitgeschichte des deutschen Katholizismus eine Liste der Veröffentlichungen innerhalb ihrer wissenschaftlichen Reihe, das Gleiche gilt für die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte. Genannt werden sollte auch der Schwerter Arbeitskreis für Katholizismusforschung – ein loser Zusammenschluss von größtenteils jüngeren (Kirchen-)HistorikerInnen, die sich einmal jährlich in der Katholischen Akademie Schwerte zu einer Tagung treffen, auf der aktuelle Forschungsprojekte, zumeist Dissertationsprojekte, vorgestellt und diskutiert werden. Seit 2003 besteht mit dem Arbeitskreis Protestantismusforschung an der Evangelischen Akademie Thüringen ein entsprechendes Pendant auf evangelischer Seite.

Gute Recherchemöglichkeiten bieten obendrein die Online-Angebote der kirchlichen Archive in Deutschland. An erster Stelle wäre hier das Evangelische Zentralarchiv in Berlin zu nennen, welches die zentrale Überlieferung der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihrer Rechtsvorgänger sowie zahlreiche Nachlässe wichtiger evangelischer Persönlichkeiten aufbewahrt. Neben einem Überblick der dort gesammelten Archivalien lassen sich über den OPAC die Buch- und Zeitschriftenbestände des Sammelschwerpunktes Geschichte der evangelischen Kirche in Deutschland ab dem 19. Jahrhundert der Archiv-Bibliothek recherchieren, immerhin 80.000 Bände und etwa 3.000 Zeitschriften. Eine entsprechende zentrale Anlaufstelle für den Bereich der neueren Katholizismusforschung besteht – anders etwa als in Frankreich mit dem Centre national des archives de l’Église de France (CNAEF) – in Deutschland hingegen bislang nicht, da hier die Überlieferung auf die jeweiligen Diözesanarchive aufgeteilt ist. Die wichtigsten kirchlichen Archive auf katholischer Seite sind hier zweifellos das Historische Archiv der Erzdiözese Köln sowie das Archiv des Erzbistums München und Freising. Manche kirchliche Archive bieten zudem Spezialbibliographien zur Geschichte der eigenen Diözese (so das Diözesanarchiv Berlin) bzw. der eigenen Landeskirche (zum Beispiel das Landeskirchliche Archiv Kassel zur hessischen Kirchengeschichte). Spezialisierte Online-Kataloge bestehen überdies für einzelne Themen, wie beispielsweise den evangelischen Kirchenkampf oder auch für parapsychologische Grenzgebiete der Religion und Esoterik.

2.2 Kommunikation

Für die historische Religionsforschung wie für die Geschichtswissenschaft insgesamt bildet die E-Mail-Liste H-Soz-Kult nach wie vor das wichtigste Instrument der Internet-Kommunikation im deutschsprachigen Raum. Der E-Mail-Verteiler bietet allgemeine Informationen (Rezensionen, Tagungsprogramme, Jobangebote) aus allen Bereichen der Geschichtswissenschaft, darunter auch einiges zur (europäischen) Religionsgeschichte, ohne jedoch auf dieses Gebiet einen besonderen Schwerpunkt zu legen. Eine eigenständige deutschsprachige Mailingliste zur Religionsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts existiert hingegen nicht. Wer ein spezialisierteres Angebot sucht, sollte sich daher bei der US-amerikanischen Internetplattform H-Net: Humanities und Social Sciences umsehen. Im Gegensatz zu ihrer deutschen Tochter H-Soz-Kult bietet H-Net themenbezogene Unterforen. Für den Bereich der neueren Religions- und Kirchengeschichte sei hier insbesondere auf die Plattform H-AmRel für amerikanische Religionsgeschichte hingewiesen sowie auf die Geschichte einzelner Konfessionen thematisierende Networks wie zum Beispiel H-Catholic oder H-Judaistic. Letztere greifen in geographischer Hinsicht über Nordamerika hinaus und liefern auch zur europäischen Religionsgeschichte einiges Material, sodass es sich je nach Forschungsinteresse lohnen kann, sich hier zu registrieren. Gegenüber H-Soz-Kult sind die meisten Networks von H-Net außerdem offener für den persönlichen Austausch, sodass direkt mit den Kollegen diskutiert werden kann oder diese zu einzelnen Forschungsproblemen befragt werden können. H-Pietism, wo dem europäischen wie nordamerikanischen Pietismus und auch den durch den Pietismus weltweit beeinflussten Kirchen und Gemeinschaften Aufmerksamkeit gewidmet wird, bietet beispielsweise Call for Papers, Stellenausschreibungen mit dem entsprechenden thematischen Schwerpunkt, Hinweise auf stattfindende Veranstaltungen und veröffentlicht Rezensionen einschlägiger Literatur. Darüber hinaus unterhält die Plattform auch einen offenen Twitter-Account. Offensichtlich befindet sich die H-Pietism-Website jedoch wie viele Internetangebote noch im Aufbau, denn die Rubriken „Links“ oder auch „Blogs“ warten bislang immer noch auf die ersten Beiträge.

Neben den primär geschichtswissenschaftlichen Angeboten von H-Soz-Kult und H-Net sei für den Bereich der systematischen Religionswissenschaft auf die deutschsprachige Mailingliste Yggdrasil hingewiesen. Die nach einem altnordischen Mythos benannte und an der Universität Marburg angesiedelte Plattform bietet Ankündigungen, Ausschreibungen und Anfragen rund um die Themengebiete der allgemeinen und systematischen Religionswissenschaft. Ein Verzeichnis weiterer E-Mail-Listen aus verschiedenen europäischen Ländern aus dem Bereich der systematischen Religionswissenschaft bietet die Internetplattform der European Association for the Study of Religions.

Wer die wissenschaftlichen Arbeiten einzelner, meist jüngerer Forscherinnen und Forscher verfolgen möchte, ist gut beraten, die mehrsprachige Website hypotheses von Open Edition aufzusuchen[58], auf der wissenschaftliche Blogs zu einem breiten Spektrum unterschiedlicher Geschichtsthemen veröffentlicht werden. Um einen ersten Eindruck zu vermitteln, seien hier nur zwei willkürlich ausgewählte Arbeiten erwähnt: Isabelle Poutrin lotet in ihrem Projekt Pouvoir politique et Conversion Religieuse (Antiquité – période Moderne (POCRAM)) die Verflechtung zwischen Religion und Politik mit dem Kristallisationspunkt Konversion in einem Längsschnitt von mehreren hundert Jahren aus. Bruno Tolaini erforscht in seiner Dissertation Memoiren aus dem 16. Jahrhundert, wobei auch religionsgeschichtliche Fragen (beispielsweise die französischen Religionskriege) zur Sprache kommen. Weitere Blogs können im hypotheses-Katalog selbstständig ausfindig gemacht werden.

Schließlich finden sich im Internet – insbesondere im Bereich der Sozialen Medien – zahlreiche Foren zu Fragen von Religion und Weltanschauung, deren Seriosität sich meist nicht auf den ersten Blick erschließen lässt. Viele Blogs und Threads zu Fragen der Religionsgeschichte sind selbst religiös und weltanschaulich geprägt und weit davon entfernt, wissenschaftlichen Ansprüchen zu genügen. Seriöse Angebote lassen sich zumeist daran erkennen, dass sie von wissenschaftlichen Einrichtungen (Universitäten, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und wissenschaftlichen Vereinigungen) getragen werden und wertneutral über Fragen der Religionsgeschichte informieren. Nicht zuletzt aufgrund der nahezu omnipräsenten Erreichbarkeit von digitalen Angeboten im Internet tragen solche Kommunikationsplattformen, sofern sie denn verlässlich sind und entsprechend gepflegt werden, zur verstärkten Vernetzung und Globalisierung der scientific community bei.

2.3 Digitale Medien

Das wichtigste neuere Lexikon zur Geschichte der Neuzeit ist die 2012 abgeschlossene, 16 Bände und über 4.000 Artikel umfassende Enzyklopädie der Neuzeit – ihre digitale Zwillingsschwester Enzyklopädie der Neuzeit Online ist aus dem jeweiligen Bibliotheks- oder Universitätsnetz zugänglich. Dieses Werk stellt aufgrund seiner allgemeinen Ausrichtung und wissenschaftlichen Fundiertheit im Bereich der Religionsgeschichte eine ebenbürtige Ergänzung zu spezifisch kirchengeschichtlichen Nachschlagewerken dar und behandelt im Kern die vier Jahrhunderte zwischen 1450 und 1850. Dabei wird nicht nur die Ausdifferenzierung des einstmals einheitlich gedachten Christentums in Konfessionskirchen beschrieben, sondern auch religiöse Bewegungen innerhalb des Christentums; die nicht-christlichen Religionen werden ebenso vorgestellt. Besonders lesenswert ist die zusammenfassende Schlussbetrachtung zu Kirchen und religiöser Kultur des emeritierten Erlanger Theologen Walter Sparn. Die Nützlichkeit des Digitalen erweist sich hier nicht zuletzt darin, dass durch die interne Verlinkung der einzelnen Lemmata eine vertiefende Lektüre ermöglicht wird.

Aber auch einige der wichtigsten Enzyklopädien und Nachschlagewerke aus dem spezifischen Bereich der Religions- und Kirchengeschichte liegen inzwischen auf CD-ROM vor und sind in die Datenbanken der Universitätsbibliotheken eingespeist. Recherchieren lassen sie sich bequem über das Datenbank-Informationssystem DBIS bzw. über die Kataloge der einzelnen Bibliotheken. Empfehlenswert sind auf evangelischer Seite insbesondere das Nachschlagewerk Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG) sowie die Theologische Realenzyklopädie (TRE). Die wichtigste Enzyklopädie auf katholischer Seite, das Lexikon für Theologie und Kirche (LThK), ist hingegen in DBIS bislang nicht nachgewiesen. Als biographisches Lexikon wäre an erster Stelle das von dem evangelischen Theologen Traugott Bautz begründete Biographisch-Bibliographische Kirchenlexikon (BBKL) zu nennen, das bereits seit Längerem auch online zugänglich ist. Des Weiteren sind inzwischen auch einige Handbücher zur Kirchengeschichte als CD-ROM digitalisiert, wie etwa das katholische, von Hubert Jedin herausgegebene Handbuch zur Kirchengeschichte.

Die christlichen Theologien teilen sich ihren zentralen Text, der aber hinsichtlich seines enormen kulturellen Einflusses auch für die Kulturwissenschaften eine Rolle spielt: die Bibel[66]. Die Deutsche Bibelgesellschaft betreut auf einer vom Anspruch her ökumenischen Website in Form von Urtext- wie übersetzten Versionen unterschiedliche offizielle Online-Bibelausgaben über konfessionelle Grenzen hinweg. Dort kann man zuverlässig und auf wissenschaftlich hohem Niveau mit der Bibel arbeiten, rasch nach Bibelstellen suchen und sich mit diversen Zusatzinformationen und Hinweisen aus einem entstehenden Online-Bibelkommentar versorgen.

Von den Angeboten der HAB in Wolfenbüttel, der Forschungsbibliothek in Gotha und der Vatikanischen Apostolischen Bibliothek war bereits die Rede. Neben den bibliographischen Recherchemöglichkeiten auf der Website der Wolfenbütteler Bibliothek finden sich dort auch digitale editorische Unternehmungen. Zu nennen ist hier unter anderem die Kritische Gesamtausgabe der Schriften und Briefe Andreas Bodensteins von Karlstadt, eines der wichtigsten Denker der Reformation. Die durch die Pflege des Göttinger Kirchenhistorikers Thomas Kaufmann und seines Teams entstehende Edition präsentiert Transkriptionen von Bodensteins Werk, die man nach modernen Maßstäben mit dem Faksimile des jeweiligen Schriftstücks nach Belieben abgleichen kann. Einen anderen Weg geht das Münchener Digitalisierungszentrum (MDZ), das sich der Aufgabe widmet, im großen Stil die Bestände der Bayerischen Staatsbibliothek in München im Internet zur Verfügung zu stellen – allerdings nicht transkribiert und unter Verzicht auf einen wissenschaftlich-kritischen Editionsapparat. Derzeit beläuft sich die stetig anwachsende Anzahl der Münchner Digitalisate auf 1.148.988, wobei ein breites Spektrum an Quellen erfasst wird: Handschriften, alte Drucke oder Karten und Bilder. Eine abermalige Probe – diesmal mithilfe des Lemmas „christliche Theologie“ – ergab insgesamt 154.323 Nachweise, wobei die Suche durch unterschiedliche zusätzliche Schlagwörter verfeinert werden konnte. Für die religionshistorische Auseinandersetzung (aber auch für weitere Themenkreise) nahezu unentbehrlich ist das Textarchiv Early English Book Online (EEBO) von jenseits des Ärmelkanals, das nahezu alle zwischen 1473 und 1700 in England, Irland, Schottland, Wales und im britischen Nordamerika gedruckten Bücher verzeichnet und digitalisiert im Internet veröffentlicht. Eine kurze Recherche des Ausdrucks „faith“ bestätigt die Signifikanz dieser Datenbank für die Religionsgeschichte, denn sie liefert nicht weniger als rund achttausend Treffer in partiell sofort herunterladbaren Dokumenten – und zugleich einen Nachweis dafür, wie sehr die europäische Religionsgeschichte der Neuzeit von allgemeiner angelegten Erschließungsprojekten ohne einen alleinigen Fokus auf die Religion profitieren kann.

Aber auch im Hinblick auf die Religions- und Kirchengeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts bietet das Internet einfache Zugriffsmöglichkeiten auf wichtige Quellenbestände. Angefangen bei den Acta Sanctae Sedis (1865–1908) bzw. den Acta Apostolicae Sedis (seit 1909), den offiziellen Verlautbarungen des Heiligen Stuhls, bis hin zur CD-ROM-Edition der Denkschriften der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) aus den Jahren 1962–2002. Andere zentrale Quelleneditionen wie beispielsweise die Akten deutscher Bischöfe über die Lage der Kirche 1933–1945, welche die Kommission für Zeitgeschichte in den Jahren 1968–1985 vorgelegt hat, sind leider bis heute weder auf CD-ROM noch online verfügbar. Dies ist umso bedauerlicher, als gerade das Internet technische Möglichkeiten der Quellenedition bietet, die weit über das Medium Buch hinausgehen. Dies lässt sich exemplarisch an zwei jüngeren Editionsprojekten zu den Nuntiaturberichten aus der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus verdeutlichen. In einem aktuellen Editionsprojekt veröffentlicht das Deutsche Historische Institut in Rom in Kooperation mit der Kommission für Zeitgeschichte (Bonn) unter Leitung von Thomas Brechenmacher die Berichte des Apostolischen Nuntius Cesare Orsenigo aus Deutschland in den Jahren 1930 bis 1939. Bislang sind zwar erst die Jahre 1933 und 1934 freigeschaltet, die Aufbereitung der einzelnen Berichte durch Kommentare und Regesten sowie die detaillierten Suchmöglichkeiten sind jedoch vorbildlich. Das Gleiche gilt für das Parallelprojekt unter Leitung von Hubert Wolf, die, der Berichte des Vorgängers Orsenigos, Eugenio Pacelli‘s, des späteren Pius XII. aus den Jahren 1917–1929. Das Gleiche gilt für das Parallelprojekt unter Leitung von Hubert Wolf zur Kritischen Online-Edition der Nuntiaturberichte von 1917–1929 des Vorgängers Orsenigos, Eugenio Pacelli, des späteren Pius XII. Die durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft geförderte Edition der Pacelli-Berichte zeichnet sich zusätzlich dadurch aus, dass hier die Textgenese der Dokumente im Vergleich zwischen Entwurf und Ausfertigung über unterschiedliche Fenster nachvollziehbar wird. Die jeweiligen Handschriften der Bearbeiter werden des Weiteren farblich unterschieden, sodass hier der Redaktionsprozess eines Schriftstückes bis in die Wortwahl hinein für den Nutzer rekonstruierbar ist. In der philologischen Aufbereitung stehen beide Projekte der klassischen Buchedition keineswegs nach, sondern bieten im Gegenteil Recherche- und Darstellungsmöglichkeiten, die Schule machen sollten.

3. Zusammenfassung

Der Ausdruck „Religion“ ist bekanntermaßen ein Kollektivsingular. Dieser simple sprachliche Befund suggeriert die Vorstellung einer Einheitlichkeit des Phänomens trotz aller empirischen Varianz. Doch diese in der Zeit um 1800 – der „Epoche der Singularisierungen“ (Albrecht Koschorke) – geprägte Einheitsvorstellung ist auf eine dreifache Art und Weise irreführend: Erstens zeigen gerade die von der normativ-theologischen Prägung der konfessionellen Kirchenhistoriographie emanzipierten Forschungen, wie vielfältig und plural Religiosität im Laufe des letzten halben Jahrtausends wahrgenommen und gelebt wurde. Dann ist aber die zweifelnde Frage, was denn das religiöse Leben eines protestantischen Hochadeligen des 17. Jahrhunderts mit den Lebenswelten des damaligen osteuropäischen Judentums gemein habe, sodass man von einem universalen Religionsbegriff ausgehen könne, nicht so leicht von der Hand zu weisen. Zweitens fällt ins Gewicht, dass sich in den jeweiligen Lebenswelten der Vormoderne und der Moderne trotz vieler Beharrlichkeiten fundamental unterschiedliche Formen des Religiösen entwickelt haben, die in ein vereinheitlichendes Schema kaum hineinpassen und unterschiedlicher wissenschaftlicher Zugänge und Fragestellungen bedürfen. Die europäische Religionsgeschichte der Neuzeit lässt sich dementsprechend nicht als ein einheitliches statisches Kontinuum, sondern vielmehr als ein dynamischer Transformationsprozess begreifen. Und drittens und letztens offenbart sich die phänomenale Variabilität des Religiösen in einer Art religionsdefinitorischer Unschärferelation: Je genauer eine „Religion“ als Basis für die religionswissenschaftliche Begriffsbildung in den Blick genommen wird, desto stärker verschwimmen die Konturen der anderen. Auch das hier ausschnitthaft präsentierte Angebot an digitalen Medien auf dem Gebiet der neueren europäischen Religionsgeschichte offenbart vor allem die Bandbreite religiöser Phänomen, aber auch zugleich die Prädominanz von Forschungsansätzen, die sich nur mit einer „Religion“, wenn nicht gar mit einer „Konfession“ beschäftigen.

Schaut man nun auf das religionsgeschichtliche Angebot im Internet als Ganzes, so wie es sich aktuell darstellt, so kommt man zu folgendem Fazit: Einerseits ermöglicht der flexible Kommunikationsraum des Internets den Religionsforschenden globale Verflechtung und intensiven internationalen Austausch; der Zugang zu bestimmten Quellen(-Gruppen) wird erleichtert und die Literaturrecherche in unzähligen Bibliotheken und Archiven der Welt unterstützt. Andererseits ist jedoch festzuhalten, dass die religionsgeschichtliche Forschung im engeren Sinne nur langsam im Internet Einzug hält und sich dessen Möglichkeiten bedient. Gleichwohl stehen den religionsgeschichtlich Interessierten Webpräsenzen und -angebote zur Verfügung, die zwar nicht religionsspezifisch sind, aufgrund ihrer großen inhaltlichen Breite aber nichtsdestoweniger eine gute Ausgangsbasis für die neuzeitliche Religionsforschung bereitstellen.

Ein Problem stellt sicherlich die Tatsache dar, dass es bislang für die Religionshistoriographie keine Meta- und „Wegweiser“-Website auf nationaler oder transnationaler Ebene gibt, die den Versuch unternähme, die differenten thematischen Stränge und Angebote auf diesem Gebiet übersichtlich und an einem Ort zu bündeln. Doch dieser Mangel dürfte wohl auch aus anderen Forschungsfeldern bekannt sein und somit keinen spezifisch religionsgeschichtlichen Rückstand markieren.

Das Angebot der digitalen Medien auf dem Gebiet der europäischen Religionsgeschichte der Neuzeit ist also zweifelsohne bunt und gewichtig, aber eben auch voller Lücken. Gleichwohl erlaubt es die Bearbeitung und Weiterentwicklung einer Forschungsrichtung, die es auch außerhalb der virtuellen Welt des Internets als eigenständige Subdisziplin der Geschichtswissenschaft eigentlich (noch) nicht gibt.

Literaturhinweise

Blaschke, Olaf (Hrsg.), Konfessionen im Konflikt. Deutschland zwischen 1800 und 1970: Ein zweites konfessionelles Zeitalter?, Göttingen 2002.
Eßbach, Wolfgang, Religionssoziologie. Glaubenskrieg und Revolution als Wiege neuer Religionen, Paderborn 2014.
Kippenberg, Hans G., Die Entdeckung der Religionsgeschichte. Religionswissenschaft und Moderne, München 1997.
Kippenberg, Hans G.; Rüpke, Jörg; von Stuckrad, Kocku (Hrsg.), Europäische Religionsgeschichte. Ein mehrfacher Pluralismus, 2 Bde., Göttingen 2009.
Neugebauer-Wölk, Monika, Zur Konstituierung historischer Religionsforschung 1974–2004, http://www.zeitenblicke.de/2006/1/Einleitung.
Pollack, Detlef; Rosta, Gergely, Religion in der Moderne. Ein internationaler Vergleich, Frankfurt am Main 2015.
Ziemann, Benjamin, Sozialgeschichte der Religion, Frankfurt am Main u.a. 2009.

Fußnoten

  1. [58] http://de.hypotheses.org, http://en.hypotheses.org
  2. [66] http://www.die-bibel.de/startseite, http://www.bibelwissenschaft.de/de/startseite

Zitation: Klaus Große-Kracht / Vít Kortus, Europäische Religionsgeschichte der Neuzeit, in: Clio Guide – Ein Handbuch zu digitalen Ressourcen für die Geschichtswissenschaften, Hrsg. von Laura Busse, Wilfried Enderle, Rüdiger Hohls, Thomas Meyer, Jens Prellwitz, Annette Schuhmann, 2. erw. und aktualisierte Aufl., Berlin 2018 (=Historisches Forum, Bd. 23),  S. E.8-1 – E.8-23, DOI: 10.18452/19244.


Für Clio-online verfasst von:

Klaus Große Kracht / vit Kortus

PD Dr. Klaus Große Kracht ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Exzellenzclusters „Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und der Moderne“ an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.Vít Kortus, M.A. ist Doktorand im Exzellenzcluster „Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und der Moderne“ an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.