Moderne Stadtgeschichte

1. Einleitung

Urbanisierung und Stadtwachstum gewinnen heute weltweit stark an Relevanz und Aufmerksamkeit, gelten sie doch als zentrale soziale Prozesse innerhalb der globalen gesellschaftlichen Entwicklung der Gegenwart und Zukunft. Vor diesem Hintergrund hat in den letzten Jahrzehnten zunächst in Großbritannien und bald darauf in Frankreich, Deutschland und anderen europäischen Ländern auch das Interesse an der Geschichte von Städten und der verstädterten Gesellschaften im Industriezeitalter ein wachsendes Interesse gefunden. Einem viel benutztem Diktum zufolge werden dabei Städte sowohl als Bühne übergreifender politischer und sozialkultureller Prozesse als auch als Akteure untersucht und vor allem wegen ihrer „Bühnenfunktion“ auch in allgemeineren Geschichtsdarstellungen stark beachtet.

Die moderne Stadtgeschichtsforschung bewegt sich im Spannungsfeld von Urbanisierungs- und Kommunalgeschichte, Grundlagenforschung und Anwendungsbezügen, internationalen und interdisziplinären Orientierungen. Die verschiedenen Blickwinkel kreuzen und überlagern sich heute innerhalb der Zeitspanne von der Frühen Neuzeit zur Zeitgeschichte vielfach. Dabei sind subdisziplinäre Schwerpunktsetzungen und Abgrenzungen erkennbar, die die Forschungslandschaft nachhaltig prägen. So hat sich die moderne Stadtgeschichtsforschung seit den 1960er- Jahren bewusst von der bis dahin vorherrschenden Konzentration auf ältere historische Perioden, wie etwa das Mittelalter sowie auf traditionell angelegte Stadtbiografien entfernt und stärker der Urbanisierung des 19. und 20. Jahrhunderts sowie neueren sozial- und kulturwissenschaftlichen Ansätzen angenähert.

Diese Forschungsorientierung kann in mehrfacher Hinsicht an die konzeptionellen Anfänge der stadthistorischen Forschung als geschichts- und sozialwissenschaftlicher Teildisziplin im späten 19. Jahrhundert anknüpfen. Damals erschienen die ersten Arbeiten insbesondere zur städtischen Rechts-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, zu der Max Weber und Werner Sombart bahnbrechende Arbeiten beisteuerten. Beide räumten der europäischen bzw. der Industriestadt einen prominenten Platz in ihren Theorie-Entwürfen ein. Heute ist die historische Stadtforschung von drei übergreifenden Trends gekennzeichnet, die auch im Fokus dieses Online-Guide stehen: Von einer internationalen – vor allem europäischen – Vernetzung und Diskussionskultur, von neueren Fragestellungen etwa zur städtischen Medien-, Gender- und Umweltgeschichte sowie von einer engen interdisziplinären Zusammenarbeit insbesondere mit der planungsgeschichtlichen, aber auch der stadtsoziologischen und -ethnografischen Forschung. Einen Einstieg in die neueren Diskussionen und Positionen der deutschsprachigen Forschung bieten die Website, Veröffentlichungen und Positionspapiere der Gesellschaft für Stadtgeschichte und Urbanisierungsforschung (GSU) sowie der Zeitschrift Informationen zur modernen Stadtgeschichte (IMS).

In diesem Online-Guide wird vorrangig auf die moderne geschichtswissenschaftliche Forschung zur Stadtgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts in ihren europäischen Bezügen und Verflechtungen eingegangen. Die planungs- und baugeschichtlichen Perspektiven der Nachbardisziplinen werden dabei stärker, die Forschung zu älteren historischen Epochen hingegen nur punktuell einbezogen.

1.1 Definition und Diskussion des Themenbereichs

Institutionelle Infrastruktur

Die moderne Stadtgeschichtsforschung führt inzwischen ein intensive online basierte Fachdiskussion, doch stecken die Bereitstellung elektronischer Ressourcen und vor allem die Nutzung neuer Formate, wie zum Beispiel Blogs, noch in den Kinderschuhen. Zwar werden wichtige Debatten insbesondere in Mailinglisten online geführt und Tagungen, Rezensionen usw. in einschlägigen Foren veröffentlicht. Doch beschränken sich die führenden Fachverbände, Forschungszentren und Zeitschriften bei ihren Webangeboten noch weitgehend auf die Selbstdarstellung und die Bekanntmachung analoger Produkte. Bisher werden nur im Einzelfall bereits schon Online-Ressourcen und Recherchetools für die Forschung bereitgestellt. Entsprechend der oben kurz angerissenen engen Verschränkung von Stadt- und allgemeiner Geschichtsforschung sind viele stadthistorische Inhalte auch in themenübergreifenden Websites, Portalen und Zeitschriften präsent, von denen daher die wichtigsten in die folgende Übersicht einbezogen werden.

Die institutionelle Infrastruktur des Fachs wird im Wesentlichen getragen von den drei Säulen der Fachverbände, Universitätsinstitute und Lehrstühle sowie der außeruniversitären Forschungszentren. Als wichtigste Verbände sind die schon erwähnte Gesellschaft für Stadtgeschichte und Urbanisierungsforschung (GSU) zu nennen, in der die geschichtswissenschaftliche und planungshistorische Forschung organisiert ist sowie der südwestdeutsche Arbeitskreis für Stadtgeschichte, der einen Schwerpunkt auf die Frühe Neuzeit setzt. Die im Forum Stadt zusammengeschlossenen, vorwiegend städtebauhistorisch orientierten Forscher bearbeiten in Partnerschaft mit Stadtverwaltungen Fragen im Schnittpunkt von Forschung und Kommunalpolitik. In den europäischen Nachbarländern arbeiten ähnliche Fachgesellschaften wie der Österreichische Arbeitskreis für Stadtgeschichtsforschung, die französische Société Francaise d´Histoire Urbaine sowie die italienische Associazione italiana di Storia Urbana. Die englischen StadthistorikerInnen sind als Urban history group lockerer organisiert. Die European Association for Urban History (EAUH) sowie die amerikanische Urban History Association (UHA) als die beiden wohl größten Vereinigungen führen, ebenso wie die zuvor genannten Gesellschaften, periodisch große Konferenzen durch, auf denen neue Forschungsergebnisse und Trends diskutiert werden. Eine schon traditionsreiche internationale Vereinigung ist die International Commission for the History of Towns/Internationale Kommission für Städtegeschichte/Commission Internationale pour l’histoire de Villes (ICHT/CIHV/IKSG), die einen Schwerpunkt auf die älteren Perioden und auf die Erarbeitung von historischen Atlanten, Quellenverzeichnissen, Bibliografien usw. legt. Sie gibt auch einen jährlichen Newsletter heraus und ist als Mitglied des Comité International de Sciences Historiques an großen, im Fünf-Jahres-Rhythmus stattfindenden Konferenzen beteiligt.

Die universitäre Stadtgeschichtsforschung hat sich in Deutschland in den letzten Jahren über einen Generationenwechsel hinweg konsolidieren können. Mit dem Center for Metropolitan Studies (CMS) arbeitet an der Technischen Universität Berlin seit gut zehn Jahren ein interdisziplinär und international orientiertes Forschungszentrum, das die dort schon länger betriebene Stadtgeschichtsforschung in erweiterter institutioneller Form fortsetzt. Es führt unter anderem transatlantische Graduiertenkollegs durch und organisiert verschiedene Veranstaltungsreihen und Publikationen zur Metropolenforschung. Auch an der Technischen Universität Darmstadt bildet die stadthistorische Forschung einen Eckpfeiler des interdisziplinären Forschungsschwerpunkts Stadtforschung, in dem zahlreiche Einzelprojekte bearbeitet, Konferenzen veranstaltet und Publikationen herausgegeben werden. Eine der jüngeren Gründungen der modernen Stadtforschung ist das Georg-Simmel-Zentrum für Metropolenforschung (GSZ) der Humboldt-Universität zu Berlin, das geistes- und sozialwissenschaftliche mit naturwissenschaftlichen Stadtforschungen integriert und unter anderem einen Newsletter publiziert.

Weitere Zentren der Stadtgeschichtsforschung in Deutschland sind die Forschungsstelle für Zeitgeschichte (FZH), ein an der Hamburger Universität angelagertes Forschungsinstitut zur Geschichte Hamburgs und Norddeutschlands im 20. Jahrhundert, das mehrere Publikationsreihen herausgibt. Auch in dem in Berlin beheimateten Centre Marc Bloch, einem sozial- und geschichtswissenschaftlich ausgerichteten, zum Teil vom französischen Staat finanzierten Institut werden viele Projekte zur Geschichte und Gegenwart von Städten in europäischer Perspektive durchgeführt. Einen besonderen Schwerpunkt auf die ältere Stadtgeschichte legt das Institut für vergleichende Städtegeschichte an der Universität Münster, das auf eine lange Tradition interdisziplinärer Stadtgeschichtsforschung zurückblickt.

Zunehmend an Bedeutung gewinnen auch in der Stadtgeschichtsforschung die außeruniversitären Forschungseinrichtungen, zu deren zentralen Aufgaben die Bereitstellung von Forschungsinfrastrukturen und damit auch von Online-Angeboten zählt. So führen, im Rahmen ihres weiter gesteckten Aufgabengebiets, etwa das Institut für Europäische Geschichte in Mainz, das Herder-Institut Marburg, das der historischen Geographie verpflichtete Leibniz-Institut für Länderkunde sowie das Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung auch stadtgeschichtliche Forschungsprojekte durch und stellen Ressourcen online bereit. Dies gilt in ähnlicher Weise für das Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO) sowie das Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) in Erkner bei Berlin.

Wichtige Institutionen sind auch die auf der Ebene der Bundesländer forschenden Historischen Kommissionen, von denen hier stellvertretend die Historische Kommission zu Berlin genannt sei. Auch einschlägige Kommissionen bei Akademien der Wissenschaft sind zu erwähnen wie die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften oder das bei der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften im Rahmen eines größeren Forschungsvorhabens erstellte Datenportal zur Berliner Klassik. Nicht zu vergessen sind auch die Deutschen Historischen Institute im Ausland (unter anderem DHI Washington, Paris, Rom, Warschau, Moskau), die immer wieder auch stadthistorische Forschungsprojekte durchführen oder fördern und einschlägige Informationen – zum Beispiel zum transatlantischen Ideentransfer in der Stadtplanung oder Ego-Dokumenten von städtischen Armen – bieten. Die wichtigsten der von diesen Einrichtungen angebotenen Online-Angebote werden unten aufgeführt.

Zu den institutionellen „Stützpunkten“ der modernen Stadtgeschichtsforschung in Deutschland zählen, neben den bisher genannten Instituten, auch einzelne Lehrstühle und Professuren. Dazu gehören insbesondere jene von Dieter Schott (TU Darmstadt), Clemens Zimmermann (Univ. Saarbrücken), Friedrich Lenger (Univ. Gießen), Gisela Mettele (Univ. Jena), Martina Hessler (Helmut-Schmidt-Univ. Hamburg), Dorothee Brantz (TU Berlin) sowie Clemens Wischermann (Univ. Konstanz). Auch Martin Baumeister (Univ. München, derzeit DHI Rom), Rainer Liedtke (Univ. Regensburg) sowie Thomas Bohn (Univ. Gießen), die Akzente für die süd- bzw. osteuropäische Stadtgeschichtsforschung setzen sowie Michael Wildt und Thomas Mergel an der Humboldt-Universität zu Berlin zählen dazu. Für die Stadtgeschichtsforschung der frühen Neuzeit steht insbesondere Susanne Rau (Universität Erfurt).

Als in Europa führende Forschungseinrichtung ist das Center for Urban History in Leicester zu bezeichnen, das einen regelmäßig erscheinenden Newsletter betreibt und unter anderem Vorlesungen prominenter StadthistorikerInnen zum Herunterladen anbietet. Weitere wichtige europäische Zentren, mit einem teilweise ebenfalls umfangreichen Online-Angebot, sind die Centers for Urban History in Antwerpen, Stockholm, Lviv (Ukraine) sowie das Londoner Centre for Metropolitan History.

Herausragende Websites und digitale Publikationen

Wie oben angedeutet ist das digitale Publizieren in der modernen Stadtgeschichtsforschung noch nicht sehr weit fortgeschritten. Allerdings besteht mit dem Portal h-urban eine wichtige englischsprachige Plattform, auf der unter anderem Rezensionen, Lehrmaterialien und Veröffentlichungen der gleichnamigen Mailinglist h-urban präsentiert und laufend archiviert werden. Die namensgebende Mailingliste h-urban hat selbst schon eine gewisse historische Bedeutung erlangt, ging sie doch am 25. Februar 1993 als erste Liste des heute weltumspannenden h-net überhaupt online.[54] Die einzelnen Angebote dieser und anderer Portale und Listen werden unten genauer vorgestellt.

In Deutschland bieten die Websites der Gesellschaft für Stadtgeschichte und Urbanisierungsforschung GSU sowie von deren Sektion Planungsgeschichte laufend aktualisierte Informationen über wichtige Aktivitäten und kommende Veranstaltungen. Zu den längerfristig angelegten, im engeren Sinne stadtgeschichtlichen Publikationsvorhaben zählen vor allem die vom Institut für vergleichende Städtegeschichte in Münster über viele Jahre hinweg verfolgten Projekte des Deutschen Städteatlas, der laufenden Bibliographie zu Neuerscheinungen der Städtegeschichte sowie der – analogen – Buchreihe Städteforschung. Die von der GSU herausgegebenen Beiträge zur Stadtgeschichte und Urbanisierungsforschung bilden die zweite in Deutschland publizierte Reihe dieser Art.

Dass zu den wichtigsten elektronischen Medien für stadtgeschichtliche Forschungsergebnisse auch übergreifende zeitgeschichtliche Periodika zählen, belegt die vielfache enge Vernetzung der historischen Stadtforschung mit dem Mainstream der historiographischen Zunft. In diesem Sinne sind thematisch breiter angelegte Portale wie Zeitgeschichte online und Periodika wie Archiv für Sozialgeschichte auch von der Stadtgeschichtsforschung gern genutzte Podien.

2. Digitale Informationsressourcen

2.1 Recherche

Portale

Das Portal des Center for Urban History in Leicester bietet einen guten Überblick über die englischsprachige Forschung, über digitale Ressourcen im Netz wie zum Beispiel Online-Archive, Stadtgeschichten usw. Im deutschen Sprachraum ist das Portal Städtegeschichte.de des Instituts für vergleichende Städtegeschichte in Münster am stärksten ausgebaut. Es präsentiert unter anderem einführende Texte in verschiedene Themenfelder, wie zum Beispiel die Geschichte der europäischen Stadt, Stadtkarten und -atlanten. Auch das Herder-Institut Marburg bietet, insbesondere zu osteuropäischen Städten, zahlreiche Angebote wie zum Beispiel digitalisierte Bildquellen, Listen von Stadtplänen usw.

Erst am Beginn steht die Online-Präsentation von Audio-Quellen zur Stadtgeschichte, die in Oral History-Projekten gewonnen wurden und zum Beispiel von der Hamburger Forschungsstelle für Zeitgeschichte und dem Center for Urban History in Leicester zugänglich gemacht werden. Eine rasch anwachsende Zahl von stadthistorischen Recherchetools und Quellen – insbesondere Bildquellen – wird laufend in die großen Datenbanken der Deutschen Digitalen Bibliothek sowie Europeana eingestellt. Für die Lehre stellt das Portal der h-urban-Liste fachdidaktisches Material, wie zum Beispiel englischsprachige Seminarkonzepte (Syllabi[70]) und weitere „teaching tools“ zur Verfügung. Ähnliche Materialien und zahlreiche weitere Informationen zur französischsprachigen Forschung, wie zum Beispiel Veranstaltungsprogramme und Rezensionen, stellt das Portal der Société Francaise d´Histoire Urbaine online bereit. Das Portal der britischen Urban History Group bietet eine Reihe von Videolectures zu zentralen Themen und Fragen der Stadtgeschichtsforschung. Gerade für transnational angelegte stadthistorische Forschungen bietet das rasch wachsende perspectiva.net der Max-Weber-Stiftung wertvolle Quellen und andere Ressourcen.

Fachbibliographien/Bibliothekskataloge/Webkataloge/Suchmaschinen

Die wichtigste übergreifende Fachbibliographie zur deutschen stadthistorischen Literatur wird vom Institut für vergleichende Städteforschung in Münster erstellt und fortlaufend auch jahrgangsweise online präsentiert. Weitere, ähnliche Bibliographien, wie sie früher in der Zeitschrift „Informationen zur modernen Stadtgeschichte“ oder der Senatsbibliothek Berlin geführt wurden, sind schon seit längerem eingestellt oder in übergreifenden elektronischen Verbundkatalogen wie dem Berliner KOBV aufgegangen. Allerdings ist dabei der Nachweis von einzelnen Aufsätzen auf der Strecke geblieben. Diesen Mangel können in gewissem Sinne die von allen deutschen Bundesländern fortlaufend geführten Landesbibliographien, kompensieren, die – wenn auch mit zeitlicher Verzögerung – Aufsätze zu Themen der Stadtgeschichte erfassen und recherchierbar machen.

Eine spezifische Suchmaschine für die stadthistorische Forschung existiert nur in dem sehr begrenzten Rahmen der Mediensuche in den Datenbanken des Instituts für vergleichende Städtegeschichte in Münster. Eine gewisse Abhilfe schaffen hier gut gepflegte Link-Listen, wie zum Beispiel die der GSU, oder, für die stärker gegenwartsorientierte Stadtforschung, die des Deutschen Instituts für Urbanistik (DIFU).

Auch Datenbanken für die gegenwartsbezogene raum-, wohnungs- und planungswissenschaftliche Forschung, wie zum Beispiel RSWB und Orlis können von Nutzen für stadthistorische Studien sein. Teilweise sind diese allerdings nur gegen Gebühr oder in Bibliotheken wie etwa der Senatsbibliothek Berlin vor Ort zugänglich, deren Kataloge zugleich hervorragende Instrumente auch für das Bibliografieren stadtgeschichtlicher Titel sind.

Archive und Museen

Das Angebot an digitalen Ressourcen ist in einigen Stadtarchiven stärker präsent als in anderen Bereichen der Stadtgeschichte. So stellen zum Beispiel die Stadtarchive Karlsruhe, Köln, Prag und weitere Stadtarchive über die Beständeverzeichnisse hinaus auch Chroniken, Publikationen, Bildquellen und weitere Ressourcen online zur Verfügung. Für die Architekturgeschichte bietet die Website der Föderation deutscher Architektursammlungen einen guten Einstieg, da sie die Websites der Föderation angehörenden regionalen Sammlungen in Deutschland und darüber hinaus nachweist.

Zu besonders großen Anbietern von Online-Ressourcen für die Stadtgeschichte sind in letzter Zeit einige Museen bzw. deren Archive aufgestiegen. So haben die Archive der Leibniz-Gemeinschaft unter Führung des Deutschen Museums große Digitalisierungsprogramme durchgeführt, mit denen zum Beispiel historische Karten und Pläne digitalisiert und online aufrufbar wurden (DigiPEER). Daher sind inzwischen Orte und Planungen für Teile des Ruhrgebiets sowie für ostdeutsche Städte, insbesondere für die DDR-Zeit, online gut erforschbar. Eine Liste der Stadt- bzw. Kommunalarchive in Deutschland und darüber hinaus bietet, mit Links zu den Einzelarchiven, die Website der Archivschule Marburg.

Auch einzelne Museen, wie zum Beispiel das Architekturmuseum der TU Berlin, haben bereits große Teile Ihrer Bestände benutzerfreundlich aufbereitet und online gestellt. Ebenfalls Online-Ressourcen präsentiert das Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main, das auch das Archiv der Stadt Frankfurt betreut, eigene Forschungsprojekte zur Stadtgeschichte durchführt und zahlreiche Veranstaltungen und Publikationen organisiert.

2.2 Kommunikation

Kommunikationsdienste und Zeitschriften

Der wichtigste elektronische Kommunikationsdienst für die moderne Stadtgeschichte ist zweifellos die schon oben erwähnte mailing-list h-urban. Hier werden, mit einem gewissen Schwerpunkt auf der US-amerikanischen Forschung, unter anderem Call for papers, Veranstaltungsprogramme, Ausschreibungen, Konferenzberichte sowie auf einem eigenen Portal Rezensionen und Lehrmaterialien bereitgestellt. Das Center for Urban History der Universität Leicester erstellt einen monatlichen Newsletter, der einen guten Überblick über wichtige Ereignisse in der englischsprachigen Community – insbesondere in Großbritannien, aber auch darüber hinaus –, bietet. Einen jährlichen Newsletter mit einem Schwerpunkt auf der internationalen Stadtgeschichte der Frühen Neuzeit publiziert – dreisprachig! – die International Commission for the History of Towns.

Auch die „Schwesterseiten“ der h-urban, H-Soz-Kult mit ihrem deutlich breiteren Themenspektrum und H-Environment für die umweltgeschichtlichen Themen sind von zentraler Bedeutung für die stadthistorische Forschung. Als Beispiel für eine der neuen, Internet-basierten Publikations- und Kommunikationsformen in der stadthistorischen Diskussion sei exemplarisch das im Sommer 2006 in H-Soz-Kult publizierte Forum zum Thema: Das Ende der Urbanisierung? Wandelnde Perspektiven auf die Stadt, ihre Geschichte und Erforschung.

Die moderne Stadtgeschichtsforschung kann sich darüber hinaus auf ein breites Netz an Fachzeitschriften stützen. Als im engeren Sinne frei zugängliche elektronische Publikationen können allerdings nur die erst seit einigen Jahren erscheinenden Periodika Sozial.Geschichte Online und suburban bezeichnet werden, die stadthistorische Aufsätze innerhalb breiter angelegter sozialgeschichtlicher bzw. stadtpolitischer Konzepte präsentieren. Ähnliches gilt für die Zeitschriften Zeithistorische Forschungen, Europa Regional und Kunsttexte, die wichtige Podien für Beiträge mit zeit-, raum- und architekturgeschichtlicher Akzentuierung sind.

Die wichtigsten, im Folgenden aufgeführten Fachzeitschriften werden in der Mehrzahl nur gedruckt im Volltext vertrieben. Sie weisen im Regelfall im Internet die Inhaltsverzeichnisse und im Einzelfall auch einmal den Text älterer Ausgaben nach. Die englischsprachigen Zeitschriften sind hier deutlich weiter, bieten sie doch auch den zahlungspflichtigen Bezug im PDF-Format an. Unter den deutschsprachigen Periodika zu nennen sind insbesondere die schon erwähnten, halbjährlich erscheinenden Informationen zur modernen Stadtgeschichte (IMS) mit wechselnden Themenschwerpunkten. Projekt- und Tagungsberichte sowie Konferenzkalender geben einen Überblick über aktuelle Forschungsdebatten und -aktivitäten. Das Forum Stadt (ZSSD) als die andere der beiden in Deutschland erscheinenden stadthistorischen Zeitschriften legt einen Schwerpunkt auf die disziplinübergreifende Planungs- und Städtebaugeschichte und verfügt über einen Rezensionsteil zu wichtigen Neuerscheinungen. Hinzu kommen die einmal pro Jahr erscheinende österreichische Zeitschrift Pro Civitate Austriae sowie stärker spezialisierte Zeitschriften wie das Jahrbuch für Stadterneuerung, in dem historische Forschungen und praxisbezogene Informationen für Denkmalpflege, Stadtumbau usw. versammelt sind. Weitere wichtige Periodika für stadtgeschichtliche Forschungen sind Zeitschriften mit regionalem Fokus, von denen exemplarisch das Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Osteuropas, das Jahrbuch für Regionalgeschichte, Geschichte im Westen sowie das auf das Ruhrgebiet spezialisierte Forum Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur genannt seien.

Für die in der Stadtgeschichtsforschung inzwischen weitgehend selbstverständliche Orientierung an dem internationalen Forschungsstand ist für den englischen Sprachraum die vier Mal pro Jahr in Leicester/GB erscheinende Urban History zu nennen, die mit einem breiten Aufsatzteil, Rezensionsdienst und einer Jahresbibliografie das Thema epochenübergreifend bearbeitet. Während die Urban History stärker an der europäischen und insbesondere britischen Forschung orientiert ist, dokumentiert das sechs Mal pro Jahr erscheinende Journal of Urban History vorrangig die nordamerikanische Forschung. Neben regelmäßigen Review-Essays bietet es immer wieder Sonderhefte zu ausgewählten Themenschwerpunkten. Einen stärker franco-kanadischen Akzent hat die halbjährlich erscheinende Urban History Review/Revue d’Histoire Urbaine mit Beiträgen in Französisch und Englisch. Für die internationale Planungsgeschichte sind zudem die Planning Perspectives ein wichtiges Forum.

Im französischen Sprachraum bietet den besten Überblick die disziplin- und epochenübergreifend angelegte und auf wissenschaftliche Aufsätze konzentrierte Histoire Urbaine, die seit dem Jahr 2000 dreimal jährlich erscheint. Ebenfalls disziplinübergreifend mit einer stärkeren Ausrichtung auf Gegenwarts- und zum Teil Anwendungsbezüge berichten die Annales de la recherche urbaine. In Italien ist die Zeitschrift Storia Urbana die einschlägige Fachzeitschrift, doch enthält auch die Contemporanea immer wieder Artikel zur Stadtgeschichte.

3. Ausblick

Die moderne Stadtgeschichtsforschung zählt sicher nicht zu den Vorreitern der Nutzung neuer, Internet-gestützter Kommunikationsformen. So wird zum Beispiel die Suche nach online gestellten Quellensammlungen oder Vorlesungen immer noch eine geringe, wenn auch zunehmende Zahl von Treffern erzielen. Immerhin sind, nachdem der bis in die 1990er-Jahre hinein vorherrschende Einsatz der EDV im Rahmen quantifizierender Untersuchungen stark zurückgegangen ist – der derzeit vielleicht vor einer Renaissance steht – , die etablierten Printmedien und Forschungszentren gut im Internet präsentiert und erleichtern den Einstieg in die stadtgeschichtliche Forschung. Die außerordentlich gute Vernetzung der Forscher auf europäischer Ebene schlägt sich allerdings bisher noch nicht in einem entsprechend übersichtlichen Internetangebot nieder. In dieser Bündelung und Vernetzung der ständig wachsenden Zahl von Einzelprojekten, die Ihre Angebote und Ergebnisse gut aufbereitet im Internet präsentieren, liegt eine der wichtigen Herausforderungen. Ein zentrales Desiderat ist daneben sicher die Verfügbarkeit auch der nicht englischsprachigen Zeitschriften im Netz. Grundsätzlich ist absehbar, dass, wie auch in anderen historischen Teildisziplinen, der Qualitätssicherung und Bewertung des Online-Wissens eine ständig wachsende Bedeutung zukommt.

Literaturhinweise

Bernhardt, Christoph (Hrsg.), Urbanisierung im 20. Jahrhundert: Perspektiven und Positionen, in: Informationen zur Stadtgeschichte (IMS) 2 (2012).
Bernhardt, Christoph; Reif, Heinz (Hrsg.), Sozialistische Städte zwischen Herrschaft und Selbstbehauptung : Kommunalpolitik, Stadtplanung und Alltag in der DDR, Stuttgart 2009.
Flade, Anja (Hrsg.), Stadt und Gesellschaft im Fokus aktueller Stadtforschung. Konzepte-Herausforderungen-Perspektiven, Wiesbaden 2015.
Harlander, Tilman; Kuhn, Gerd (Hrsg.), Soziale Mischung in der Stadt: Case Studies - Wohnungspolitik in Europa - Historische Analyse, Stuttgart 2012.
Heßler, Martina; Zimmermann, Clemens (Hrsg.), Creative Urban Milieus. Historical Perspectives on Culture, Economy, and the City, Frankfurt 2008.
Kreutzmüller, Christoph; Wildt, Michael (Hrsg.), Berlin 1933–1945. Stadt und Gesellschaft im Nationalsozialismus, München 2012.
Lenger, Friedrich, Metropolen der Moderne. Eine europäische Stadtgeschichte seit 1850, München 2013.
Melosi, Martin V., Rethinking the City-Building Process and Infrastructure: The Cultural Turn in American Urban Environmental History, in: Informationen zur Stadtgeschichte (IMS) 1 (2015), S. 17–29.
Schott, Dieter, Europäische Urbanisierung (1000–2000). Eine umwelthistorische Einführung, Köln 2014.
Zimmermann, Clemens (Hrsg.), Industrial Cities. History and Future, Frankfurt am Main 2013.

Fußnoten

  1. [54] Vergleiche den beeindruckenden Erfahrungsbericht der Mitbegründerin Wendy Plotkin in h-urban vom 26.02.2008.
  2. [70] Der Link kann nicht mehr aufgerufen werden (http://www.h-net.org/~urban/teach/index.htm).

Zitation: Christoph Bernhardt, Moderne Stadtgeschichte, in: Clio Guide – Ein Handbuch zu digitalen Ressourcen für die Geschichtswissenschaften, Hrsg. von Laura Busse, Wilfried Enderle, Rüdiger Hohls, Thomas Meyer, Jens Prellwitz, Annette Schuhmann, 2. erw. und aktualisierte Aufl., Berlin 2018 (=Historisches Forum, Bd. 23), S. E.1-1 – E.1-18, DOI: 10.18452/19244.


Für Clio-online verfasst von:

Christoph Bernhardt

Christoph Bernhardt

Christoph Bernhardt ist Historiker, Abteilungsleiter am Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) in Erkner und lehrt als apl. Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte sind die neuere europäische Stadt- und Umweltgeschichte.