Unternehmensgeschichte

1. Unternehmensgeschichte als Fach

1.1 Themenfeld

Dass Unternehmen ganz wesentlich die Entwicklung moderner Gesellschaften prägen, hat sich mittlerweile auch in der deutschen Forschungslandschaft deutlich niedergeschlagen. Teils war dafür eine Sonderkonjunktur verantwortlich, deren Ausläufer immer noch zu beobachten sind, nämlich die Auftragsforschung über das Verhalten von Großunternehmen im „Dritten Reich“, die sich auch außerwissenschaftlichen Anstößen verdankte und für großes mediales Interesse sorgte.[1] Teils handelte es sich bei der allmählichen Institutionalisierung aber auch um einen Anschluss an internationale Trends, der vor allem an einigen wirtschaftshistorischen Lehrstühlen vorangetrieben wurde.[2] Letzten Endes förderte beides die wissenschaftliche Unabhängigkeit der deutschen Unternehmenshistoriografie, nachdem diese lange Zeit stark durch unternehmensfinanzierte Festschriften mit geringem Interesse an methodischer und theoretischer Reflexion geprägt war.

Nicht nur die großen NS-Projekte, die oft an zeithistorischen Lehrstühlen angesiedelt waren, sondern auch die zunehmende Forschung zu den wirtschaftlichen Strukturproblemen der 1970er-Jahre und nicht zuletzt die aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrisen machten Unternehmensgeschichte für „AllgemeinhistorikerInnen“ interessanter. Ob diese Aufmerksamkeit von Dauer ist und wie weit sie in die Tiefe geht, bleibt abzuwarten, aber die Existenzberechtigung des Fachs dürfte mittlerweile auch außerhalb der wirtschaftshistorischen Community unbestritten sein. Unternehmensgeschichte bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte für andere Subdisziplinen von der Sozial- und Geschlechter- bis zur Technik- und Umweltgeschichte. Die unternehmenshistorische Forschungslandschaft hat sich entsprechend ausdifferenziert. Neben die Erforschung von bürokratischen Großunternehmen ist die Beschäftigung mit mittelständischen Familienunternehmen getreten, neben die Analyse von Strukturen und Strategien in der Tradition Alfred D. Chandlers die Arbeit mit machtsoziologischen oder unternehmenskulturellen Ansätzen, neben den klassischen Arbeitsfeldern der industriellen Produktion und der Unternehmensorganisation wird über Marketing oder Dienstleistungsunternehmen geforscht. Unternehmerbiografien werden teils auch heute noch als Heldengeschichten erzählt, haben inzwischen aber vor allem ihr analytisches Potenzial für Analysen der Corporate Governance oder unternehmerischer Netzwerke gezeigt. Unternehmen können also aus verschiedenen Perspektiven als arbeitsteilige Organisationen analysiert werden, in denen sich Entscheidungen erst aus der mehr oder minder konflikthaften Interaktion von Eigentümern, Beschäftigten auf verschiedenen Hierarchieebenen und anderen Beteiligten ergeben.

Dabei muss es auch kommerziellen Festschriften, die nach wie vor einen erheblichen Teil der Fachliteratur stellen, keineswegs an empirischem Gehalt und, wie einige neuere Jubiläumsschriften zeigen, auch nicht immer an Theoriebezug fehlen. Auf ein pragmatisches Verhältnis zur wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Theorie wird auch die im engeren Sinne wissenschaftliche Unternehmensgeschichte nicht verzichten können. Im Interesse des Dialogs mit der allgemeinen Gesellschaftsgeschichte wäre dabei eine einseitige Ausrichtung auf die Wirtschaftswissenschaften eher hinderlich, eine starke Aufgeschlossenheit für die Sozialwissenschaften besonders begrüßenswert. Doch darf nicht aus dem Blick geraten, dass Unternehmen nun einmal Organisationen sind, die bei aller gesellschaftlichen Einbettung doch ganz spezifischen ökonomischen Zwecken dienen. Gerade das Spannungsverhältnis zwischen dem „ökonomischen Kern“ des Unternehmens und der Komplexität seiner Umwelt, das von realen historischen Akteuren bewältigt werden muss, macht zum guten Teil den Reiz der Unternehmensgeschichte aus.

1.2 Institutionelle Infrastrukturen

Sichtbarkeit nach außen und Kommunikation innerhalb der Unternehmensgeschichte werden wesentlich durch Fachvereinigungen hergestellt, die neben der Veranstaltung von Konferenzen und der Herausgabe von Buchreihen und Zeitschriften oft auch Preise und Stipendien vergeben und nicht zuletzt wichtig sind für die Bereitstellung von Online-Ressourcen. Die älteste Fachorganisation für Unternehmensgeschichte ist die 1954 in den USA gegründete Business History Conference (BHC); 1975 kam mit der Economic and Business Historical Society (EBHS) eine konkurrierende Organisation hinzu. In Großbritannien, wo die Institutionalisierung von Lehre, Forschung und Archivwesen ebenfalls relativ früh, nämlich in den späten 1950er-Jahren begann, gründete sich erst 1990 die Association of Business Historians (ABH). Für Deutschland ist als wichtigste Fachvereinigung die 1976 gegründete Gesellschaft für Unternehmensgeschichte (GUG) zu nennen, die diverse thematisch spezialisierte Arbeitskreise unterhält, Symposien und öffentliche Vortragsveranstaltungen anbietet. Die GUG wird wesentlich durch die Mitgliedsbeiträge von Unternehmen finanziert und weist insofern einen starken Praxisbezug auf, als sie den Aufbau von Unternehmensarchiven unterstützt und Studien im Auftrag von Unternehmen verfassen lässt. Die Gesellschaft steht jedoch seit geraumer Zeit auch für die wissenschaftliche Unabhängigkeit solcher Auftragsprojekte; das wissenschaftliche Niveau demonstrieren die hauseigene Zeitschrift für Unternehmensgeschichte und nicht zuletzt ein wissenschaftlicher Beirat aus einschlägigen LehrstuhlinhaberInnen. Der 1989 noch in bewusster Distanzierung zur Festschriftentradition gegründete Arbeitskreis für kritische Unternehmens- und Industriegeschichte (AKKU) hat dadurch freilich keineswegs seine Existenzberechtigung verloren, sondern fungiert mit Anspruch auf theoretische Reflexion und Interdisziplinarität insbesondere als Nachwuchsforum. Als europäisches Forum für die Unternehmensgeschichte hat sich die 1994 gegründete European Business History Association (EBHA) etabliert. Sie stand von Beginn an offen für UnternehmenshistorikerInnen aus anderen Weltregionen und unterstützte maßgeblich die verschiedenen, unter anderem aus Japan, Südkorea, Lateinamerika und Südafrika kommenden Initiativen zur Gründung einer World Business History Conference (WBHC), die im Frühjahr 2014 ihren ersten Kongress in Frankfurt am Main abhielt.

In Deutschland, Österreich und der Schweiz werden Forschung und Lehre zur Unternehmensgeschichte vor allem von einigen Lehrstühlen für Wirtschafts- und Sozialgeschichte gepflegt. In anderen Ländern existieren teils traditionsreiche, teils neuere eigenständige Fachzentren. Die wohl bekannteste amerikanische Business School, an der Business History einen hohen Stellenwert einnimmt, ist die Harvard Business School, wo 1927 die erste Professur des Fachs eingerichtet wurde. Der hohe Stellenwert der akademischen Lehre kommt nicht zuletzt in einem dort herausgegebenen Guide to Business History Courses Worldwide[11] zum Ausdruck, der auf über 1.200 Seiten das einschlägige internationale Lehrangebot dokumentiert. Auch in Großbritannien gibt es spezielle Forschungszentren wie das Centre for Business History in Scotland und das Centre for International Business History an der Henley Business School der Universität Reading. In Skandinavien sind an einigen Universitäten ebenfalls unternehmensgeschichtliche Lehr- und Forschungszentren entstanden; relativ große Centres for Business History unterhalten die Copenhagen Business School und die Norwegian School of Management in Oslo.

2. Digitale Ressourcen

2.1 Recherche

Portale und Linksammlungen

Ein eigenständiges, über die Homepages der vorn genannten Institutionen hinausgehendes Internetportal existiert bislang weder für die deutsche noch für die internationale Unternehmensgeschichte. Am nächsten kommt dem noch die vom Nederlandsch Economisch-Historisch Archief in Amsterdam betriebene, leider nicht regelmäßig gepflegte Virtual Library Economic and Business History. Diese stellt, anders als der Titel vielleicht vermuten lässt, keine Online-Kataloge oder digitalen Reprints zur Verfügung. Stattdessen bietet sie die wohl umfangreichste und sehr gut strukturierte Sammlung von Links zu einschlägigen Archiven und Bibliotheken, Zeitschriften, Datenbanken, Mailinglisten und Webressourcen, Fachvereinigungen, Forschungseinrichtungen und Museen – sowohl in sachlicher als auch in nationaler Aufgliederung und zudem in alphabetischer Auflistung. Dasselbe gilt für die thematisch benachbarte Virtual Library Labour History, die vom International Institute of Social History (IISH) in Amsterdam betreut wird.

Eine sehr umfangreiche Sammlung von Links zu digital verfügbaren Forschungsressourcen bietet außerdem die amerikanische BHC auf ihrer Website unter der Rubrik Research Ressources an: Diese Sammlung wird von den Mitgliedern der Fachvereinigung laufend ergänzt, was für eine hohe Aktualität sorgt, und bietet unter anderem Informationen über Preise und Stipendien, Institutionen, Mailinglisten und Blogs, Fachzeitschriften und Zeitungen, Buchreihen, Datenbanken, Research Tools (etwa Software zum Aufbau elektronischer Forschungsumgebungen), audiovisuelle Materialien, digitale Texte, Web-Ausstellungen und Working-Paper-Serien. Der Schwerpunkt der hier gelisteten Angebote liegt auf den USA, sie gehen aber weit darüber hinaus.

Wirtschafts- und Unternehmensarchive

Viele Großunternehmen verfügen heute über ein professionelles historisches Archiv. Selbstverständlich ist dies aber keineswegs – von einem uneingeschränkten Zugang für unabhängige HistorikerInnen, wie er für öffentliche Archive (von Sperrfristen und Auflagen des Persönlichkeitsschutzes einmal abgesehen) charakteristisch ist, ganz zu schweigen. Erst recht gilt dies für mittlere oder kleine Unternehmen, in denen meist schon aus Kostengründen auf die Unterhaltung regelrechter Archive verzichtet werden muss. Die wichtigste Anlaufstelle für die Erforschung nicht mehr existierender Unternehmen sind in der Bundesrepublik die regionalen Wirtschaftsarchive, die gewöhnlich von Industrie- und Handelskammern getragen werden und der Wissenschaft in ähnlicher Weise freien Zugang gewähren wie staatliche oder kommunale Archive. Neben den Hinterlassenschaften regionaler Unternehmen verwahren sie auch historisches Material von Wirtschaftsverbänden, Pressedokumentationen oder persönliche Nachlässe. Wichtige unternehmenshistorische Quellen finden sich teils auch in Staats- und Kommunalarchiven. Das gilt vor allem für die neuen Bundesländer, wo zusammen mit den Akten Volkseigener Betriebe zahlreiche Bestände aus der Zeit bis 1945 an die DDR-Bezirksarchive oder die heutigen Staatsarchive abgegeben wurden. Auch das Bundesarchiv Berlin verwahrt eine Reihe teils umfangreicher Bestände von Unternehmen, die nach 1945 auf SBZ/DDR-Territorium enteignet wurden.

Den einfachsten Online-Zugriff auf staatliche und kommunale Archive ermöglicht das bekannte Portal der Archivschule Marburg. Dieses Portal bietet aber auch eine nach Regionen, Branchen und Unternehmen gegliederte Sammlung von Links zu Wirtschafts- und Unternehmensarchiven. Die dort verzeichneten Homepages der regionalen Wirtschaftsarchive in Hohenheim, München, Darmstadt, Köln, Leipzig, Dortmund, Wolfenbüttel und Hanstedt enthalten Beständeübersichten, teils auch ausführliche Bestandsbeschreibungen oder elektronische Findbücher mit entsprechenden Suchmasken. Häufig finden sich hier zudem historische Basisinformationen zu den entsprechenden Unternehmen, Kammern oder Personen, gelegentlich auch Bildmaterial. Vielfach bieten die Bestandsbeschreibungen auch Literaturhinweise zu den verwahrten Beständen. Ein überregionales Branchenarchiv ist das Bochumer Bergbau-Archiv, das als Teil des Montanhistorischen Dokumentationszentrums montan.dok beim Deutschen Bergbau-Museum auf innovative und benutzerInnenfreundliche Weise mit dessen Bibliotheks- und Sammlungsbeständen vernetzt ist.

Für UnternehmenshistorikerInnen, die sich insbesondere für die Geschichte der Arbeit und – damit eng zusammenhängend – der alten und neuen sozialen Bewegungen interessieren, sind drei weitere Archivzentren von Belang. Das Archiv für soziale Bewegungen in Bochum verwahrt nicht nur Bestände von Gewerkschaften, sondern auch von Betriebsräten und Arbeitsdirektoren. Das International Institute of Social History (IISH) in Amsterdam arbeitet eng mit dem Nederlandsch Economisch-Historisch Archief (NEHA) zusammen, in dem die Unterlagen zahlreicher niederländischer Handelsgesellschaften und Industrieunternehmen aufbewahrt werden, und bietet über die eigene Homepage komfortable Recherchemöglichkeiten im gemeinsamen Online-Katalog an. Außerdem stellt es virtuelle Ausstellungen, Webguides, aktuelle Bibliografien, Diskussionsforen und einen Nachrichtendienst zur Verfügung. Das Centre des Archives du Monde du Travail (CAMT) in Roubaix/Frankreich sammelt und bewahrt Archive der Arbeitswelt, darunter Unternehmensarchive (von kleinen Bäckereien bis hin zu Großunternehmen), Unterlagen von Arbeitervereinigungen, Berufsverbänden und anderen Interessengruppierungen, biografische Nachlässe von Beschäftigten, ManagerInnen und UnternehmenseigentümerInnen und vieles mehr. Eine online verfügbare alphabetische Liste der Fonds mit knapper, präziser Bestandsbeschreibung erleichtert den Einstieg in die Recherche.

Das Marburger Archivportal verzeichnet auch Links zu Archiven großer Unternehmen. Komfortabler ist inzwischen jedoch das Wirtschaftsarchivportal WAP, ein Online-Verzeichnis der Wirtschaftsarchive im deutschsprachigen Raum. Das gemeinsame Projekt der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte, der Vereinigung deutscher Wirtschaftsarchivare und des Instituts für bankhistorische Forschung besteht im Wesentlichen aus einer Suchmaske, über die man einige Basisdaten der eingebundenen Archive und Links auf deren Homepages sowie auf eventuelle Online-Bestandsverzeichnisse erhält. Für den Spezialbereich der Banken- und Sparkassengeschichte hat das Institut für Bank- und Finanzgeschichte ein umfangreiches Archivverzeichnis zusammengestellt.

Unabhängig von der Existenz professionell geführter Archive nutzen natürlich zahlreiche Unternehmen ihre Homepages zur Präsentation der eigenen Geschichte. Gewöhnlich findet man die entsprechenden Links zur „Historie“ über den Button „Unternehmen“ auf den Homepages. Diese Seiten, die von kurzen Chroniken und Unternehmerbiografien bis zur Faksimilierung von Dokumenten oder kurzen Darstellungen im PDF-Format (bisweilen auch von umfangreichen Festschriften) reichen, sind unterschiedlich gehaltvoll; tendenziell steigt ihre Qualität und Verlässlichkeit, wenn ein professionelles Archiv dafür verantwortlich zeichnet. Ganz unabhängig von möglichen Restriktionen für Wissenschaftler beim Zugang zu den Akten legitimieren aber Unternehmensarchive ihre Existenz innerhalb des Unternehmens als Dienstleistungsbereiche der internen und externen Unternehmenskommunikation (etwa als Abteilung „Historische Kommunikation“). Deshalb muss sich insbesondere der offene Umgang mit der eigenen Geschichte in der NS-Zeit, die viele Großunternehmen in den letzten Jahren von unabhängigen WissenschaftlerInnen aufarbeiten ließen, auf den Websites nicht unbedingt wieder finden.

HistorikerInnen, die seriöse Unternehmensgeschichten schreiben wollen, müssen sich ohnehin weiter selbst ins Archiv bemühen. Nichtsdestoweniger sind inzwischen etliche Homepages nützliche Hilfsmittel zur Vorbereitung von Archivrecherchen; darauf kann hier nur beispielhaft hingewiesen werden. In einigen Unternehmensarchiven kann man online in Beständen oder Bestandsübersichten recherchieren. Ein gutes Beispiel für die potenzielle Leistungsfähigkeit solcher Angebote ist die Suchmaske des BMW-Konzernarchivs, wo eine Datenbank auch die Suche nach Verknüpfungen zu anderen Objekten – also etwa zwischen Dokumenten und Fotos – ermöglicht. Punktuell werden die einschlägigen Seiten inzwischen auch für umfangreichere Präsentationen von Dokumenten und Objekten genutzt: So hat beispielsweise die Historische Gesellschaft der Deutschen Bank bereits sämtliche Geschäftsberichte seit 1870, weitere kommentierte Dokumente und Biografien sowie historische Statistiken zur Mitarbeiterentwicklung ins Netz gestellt. Die noch immer wohl komfortabelsten Recherchemöglichkeiten und auch die technikhistorisch gehaltvollsten Informationen bietet das Archiv der Carl Zeiss AG in Jena, das über Online-Findbücher hinaus, die teils wiederum über virtuelle Organigramme des Unternehmens recherchiert werden können, ein „virtuelles Museum“ mit über 3.000 kommentierten Abbildungen ins Netz gestellt hat; darunter ist das komplette Herstellungsprogramm aus der Zeit bis 1945, das mit Original-Prospekttexten präsentiert wird. Möglich ist auch eine Recherche nach mehr als 75.000 Druckschriften. Das typische Anliegen einer historischen Unternehmens- und Produktpräsentation demonstriert indes par exellence der Auftritt des Mercedes-Benz Museums: Die technisch und optisch aufwendig gestaltete Site bietet automobilhistorisch Interessierten einen virtuellen Rundgang durch die Marken-, Modell- und Designgeschichte an, dessen sonstiger Informationsgehalt freilich für professionelle HistorikerInnen eher gering ist. Das dem Museumsbereich angegliederte Daimler-Konzernarchiv selbst präsentiert sich ebenfalls ansprechend, bietet aber online keinerlei Recherchemöglichkeiten in den schriftlichen Überlieferungen zur Unternehmensgeschichte, was angesichts der Bedeutung des traditionsreichen, heute multinationalen Unternehmens für die deutsche wie die internationale Wirtschaftsgeschichte mehr als bedauerlich ist.

Museen

Mit dem Online-Museumsführer, den die GUG in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Unternehmensmuseen betreibt, ist ein Teil der insgesamt etwa 300 deutschen Unternehmensmuseen über ein Portal recherchierbar. Bei diesen unterschiedlich ambitionierten Einrichtungen handelt es sich jedoch nicht um Forschungsmuseen, von denen für den deutschen Sprachraum im unternehmenshistorischen Feld vor allem das Bochumer Bergbau-Museum und das Münchner Deutsche Museum zu erwähnen sind. Eine umfassende Sammlung von Links zu weiteren Industrie- und Technikmuseen, darunter auch die bedeutenden Regionalmuseen etwa des Rhein-Ruhr-Gebietes oder Sachsens, findet sich auf der Homepage der Virtual Library – Museen. Als Beispiel für ein besonders forschungsorientiertes Museum ist außerdem auf das Hagley Museum in Wilmington/Delaware (USA) zu verweisen, das auf dem historischen Gelände der 1802 gegründeten Schießpulverfabrik von DuPont angesiedelt ist. Das Museum und die dazugehörige Bibliothek bieten einige virtuelle Ausstellungen zur amerikanischen Wirtschafts-, Industrie-, Technik- und Unternehmensgeschichte, aber auch digitalisierte Bild- und Textquellen.

2.2 Kommunikation

Speziell für Unternehmensgeschichte bzw. Business History existiert eine eigenständige Mailingliste, nämlich das von der BHC betriebene Netzwerk H-Business, das analog zu anderen H-Net-Listen sowohl als Diskussions- und Informationsplattform wie auch als Rezensionsdienst fungiert. Insbesondere für unternehmenshistorische Rezensionen ist, neben H-Soz-Kult für den deutschen Sprachraum, auf das in den USA betriebene wirtschaftshistorische EH-Net hinzuweisen. Ferner hat sich das im Januar 2010 gegründete NEP-hist Blog als ein lebhaftes internationales, nicht zuletzt auch die spanischsprachigen Länder einbeziehendes Diskussions- und Informationsforum im Internet etabliert: Ausgehend von den über NEP: New Economic Papers einmal wöchentlich speziell zur Unternehmens-, Wirtschafts- und Finanzgeschichte zur Verfügung gestellten neuestens Working Papers (NEP-his Mailingliste), regt die Redaktion des Blogs immer wieder Diskussionen und Kommentare zu Themen von allgemeinem Interesse an. Die Website des Blogs bietet außerdem sehr nützliche, gesammelte Hinweise zu einschlägigen Rezensionen, die in nicht-akademischen Publikationsorganen – analog oder digital – veröffentlicht wurden; hinzu kommen Verweise auf weitere, thematisch speziellere Blogs.

2.3 Digitale Medien

Auch die elektronische Verfügbarkeit von ein- und weiterführender Literatur hat zugenommen. So bietet die interaktiv angelegte, bisher allerdings überwiegend passiv genutzte Enzyklopädie Docupedia-Zeitgeschichte nicht nur eine knappe Einführung in die Unternehmensgeschichte insgesamt[45], sondern auch eine in die Geschichte der Banken und Finanzmärkte.[46] Beide Einführungen bieten einen Überblick über das Forschungsfeld, skizzieren den aktuellen Forschungsstand und liefern weiterführende Hinweise.

Den Versuch, die etablierte Unternehmensgeschichte angesichts der zu bewältigenden Herausforderungen durch die globalen Verflechtungen und die damit verbundene kulturelle Vielfalt mit Blick auf die Gegenstände, Themen und Perspektiven wie die Akteure, Ressourcen und Rahmenbedingungen der Forschung neu zu strukturieren bzw. überhaupt erst einmal „aufzumischen“, haben Philip Scranton und Patrick Fridenson mit ihrem Buch Reimagining Business History unternommen.[47] Kritische Kommentare zu ihrem Vorschlag, die inzwischen eingeschliffenen Herangehensweisen mit Hilfe von etwa 40, nur locker miteinander verknüpften Einträgen zu den Oberbegriffen „Fallen“, „Chancen“, „Aussichten“ und „Ressourcen“ der Unternehmensgeschichte in Frage zu stellen, kann man als Videos von einem entsprechenden Roundtable anlässlich der European Business History Conference in Paris 2012 anschauen, die vom französischen Wissenschaftsportal Canal U zur Verfügung gestellt werden. Die Unternehmensgeschichte ist hier aber ansonsten nicht sehr prominent vertreten.

Ein gutes Beispiel für das Potenzial von Websites, verschiedene Text- und Quellengattungen zu kombinieren und zugleich die schnelle Aktualisierbarkeit für die Präsentation von work in progress zu nutzen, bietet die Seite des vom Deutschen Historischen Institut in Washington betriebenen Forschungsprojekts Immigrant Entrepreneurship: German-American Business Biographies, 1720 to the Present, die neben den biografischen Einträgen sowohl Links auf die verwendeten Archivfindmittel als auch ergänzende Bild- und Textquellen liefert.

Darüber hinaus ist vor allem auf die im Netz auch ohne den Besuch einer Fachbibliothek verfügbaren Zeitschriften zur Unternehmensgeschichte zu verweisen. Der Arbeitskreis für kritische Unternehmens- und Industriegeschichte hat alle Ausgaben der seit 1992 erscheinenden Zeitschrift Akkumulation vollständig als kostenlos abrufbare PDFs ins Netz gestellt. Die Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, die kostenlos zumindest die Inhaltsverzeichnisse, für die Jahrgänge seit 1978 zudem die englischsprachigen Abstracts der Artikel zur Verfügung stellt, erscheint inzwischen auch als Online-Ausgabe, deren Artikel einzeln gekauft werden können. Einzelne Aufsätze samt Illustrationen zu Spezialfragen des Wirtschaftsarchivwesens stellt die Fachzeitschrift Archiv und Wirtschaft bereit. Das vom Institut für bankhistorische Forschung herausgegebene Bankhistorische Archiv bietet ebenfalls ausgewählte Aufsätze als Online-Leseprobe an.

Das internationale Flaggschiff der Disziplin, die an der Harvard Business School herausgegebene Business History Review, bietet ausgewählte Aufsätze kostenlos an, der Rest kann beim Verlag online gekauft werden. Die Business History Conference gibt zwei Zeitschriften heraus. Vollständig und kostenlos im Netz findet sich seit 2003 die Business and Economic History, die eher den Status einer Mitgliedszeitschrift hat; die Artikel der bis 1999 gedruckten Jahrgänge wurden als PDF-Scans ins Netz gestellt. Die seit 2000 erscheinende Enterprise & Society, eines der international führenden Journals, zielt, wie der Titel schon sagt, besonders auf die gesellschaftsgeschichtliche Kontextualisierung unternehmenshistorischer Studien und ist für BHC-Mitglieder kostenfrei online zugänglich; die Artikel können aber auch einzeln erworben werden. Eine Ausnahmeerscheinung in diesem Feld sind die von der EBHS herausgegebenen Essays in Economic and Business History, die konsequent dem Open-Access-Prinzip folgen und ab 1999 online im Volltext zugänglich sind. Den Zugriff auf die Abstracts von Artikeln, die einzeln als Volltexte gekauft werden können, ermöglichen die britische Business History sowie – als unternehmenshistorisch relevante, aber breiter angelegte europäische Zeitschriften – die European Review of Economic History und die Financial History Review.

3. Desiderate und Ausblick

Die Unternehmensgeschichte hat sich auch in Deutschland als eine historische Subdisziplin etabliert, die in einem besonders engen Austausch mit der eher qualitativ argumentierenden wie der stärker quantitativ arbeitenden Wirtschaftsgeschichte steht, aber auch zahlreiche Berührungspunkte mit der modernen Gesellschaftsgeschichte aufweist. Die Aufgeschlossenheit für theoretische Angebote der systematisch arbeitenden Wirtschafts- und Sozialwissenschaften einerseits, die damit zusammenhängende methodische Vielfalt und inhaltliche Anschlussfähigkeit der unternehmenshistorischen Forschung an Themen und Fragestellungen anderer historischer Subdisziplinen andererseits, etwa der Geschlechter-, der Umwelt-, der Medien- oder der Kulturgeschichte, gibt Anlass zu der Hoffnung, dass es nicht nur zu einer immer weiteren Ausdifferenzierung der Forschungslandschaft kommt, sondern auch zu wechselseitigen Befruchtungen und entsprechenden Erkenntnisgewinnen.

Renommierte Vordenker des Fachs wie Philip Scranton und Patrick Fridenson werfen aber wohl zu Recht die Frage auf, ob die europäische Unternehmensgeschichte inzwischen nicht schon zu etabliert, routiniert und eingefahren ist, um die mit der wirtschaftlichen und kulturellen Globalisierung verbundenen Herausforderungen bewältigen zu können, gerade auch mit Blick auf die – noch längst nicht voll ausgeschöpften – neuen Möglichkeiten der Digitalisierung von Infrastrukturen, Ressourcen und Kommunikationswegen. Um die entstandene „große Unübersichtlichkeit“ besser strukturieren und erschließen zu können, wäre ein zentrales, ständig gepflegtes Portal zur Unternehmensgeschichte im europäischen, möglichst sogar globalen Maßstab zweifellos ein großer Gewinn. Mindestens ebenso wichtig scheinen dafür jedoch der Ausbau und die Weiterentwicklung nationaler wie regionaler Angebote digitaler Recherchemöglichkeiten für Forschung und Lehre zu sein. Das gilt insbesondere mit Blick auf die Unternehmensarchive selbst, in denen – jenseits der Tatsache, dass nahezu jedes existierende Archiv mittlerweile irgendwie im Netz auffindbar sein dürfte – das Angebot an Ressourcen in den letzten Jahren offenbar nicht in dem Maße zugenommen hat wie die prinzipiell verfügbaren technischen Möglichkeiten zur Verbesserung der Bereitstellung und Nutzung von Quellen, handle es sich um Schriftgut, Bilder oder audiovisuelle Medien. Ein solches Wachstum des Angebots setzt allerdings – schon, um in Unternehmen wie Forschungsförderungseinrichtungen die notwendigen materiellen Ressourcen mobilisieren zu können – wiederum eine anhaltende und möglichst zunehmende Nachfrage seitens der Geschichtswissenschaften und der Public History voraus.

Literaturhinweise

Ahrens, Ralf, Unternehmensgeschichte, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 01.11.2010, http://docupedia.de/zg/Unternehmensgeschichte?oldid=97448.
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Erker, Paul, Aufbruch zu neuen Paradigmen. Unternehmensgeschichte zwischen sozialgeschichtlicher und betriebswirtschaftlicher Erweiterung, in: Archiv für Sozialgeschichte (AfS) 37 (1997), S. 321–365.
Erker, Paul, „A New Business History”? Neuere Ansätze und Entwicklungen in der Unternehmensgeschichte, in: AfS 42 (2002), S. 557–604.
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Hesse, Jan-Otmar; Kleinschmidt, Christian; Lauschke, Karl (Hrsg.), Kulturalismus, Neue Institutionenökonomik oder Theorienvielfalt. Eine Zwischenbilanz der Unternehmensgeschichte, Essen 2002.
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Pierenkemper, Toni, Unternehmensgeschichte. Eine Einführung in ihre Methoden und Ergebnisse, Stuttgart 2000.
Plumpe, Werner, Perspektiven der Unternehmensgeschichte, in: Günther Schulz u.a. (Hrsg.), Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Arbeitsgebiete – Probleme – Perspektiven, Stuttgart 2004, S. 403–425.
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Sattler, Friederike, Geschichte der Banken und Finanzmärkte, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 27.07.2010, http://docupedia.de/zg/Geschichte_der_Banken_und_Finanzm.C3.A4rkte?oldid=97402.
Scranton, Philip; Fridenson, Patrick, Reimagining Business History, Baltimore 2013.
Zeitlin, Jonathan; Jones, Geoffrey (Hrsg.), The Oxford Handbook of Business History, Oxford 2008.

Fußnoten

  1. [1] Vgl. als aktuelles Resümee Banken, Ralf, Vom „Verschweigen“ über die „Sonderkonjunktur“ hin zur „Normalität“? Der Nationalsozialismus in der Unternehmensgeschichte der Bundesrepublik, in: Zeitgeschichte-online, Dezember 2012, http://www.zeitgeschichte-online.de/thema/vom-verschweigen-ueber-die-sonderkonjunktur-hin-zur-normalitaet.
  2. [2] Vgl. bereits Erker, Paul, Aufbruch zu neuen Paradigmen. Unternehmensgeschichte zwischen sozialgeschichtlicher und betriebswirtschaftlicher Erweiterung, in: Archiv für Sozialgeschichte 37 (1997), S. 321–365, http://library.fes.de/jportal/servlets/MCRFileNodeServlet/jportal_derivate_00021162/afs-1997-321.pdf.
  3. [11] Friedman, Walter A.; Jones, Geoffrey (Hrsg.), Guide to Business History Courses Worldwide, o.J. (2012), http://www.hbs.edu/businesshistory/Documents/00-final-volume-2-report-Oct%2017-2012-with-cover.pdf. Vgl. auch die Dokumentation der einschlägigen Tagung: dies., Teaching Business History: Insights and Debates. Papers Delivered at Harvard Business School, June 2012, http://www.hbs.edu/businesshistory/Documents/00-final-volume-1-report-Oct%2017-2012-with-cover.pdf.
  4. [45] Ahrens, Ralf, Unternehmensgeschichte, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 01.11.2010, http://docupedia.de/zg/Unternehmensgeschichte?oldid=97448.
  5. [46] Sattler, Friederike, Geschichte der Banken und Finanzmärkte, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 27.07.2010, http://docupedia.de/zg/Geschichte_der_Banken_und_Finanzm.C3.A4rkte?oldid=97402.
  6. [47] Scranton, Philip; Patrick Fridenson, Reimagining Business History, Baltimore 2013.

Zitation: Ralf Ahrens / Friederike Sattler, Unternehmensgeschichte, in: Clio Guide – Ein Handbuch zu digitalen Ressourcen für die Geschichtswissenschaften, Hrsg. von Laura Busse, Wilfried Enderle, Rüdiger Hohls ,Thomas Meyer, Jens Prellwitz, Annette Schuhmann, 2. erw. und aktualisierte Aufl., Berlin 2018 (Historisches Forum 23), S. E.7-1 – E.7-17, DOI: 10.18452/19244.


Für Clio-online verfasst von:

Ralf Ahrens / Friederike Sattler

Friederike Sattler

Dr. Ralf Ahrens ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam und Lehrbeauftragter an der Universität Potsdam. Dr. Friederike Sattler ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Lehrbeauftragte an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.