1. Geschichtswissenschaft und digitale Medien
1.1 Südasien – Forschung und Information
Der geografische Raum Südasien umfasst nach heutiger politischer Gliederung die Staaten Bangladesch, Bhutan, Indien, Nepal, Pakistan, Sri Lanka und die Malediven. Gemeinsam mit Afghanistan arbeiten diese sieben Länder wirtschaftlich und technisch in der South Asian Association for Regional Cooperation (SAARC) zusammen. In historischer Perspektive besteht eine sehr enge Verbindung zu den benachbarten Ländern und Regionen, wie dies für Afghanistan und Tibet (Zentralasien) sowie Myanmar (Südostasien) belegt ist, die gelegentlich ebenfalls der Region Südasien zugerechnet werden.
Die Epocheneinteilung der südasiatischen Geschichte erweist sich als schwierig und ist unter HistorikerInnen nicht unumstritten; eine Periodisierung, die einer europäischen Einteilung in Altertum, Mittelalter und Neuzeit folgt, ist daher meist des Eurozentrismus verdächtig. Wir folgen bei der Einteilung der südasiatischen Geschichte Hermann Kulke, der folgende Periodisierung vorschlägt: Die Frühgeschichte Südasiens (circa 7.000–500 v. Chr.) ist geprägt von der Induskultur sowie dem vedischen Zeitalter. Daran schließt sich das Altertum (circa 500 v. Chr.–550 n. Chr.) an. Bedeutende dynastische Großreiche in Nordindien waren in diesem Zeitabschnitt das Maurya-Reich (circa 320–180 v. Chr.) und das Gupta-Reich (circa 320–550 n.Chr.). Es folgen das frühe Mittelalter (circa 550–1206) und das späte Mittelalter (1206–1526). Während das frühe Mittelalter durch die Existenz zahlreicher Regionalreiche gekennzeichnet ist, dominieren das Delhi-Sultanat in Nordindien und das Reich von Vijayanagara in Südindien die spätere historische Epoche.[1] Der Beginn der Neuzeit kann auf die europäische Expansion im indischen Ozean und den Aufstieg des Mogulreiches im frühen 16. Jahrhundert datiert werden. Unter der Herrschaft des Kaiser Akbar (1556–1605) erlebte das Mogulreich eine kulturelle Blüte und territorial seine größte Ausdehnung. Der Niedergang und letztlich Zerfall des Mogulreichs nach dem Tod Aurangzebs (1707) vollzog sich rasant und Mitte des 18. Jahrhunderts war die Dominanz des Mogulreiches gebrochen. Zeitgleich kam es nach dem Sieg bei der Schlacht von Plassey durch die Streitkräfte der britischen East India Company zur systematischen Ausweitung des britischen Einflussgebietes (1757–1858). Es folgt eine Phase der britischen Kolonialherrschaft (1858–1947), in der weite Teile Südasiens als Kronkolonie Teil des britischen Weltreiches waren. Diese wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von dem Prozess der Dekolonisation abgelöst. 1947 erlangte Indien seine Unabhängigkeit.[2] Nicht nur auf Grund ihrer geografischen Größe und der Bevölkerungszahl ist die Indische Union der zentrale Staat des südasiatischen Raums. Indien steht denn auch häufig im Fokus der Forschung bei der Beschäftigung mit der Geschichte des gesamten indischen Subkontinents.
Die Geschichte Südasiens ist in Forschung und Lehre innerhalb Deutschlands an drei universitären Einrichtungen mit Lehrstühlen und Professuren vertreten:
– Institut für Asien- und Afrikawissenschaften, Seminar für Südasien-Studien an der Humboldt-Universität zu Berlin;
– Abteilung Geschichte am Südasien-Institut der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg;
– Centre for Modern Indian Studies (CeMIS) an der Georg-August-Universität Göttingen (Forschungsgruppe „Moderne Indische Geschichte“ seit 2009).
Dem Teilbereich der muslimischen Geschichte des indischen Subkontinents widmet sich Professor Dr. Stephan Conermann am Institut für Orient- und Asienwissenschaften, Abteilung Islamwissenschaft und Nahostsprachen der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Am Institut für Islamwissenschaften der Freien Universität Berlin ist die muslimische Kultur und Gesellschaft Südasiens durch eine Junior-Professur vertreten. Im außeruniversitären Bereich kann das Zentrum Moderner Orient in Berlin genannt werden, wo regelmäßig projektbezogene historische Forschung zur Region Südasien betrieben wird. Darüber hinaus ist Südasienforschung in historischer Perspektive auch ein Schwerpunkt am Karl Jaspers Centre for Advanced Transcultural Studies (KJC), dem institutionellen Sitz des Exzellenzclusters „Asien und Europa in globalen Kontext“. Die zur Geschichte Südasiens forschenden Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sind unter anderem im Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschland (VHD) und/oder der Deutschen Gesellschaft für Asienkunde (DGA) organisiert. Beide Organisationen führen regelmäßig Konferenzen und Jahrestagungen zum wissenschaftlichen Austausch durch.
Für die wissenschaftliche Informations- und Literaturversorgung waren die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sondersammelgebiete (SSG) von Bedeutung, die in Summe eine „verteilte nationale Forschungsbibliothek“ bildeten. Das seit 2005 von der Bibliothek des Südasien-Instituts der Universität Heidelberg kooperativ mit der UB Heidelberg betreute SSG Südasien erwirbt Literatur aus und über die Region Südasien und deckt gemäß seines Erwerbungsprofil die Fachgebiete Geschichte, Religion und Philosophie, Kunst, Literatur- und Sprachwissenschaften, Ethnologie, Geografie und Politikwissenschaften ab. Damit steht es in seiner Ausrichtung einer fächerübergreifenden Betrachtungsweise nahe und trägt dem Konzept der interdisziplinären Regionalstudien Rechnung.[13]
1.2 Digitale Medien – Allgemeine Hinweise und Besonderheiten
Das Fach Geschichte Südasiens weist zahlreiche Anknüpfungspunkte zu verschiedenen Nachbardisziplinen wie der klassischen Indologie, den neusprachlichen Südasienstudien, Ethnologie und der Geografie sowie der Politik- oder Religionswissenschaft auf. Daraus ergibt sich, dass viele elektronische Angebote eine interdisziplinäre Ausrichtung haben, die nicht nur ausschließlich historische Aspekte berücksichtigen. In der deutschen Hochschullandschaft sind dabei die sprachwissenschaftlichen Lehrstühle besonders etabliert.
Für die historische Forschung ist die Arbeit mit schriftlich überliefertem Quellenmaterial, häufig in südasiatischen Sprachen und Schriften, von grundlegender Bedeutung. Die Region Südasien ist durch eine große Sprachen- und Schriftenvielfalt gekennzeichnet – in Nord- und Zentralindien, in Nepal und Bangladesch werden vornehmlich indoarische Sprachen, wie Hindi, Urdu, Bengali und Nepali gesprochen, während die südindischen Sprachen und die Sprachen auf Sri Lanka der drawidischen Sprachfamilie zugehörig sind, zu deren wichtigsten Vertretern Tamil, Telugu, Sinhala, Kanada und Malayalam gehören. Eine Reihe weiterer Sprachen, wie beispielsweise die Sprachen der indigenen Bevölkerung, erhöhen die linguistische Komplexität der Region.
Bei der Recherche nach Forschungsliteratur und Quellenmaterial müssen die Forschenden diese Schriftenvielfalt berücksichtigen und bedenken, dass in vielen, für die Forschung relevanten Nachweisinstrumenten die Erschließung der Materialien in lateinischer Transliteration erfolgte und auch heute noch erfolgt. Für eine effiziente und zielführende Recherche sind daher Kenntnisse der verschiedenen Transliterationskonventionen unabdingbar.[14] Wenngleich in den letzten Jahren bei der Verwendung nicht-lateinischer Schriften in Datenbanken und Online-Katalogen Fortschritte erzielt wurden, die eine Recherche wesentlich komfortabler und genauer machen, muss bei der Nutzung verschiedener Online-Kataloge noch immer berücksichtigt werden, dass Literatur und Quellen nach unterschiedlichen, teils historisch gewachsenen Katalogisierungsroutinen erschlossen werden und daher erst mehrere unterschiedlich strukturierte Suchanfragen einen umfassenden Bestandsnachweis liefern.
Abschließend sei darauf verwiesen, dass der Bereich der elektronischen und digitalen Informationen zur Geschichte Indiens von einer ungeheuren Dynamik geprägt ist, dessen Entwicklungspotenzial bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist. Zahlreiche Digitalisierungsprojekte vor allem im Bereich der Kolonialgeschichte sind ein Indikator dafür.[15] Die Online-Landschaft von Angeboten zur südasiatischen Geschichte ist deshalb noch immer im stetigen Wandel begriffen.
2. Digitale Informationsressourcen und Medien zur Geschichte Südasien
2.1 Recherche
Portale
Die meisten zentralen Portale zu Südasien haben eine interdisziplinäre Ausrichtung. Hier sind zu nennen: SARAI (South Asian Ressource Access on the Internet), ein Angebot der Columbia University Libraries, Digital South Asia Library (DSAL), ein Projekt an der University of Chicago, und CrossAsia, ein Fachportal für die Asienwissenschaften, das seit 2015 von der Staatsbibliothek zu Berlin und dem Südasien-Institut Heidelberg sowie der Universitätsbibliothek Heidelberg kooperativ ausgebaut wird.[19]
Bei SARAI handelt es sich um ein thematisch strukturiertes Verzeichnis von Internetressourcen, während DSAL primär eine Sammlung von digitalisierten Materialien wie Bücher, Zeitschriften, Karten oder Statistiken hauptsächlich aus dem 19. Jahrhundert, umfasst. CrossAsia bietet verschiedenen Recherchemöglichkeiten zu unterschiedlichen Medienarten, unterhält eine eigene digitale Sammlung historischer Veröffentlichungen und ermöglicht den Zugriff auf eine Vielzahl von Datenbanken. CrossAsia E-Publishing unterstützt den Open Access Gedanken und bietet Zugriff auf wissenschaftliche Publikationen.
Zwei regional ausgerichtete Portale sind Digital Himalaya und Tibetan and Himalayan Digital Library. Beide Portale bieten einen Online-Zugang zu verschiedenen digitalen Sammlungen zu Nepal bzw. Tibet an. Das Internet Indian History Source Book beinhaltet einen chronologisch strukturierten Zugang zu Internetquellen zur Geschichte Südasiens und Indiens.
Fachbibliographien und Datenbanken
Eine Übersicht zu relevanten Datenbanken zu Südasien bietet der DBIS-Fachausschnitt Südasien. In diesem Fachausschnitt sind sowohl frei zugängliche wie auch kostenpflichtige Angebote nachgewiesen. Zu letzterem gehört die Bibliography of Asian Studies, die Zeitschriftenartikel und zum Teil auch Monographien zu Asien insgesamt und mit Schwerpunkt auf geistes- und sozialwissenschaftliche Fachgebiete nachweist. Die beiden Datenbanken Periodical Archives Online (PAO) und Periodical Index Online (PIO) enthalten, obwohl auch sie fächerübergreifend angelegt sind, zahlreiche für die historische Südasienforschung relevante Literaturnachweise. Bei PAO handelt es sich um eine Volltextdatenbank mit aktuell über 700 retrodigitalisierten Zeitschriften ab dem Erscheinungsjahr 1802. Beide Angebote sind zwar prinzipiell kostenpflichtig, der kostenfreie Zugang ist jedoch in Deutschland über eine Nationallizenz abgesichert.[27]
Für die Recherche nach Aufsätzen und Artikeln in fachrelevanten Zeitschriften bietet sich Online Contents – SSG Südasien an. Darin sind aktuell 284 Fachzeitschriften ausgewertet, sodass die Datenbank gegenwärtig über 248.000 Einträge aufweist. Diese Datenbank ist in CrossAsia eingebunden und erfordert von privaten BenutzerInnen eine kostenlose Registrierung. Die bibliographische Datenbank South Asia Research Documentation Services (SARDS), die von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg gehostet wird, verzeichnet unselbständig erschienene Fachliteratur aus dem Zeitraum 1797 bis 2000 mit einem Fokus auf die Geistes- und Sozialwissenschaften.
Eine Basisbibliographie zur Neueren Geschichte Südasiens stellt die Abteilung Geschichte am Südasien-Institut der Universität Heidelberg online zur Verfügung. Sehr umfangreich ist eine von Hermann Kulke zusammengestellte Bibliography of India History up to 1750, darin sind Literatur- und Quellenhinweise zur südasiatischen Geschichte von der Frühgeschichte bis zur Frühen Neuzeit enthalten. Erwähnenswert sind weiterhin die Online-Bibliographie British ruled India: 1757-1947, die Bibliography of Articles and Reviews: Subaltern Studies, in der Arbeit von HistorikerInnen der „Subaltern Studies Group“ aufgeführt sind sowie die Odisha-Bibliographie, eine noch im Aufbau befindliche bibliographische Datenbank mit Schwerpunkt auf der südindischen Region Orissa. Diese Datenbank enthält auch zahlreiche Literaturnachweise in der Regionalsprache Oriya.
Bibliothekskataloge
Als zentraler Einstieg für die Literaturrecherche kann der Fachkatalog Südasien genannt werden, der die Bestände der Bibliothek des Südasien-Instituts der Universität Heidelberg nachweist.[36] Auch die Südasien-Bestände der Universitätsbibliothek Tübingen, die bis 2004 dieses Sondersammelgebiet betreut hat, sind auch wegen ihres historischen Altbestands von zentraler Bedeutung. Darüber hinaus verfügen sowohl die Staatsbibliothek zu Berlin als auch die Bayerische Staatsbibliothek über umfangreiche Sammlungen zu Südasien.
Außerhalb Deutschlands ist der Bestand der British Library in London von zentraler Bedeutung. Als „Deposit Library“ verwahrt die British Library von jeder in Südasien erschienenen Publikation aus der Kolonialzeit ein Pflichtexemplar. Gerade für Forschende, die sich mit der indischen Kolonialgeschichte befassen, ist die British Library eine unverzichtbare Archivbibliothek. Ebenfalls zur Kolonialgeschichte Südasiens gibt es in der National Library of Scotland in Edinburgh mit der „India Papers Collection“ eine wichtige Sammlung mit Regierungspublikationen aus der Zeit von circa 1857 bis zur indischen Unabhängigkeit 1947. Ergebnisreich kann ebenfalls eine Recherche in den Beständen der Bibliothek der School of Oriental and African Studies in London sein. Auch die Library of Congress in Washington gehört neben der British Library zu den Bibliotheken mit den größten Beständen zur Region Südasien.
Der Online-Zugriff auf Bibliothekskataloge in Südasien selbst ist auch heute noch immer unbefriedigend. Zwar verfügen alle Länder über Nationalbibliotheken, landesweite Verbundkataloge gibt es jedoch nicht oder der Zugang steht nur registrierten Nutzern zur Verfügung. Letzteres ist beispielsweise beim indischen Bibliothekskonsortium Delnet der Fall. Eine Ausnahme stellt IndCat dar, ein Verbundkatalog der indischen Universitäten. Als Ausgangspunkt für Recherchen zur Geschichte einzelner südasiatischer Länder bieten sich die jeweiligen Nationalbibliotheken an:
– National Archives and National Library of Bangladesh
– National Library of Bhutan
– National Library of India
– National Library of Maldives
– Nepal National Library
– National Library of Pakistan
– National Library of Sri Lanka.
Archive
Für die geschichtswissenschaftliche Forschung zu Südasien sind die jeweiligen Nationalarchive der Länder von großer Bedeutung. Zu nennen sind hier National Archives of India, National Archives of Pakistan und Department of National Archives Sri Lanka. In den anderen südasiatischen Ländern übernehmen meist die Nationalbibliotheken zugleich die Aufgabe eines landesweiten Archives. Jedoch gilt, wie bereits bei den Nationalbibliotheken, dass das Online-Angebot der einzelnen Nationalarchive stark variiert.
Aufgrund der über dreihundertjährigen Präsenz Großbritanniens in den Ländern Südasiens sind die Archive des Vereinigten Königreichs für die Südasienforschung unverzichtbar. Die Bestände der ehemaligen India Office Library stehen heute als Teilsammlung der British Library der Forschung zur Verfügung und umfassen Manuskripte in den zahlreichen südasiatischen Sprachen, archivalische Quellen zur Verwaltung Indiens unter der Herrschaft der East India Company und später der englischen Krone sowie frühe Photographien.
Für die Geschichte der deutsch-indischen Beziehungen sowohl vor als auch nach der indischen Unabhängigkeit im Jahr 1947 sowie die Beziehungen Indiens zur Deutschen Demokratischen Republik finden Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen im Bundesarchiv in Berlin relevantes Archivgut. Die Bestände sind über diverse elektronische Rechercheanwendungen sehr gut erschlossen.
Museen
Eine wichtige Ressource für Informationen zur Landesgeschichte der südasiatischen Staaten stellen die jeweiligen Nationalmuseen dar:
– Bangladesh National Museum
– National Museum of Bhutan
– National Museum of India
– National Museum of Nepal
– Department of National Museums, Sri Lanka.
In ihren Online-Angeboten weisen diese Museen qualitativ jedoch sehr große Unterschiede auf. Während einige Museen einen Online-Zugriff auf ausgewählte Objekte und Dokumente ihrer Sammlungen anbieten, informieren andere lediglich allgemein über die Sammlung des Museums. Im Fall von Pakistan und den Malediven gibt es gegenwärtig keinen Internetauftritt.
Eines der ältesten Museen in Südasien ist das Indian Museum in Kolkata, welches bereits 1814 gegründet wurde. Außerhalb Südasiens verfügt das British Museum über den größten Bestand an Skulpturen und Ausstellungsgegenständen aus Südasien, die dort seit 1830 gesammelt werden. Die Sammlung des Linden-Museums in Stuttgart widmet sich schwerpunktmäßig der Kultur- und Religionsgeschichte des südasiatischen Raums. Weiterhin sind das Museum für Asiatische Kunst in Berlin, das Museum Rietberg in Zürich, das Weltmuseum in Wien und das Musée Guimet in Paris zu nennen. All diese Museen verfügen über umfangreiche Sammlungen aus und zum südasiatischen Kulturraum.
2.2 Kommunikation
In den letzten Jahren hat die wissenschaftliche Kommunikation und Vernetzung über Mailinglisten, Blogs und soziale Medien deutlich zugenommen. Dieser Trend gilt auch für die Geschichte Südasiens. Für HistorikerInnen ist die Diskussions- und Kommunikationsplattform H-Asia von zentraler Bedeutung. Dabei gilt es zu beachten, dass die regionale Ausrichtung ganz Asien umfasst. Im deutschsprachigen Raum wird auch H-Soz-Kult von Südasien-HistorikerInnen genutzt, um über Neuerscheinungen zu informieren oder um Konferenzen anzukündigen bzw. darüber zu berichten.
Einige Fachvereinigungen und wissenschaftliche Einrichtungen bieten mittlerweile Blogs zum fachwissenschaftlichen Austausch an. Hier können der Blog der South Asian Archive and Library Group und South Asia Masala genannt werden, der von der Research School of Pacific and Asian Studies (Australian National University) betrieben wird sowie der Blog des Fachbereichs Medialität und Intermedialität in den Gesellschaften Asiens und Afrikas an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Einen interdisziplinären Blog zu Südasien betreibt auch das deutschsprachige Informationsportal suedasien.info. Ebenfalls von Interesse für die Geschichte Südasiens ist der Blog Indologica, der religions- und geschichtswissenschafliche Neuerscheinungen zu Südasien ankündigt. Weiterhin können auch His-Story, ein Blog unter anderem zur indischen Geschichte, aber auch Early Tibet genannt werden, bei dem der Schwerpunkt auf der Übersetzung und Kommentierung historischer Quellen zur tibetischen Geschichte des 7. bis 10. Jahrhunderts liegt. Bei Lal Salaam reflektiert der Autor des Blogs, Vinay Lal, Associate Professor für Geschichte an der Columbia University, über politische und zeitgeschichtliche Themen mit Bezug auf Indien und Südasien.
2.3 Digitale Medien
Eine digitale Sammlung in Deutschland bietet Literatur zu Südasien – digital, die im Rahmen des Fachportals CrossAsia realisiert wird. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Literatur aus dem 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert. Neben indologischen und religionswissenschaftlichen Texten werden auch historische Reiseberichte und historische Abhandlungen zu Architektur und Landeskunde veröffentlicht.
GRETIL ist ein an der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen betriebenes Archiv elektronischer Texte in südasiatischen Sprachen. Der Schwerpunkt liegt auf indologischen Texten in Sanskrit, die je nach Forschungsschwerpunkt als Quellen auch für HistorikerInnen bedeutsam sein können. Eine Sammlung von verschiedenen digitalisierten Materialien wie Zeitschriften und Bücher sowie Statistiken, Karten und Bilder findet sich auf den Internetseiten der Digital Library South Asia.
Eine kostenpflichtige, in Deutschland aber über eine Nationallizenz zugängliches Volltextdatenbank ist Empire Online, eine Sammlung von Quellenmaterial ab dem späten 15. Jahrhundert mit der thematischen Ausrichtung auf Kolonialismus und Kolonialgeschichte. Für die indische Unabhängigkeitsbewegung und die Rolle Mohandas Karamchand Gandhis bietet GandhiMedia ein umfassendes digitales Archiv, welches Bilder, (Hör)-Bücher und Videoausschnitt online und frei zugänglich zur Verfügung stellt. Indien verfügt seit 2008 über eine Digital Library of India. Das Projekt an dem landesweit mehrere Institutionen beteiligt sind, soll später als Gateway zu verschiedenen digitalen Sammlungen dienen und auch Zeitschriften und Manuskripte umfassen. Gegenwärtig sind bereits mehrere tausend Bücher in Englisch, aber auch verschiedenen indischen Sprachen digitalisiert. Weiterhin bietet das Indira Gandhi National Centre for the Arts (IGNCA) eine Sammlung von digitalen Büchern, Bildern und Manuskripten an. Der Schwerpunkt der Sammlung liegt dabei auf Kunstgeschichte, Archäologie und Kulturwissenschaft.
Erwähnenswert sind auch die elektronischen Angebote der British Library Online Gallery in Bezug auf die südasiatische Geschichte. Hierunter befinden sich online zugängliche Bücher, Bilder und Fotografien. Dokumente und Veröffentlichungen aus der Zeit der britischen Kolonialherrschaft sind auch über das australische Gemeinschaftsprojekt Digital Colonial Documents (India) verfügbar. Historische Reise- und Expeditionsberichte aus Südasien und Tibet, darunter von Marc Aurel Stein und den Gebrüdern Schlagintweit, wurden im Rahmen des Digital Archive of Toyo Bunko Rare Books retrodigitalisiert. Eine Sammlung historischen Kartenmaterials verschiedener historischer Epochen in der Region Südasien enthält Maps of South Asia, die von Frances W. Pritchett, Professorin an der Columbia University, zusammengestellt wurde. Bildmaterial zu eine großen Zahl von historischen Stätten aus ganz Südasien bietet die Internetseite Asian Historical Architecture.
Eine umfangreiche digitale Sammlung zur Geschichte und Kultur Bengalens ist in das Fachportal CrossAsia integriert. Gemeinsam mit dem Centre for Studies in Social Scienes, Calcutta (CSSSC) wurden bisher eine Sammlung historischer bengalischer und assamesischer Zeitschriften sowie eine Sammlung von historischen Buchpublikationen in Bengali und Englisch online verfügbar gemacht.
Elektronische Zeitschriften
Reine Online-Journals, die sich dezidiert mit der südasiatischen Geschichte befassen, bilden bislang eine Ausnahme. In der Regel handelt es sich bei den meisten Online-Journals um Parallelausgaben gedruckter Zeitschriften. Eine nennenswerte Ausnahme ist die jährlich erscheinende Zeitschrift Südasien-Chronik, die seit 2011 am Seminar für Südasien-Studien an der Humboldt-Universität zu Berlin herausgegeben wird. Inhaltlich liegt der Schwerpunkt auf sozial-kulturwissenschaftlichen Themen und es werden alle Länder der Region Südasien berücksichtigt.
Bei der Zeitschrift SAMAJ - South Asia Multidisciplinary Academic Journal handelt es sich ebenfalls um ein genuines Online-Journal mit einem Schwerpunkt auf Geschichte, Geographie und Ethnologie Südasiens.
Die meisten dieser Periodika haben einerseits einen breiteren regionalen Fokus, der den gesamten asiatischen Raum abdeckt, andererseits handelt es sich um Fachzeitschriften, die einen interdisziplinären Charakter haben und nicht ausschließlich auf die Geschichtswissenschaften fokussiert sind.
Elektronische Publikationen
Das eigenständige elektronische Publizieren ist unter den HistorikerInnen, die sich mit der Geschichte Südasiens beschäftigen, noch nicht allzu weit verbreitet. Einzelne Dokumente wie Zeitschriftenaufsätze, Beiträge zu Sammelbänden oder Arbeits- und Forschungspapiere werden individuell online zugänglich gemacht und sind quer über das World Wide Web verteilt. Auch wenn der Trend zur Zweit- bzw. Parallelveröffentlichung im Internet zugenommen hat, kann noch immer nicht von einem systematischen elektronischen Publizieren gesprochen werden.
Das Online-Repositorium CrossAsia-Repository, eine Publikationsplattform für die Asienwissenschaften, enthält für das Fachgebiet Geschichte und Archäologie mittlerweile etwa 200 Dokumente. Innerhalb des Dokumentenservers gibt es gegenwärtig auch drei Schriftenreihen und Serien, die von der Abteilung Geschichte Südasiens am Südasien-Institut in Heidelberg herausgegeben werden:
– Elektronische Veröffentlichungen zur Geschichte Südasiens
– Internet Publications on South Asian History
– Lectures on South Asian History
Eine umfassende Suche nach elektronischen Dokumenten zur südasiatischen Geschichte ermöglicht OAIster, eine Datenbank, in der die Daten von etwa 1.500 Online-Repositorien nachgewiesen sind. Mit BASE, entwickelt von der Universität Bielefeld, steht ein weiteres leistungsstarkes Suchinstrument für die Recherche nach im Sinne des Open Access zugänglichen Dokumenten zur Verfügung.
Veröffentlichungen zur Geschichte Südasiens, besonders zur Geschichte Pakistans, finden sich im Pakistan Research Repository. Der Schwerpunkt dieser Publikationsplattform liegt auf der Online-Veröffentlichung von Doktorarbeiten und hochwertigen Abschlussarbeiten, die an pakistanischen Hochschulen entstanden sind. Veröffentlichungen, unter anderem zur Geschichte Bhutans, sind über die Website des Center for Bhutan Studies verfügbar.
Auf ihrem Portal zur Medizingeschichte in Indien während des 19. und 20. Jahrhunderts Kolonialregierung stellt die National Library of Scotland eine umfassende Sammlung digitalisierter Dokumente zu Krankheit, Hygiene, Krankheitsbekämpfung, medizinischen Forschungen usw. online zur Verfügung.
Thematische Websites
Die Zahl an Internetquellen, die Informationen und Angebote in historischer Perspektive zur Region Südasien beinhaltet, ist sehr hoch. Daher kann an dieser Stelle nur auf wenige, ausgewählte Internet-Ressourcen eingegangen werden. Wissenschaftlich relevante Websites werden in enger Auswahl sukzessive in der Zeitschriftendatenbank (ZDB) katalogisiert und über den Fachkatalog Südasien als Online-Ressource nachgewiesen.
Umfangreiche Informationen zur südasiatischen und besonders zur indischen Geschichte sind auf der Website Manas verfügbar. In verschiedenen Beiträgen wird auf alle Epochen der südasiatischen Geschichte eingegangen. Ein empfehlenswertes deutschsprachiges Angebot ist das Dossier Indien, welches die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) online veröffentlicht hat. Das 2014 überarbeitete und erweiterte Online-Dossier enthält zahlreiche Beiträge, die sich explizit oder zumindest mit einem starken Bezug, auch mit der indischen Geschichte befassen.
Für die alte Geschichte des indischen Subkontinents sind die umfangreichen Internetseiten des Archaeological Survey of India (ASI) sowie des National Fund for Cultural Heritage in Pakistan von Bedeutung. Speziell mit der Geschichte der Induskultur befasst sich die Website Harappa. Mit der Geschichte des Reiches von Vijayanagara befasst sich das Vijayanagara Research Projekt, über dessen Homepage viele Informationen zu diesem mittelalterlichen Regionalreich verfügbar sind.
Als wichtige institutionelle Homepage kann die des Indian Council of Historical Research genannt werden. Das South Asian Research Centre for Advertisment, Journalism and Cartoons (SARCAJC) widmet sich der Mediengeschichte und hat einen zeitlichen Schwerpunkt auf der neuesten Geschichte Südasiens.
Die Geschichte Bengalens steht im Mittelpunkt der Internetseite History of Bengal, die verschiedene thematische Online-Artikel beinhaltet. Speziell zur Geschichte von Bangladesch gibt es mit dem Online-Angebot Banglapedia eine Online-Enzyklopädie, die 2012 in einer zweiten, überarbeiteten Version veröffentlicht wurde. Zur Geschichte Sri Lankas bietet die Website Lankapura umfangreiches Bild- und Kartenmaterial.
Die Website Asian Arts unterhält eine Zusammenstellung von zahlreichen Online-Ausstellungen, die unter anderem auch einen Schwerpunkt auf die südasiatische Geschichte legen.
3. Zusammenfassung und Ausblick
Die im Internet vorhandenen diversen Online-Angebote sind in den letzten Jahren auch für die Geschichtswissenschaft mit Bezug auf den südasiatischen Raum zu unverzichtbaren Hilfsmitteln geworden. Insbesondere die Informations- und Literaturrecherche sowie die Literaturbeschaffung hat sich stark gewandelt. Dies bringt einerseits ein komfortableres wissenschaftliches Arbeiten mit sich, andererseits führen die zahlreichen Angebote auch zu einer neuen Unübersichtlichkeit. Hier kommt es den Bibliotheken zu, als Informationszentren die Angebote auszuwählen und zu strukturieren.
Mit dem Clio-online Guide Südasien erheben wir nicht den Ausspruch, vollumfänglich die Online-Landschaft zur Geschichte Südasiens zu präsentieren. Wir haben uns auf zentrale Angebote beschränkt, die erstens von wissenschaftlicher Relevanz sind und die zweitens eine gewissen Nachhaltigkeit und drittens im Idealfall eine kontinuierliche Weiterentwicklung aufweisen.
Für den Einstieg in die Informationsrecherche bieten sich die drei vorgestellten Fachportale SARAI, Digital South Asia und CrossAsia an. Alle drei sind jedoch nicht auf das Themengebiet Geschichte begrenzt, sondern dienen als Angebote für das breite thematische Spektrum der Südasienwissenschaften.
Summarisch lässt sich feststellen, dass Internetquellen und Online-Angebote zur indischen Geschichte sowie zur Neueren und Neuesten Geschichte ein deutliches Übergewicht haben. Besonders die Geschichte der britischen Kolonialzeit in Südasien kann als online besonders gut erschlossen gelten. Angebote zu anderen historischen Epochen oder (historischen) Regionen sind eher unterrepräsentiert. Hier gibt es noch ein großes Entwicklungspotenzial. Auch wenn die bestehenden Lücken in den nächsten Jahren oder gar Jahrzehnten sicherlich nicht restlos geschlossen werden können, so kann doch davon ausgegangen werden, dass einige davon kleiner werden.
Literaturhinweise
Arnold, David, Südasien, Frankfurt am Main 2012 (= Neue Fischer Weltgeschichte, Bd. 11).
Bates, Crispin, Subalterns and the Raj. South Asia since 1600, London 2007.
Kulke, Hermann, Indische Geschichte bis 1750, München 2005.
Kulke, Hermann; Rothermund, Dietmar, Geschichte Indiens. Von der Induskultur bis heute, 2. Aufl. München 2010.
Lütt, Jürgen, Das moderne Indien 1498–2004, München 2012.
Mann, Michael, Geschichte Indiens. Vom 18. bis zum 21. Jahrhundert, Paderborn u.a. 2005.
Mann Michael, Geschichte Südasiens. 1500 bis heute, Darmstadt 2012.
Recherche zu Südasien
Merkel, Nicole; Geyer, Robby, Südasien digital: Savifa – Die virtuelle Fachbibliothek Südasien, in: Periplus: Jahrbuch für außereuropäische Geschichte 18.2008, S. 199–202.
Zitation
Robby Geyer / Nicole Merkel-Hilf, Südasien, in: Clio Guide – Ein Handbuch zu digitalen Ressourcen für die Geschichtswissenschaften, Hrsg. von Laura Busse, Wilfried Enderle, Rüdiger Hohls, Gregor Horstkemper, Thomas Meyer, Jens Prellwitz, Annette Schuhmann, Berlin 2016 (=Historisches Forum, Bd. 19), http://www.clio-online.de/guides/regionen/suedasien/2016.