1. Einleitung
Mit über 7.000 Museen und Gedenkstätten[1] verfügt Deutschland über eine weltweit nahezu einzigartige Dichte und Vielfalt an musealen Einrichtungen.[2] Da sich über die Hälfte der Museen[3] und nahezu alle Gedenkstätten explizit historischen Themen widmen, sind sie wichtige Institutionen für die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit sowie für die historisch-politische Bildung. Die Begriffe „Museum“ und „Gedenkstätte“ sind nicht rechtlich geschützt. Eine Orientierung geben die Definitionen der (Dach-)Verbände und ein Fokus auf die Aufgaben der Institutionen: Im Falle der Museen sind dies primär Sammeln, Bewahren, Forschen, Ausstellen und Vermitteln.[4] Die maßgebliche, wenngleich nicht auf alle Museen zutreffende, Definition stammt vom International Council of Museums (ICOM). Im Gründungsjahr 1946 erstmals veröffentlicht, wurde die Definition mehrfach überarbeitet. Mit Blick auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts stieß ICOM 2016 eine weitere Überarbeitung an, die intensive Diskussionen um das museale Selbstverständnis auslöste. Nach ausführlichen Debatten verabschiedeten die Mitglieder 2022 folgende Definition:
"Ein Museum ist eine nicht gewinnorientierte, dauerhafte Institution im Dienst der Gesellschaft, die materielles und immaterielles Erbe erforscht, sammelt, bewahrt, interpretiert und ausstellt. Öffentlich zugänglich, barrierefrei und inklusiv, fördern Museen Diversität und Nachhaltigkeit. Sie arbeiten und kommunizieren ethisch, professionell und partizipativ mit Communities. Museen ermöglichen vielfältige Erfahrungen hinsichtlich Bildung, Freude, Reflexion und Wissensaustausch."[6]
Gedenkstätten teilen die genannten musealen Aufgaben weitestgehend, befinden sich allerdings zumeist an „historischen Orten staatlicher, terroristischer oder katastrophenbedingter Gewalt“[7] und befassen sich daher auch explizit mit Gedenken und Erinnerung. 2001 gründete sich unter dem Dach von ICOM das International Committee for Memorial Museums in Remembrance of the Victims of Public Crimes (ICMEMO), das im Jahr 2012 gemeinsam mit der International Holocaust Remembrance Association (IHRA) die Internationale Gedenkstätten-Charta verabschiedete: Diese charakterisiert Gedenkstätten als „Geschichtsmuseen der Gegenwart“ bzw. „Museen der Zeitgeschichte“, die sich „vorwiegend mit dem Gedenken an Verbrechen gegen Minderheiten“ befassen und über einen ausgeprägten Bildungsauftrag verfügen. Ziel sei eine „pluralistische Erinnerungskultur“. Sie verweist auf den „vorwiegend wissenschaftlichen Charakter“ der Tätigkeiten, betont allerdings ebenso die zivilgesellschaftliche Verankerung und die offene Diskussion mit einzelnen Personen und Interessensgruppen. Die Darstellung von Opfer- und Täter:innenperspektiven wird in der Charta ebenso diskutiert wie die Chancen und Herausforderungen der Vermittlungsarbeit an „authentischen historischen“ Orten.[8]
2. Museen und Gedenkstätten im digitalen Wandel
Die Anfänge der Digitalisierung im Museum reichen zurück zu US-amerikanischen und britischen Museen der 1960er Jahre. Im Fokus standen zunächst vor allem der Umgang mit Sammlungsbeständen und die Entwicklung elektronischer Objektdatenbanken.[9] Ende der 1980er Jahre entstand in der bundesdeutschen Museumslandschaft ein größeres Interesse an digitaler Dokumentation und Sammlungsarbeit. Ebenso wie der verstärkte Einsatz elektronischer Datenverarbeitung für Büro- und Verwaltungstätigkeiten, zielten diese Bestrebungen vorerst auch auf die Optimierung interner Arbeitsabläufe. Eine erste Öffnung zum – zu diesem Zeitpunkt vergleichsweise begrenzten – digitalen Publikum erfolgte in Form besuchszentrierter Informationen via Websites, vereinzelter Präsentationen von Objekten und „virtueller Museen“ ab Mitte der 1990er Jahre.[10]
Nahezu parallel zur Evolution des Internets – vom statischen Web 1.0 über das interaktive, soziale Web 2.0 bis hin zum semantischen, algorithmenbasierten Web 3.0 – entwickeln sich seither mit zunehmender Geschwindigkeit digitale Nutzungsszenarien und Angebote in Museen sowie Gedenkstätten.[11] Heute befinden sich diese Institutionen – wie nahezu alle Lebens- und Gesellschaftsbereiche – in einer tiefgreifenden digitalen Transformation. Dieser Veränderungsprozess erfasst (fast) alle Gebiete der Einrichtungen, berührt deren Kernaufgaben und wirkt sowohl intern wie extern: Entlang der Regeln einer immer stärker digital geprägten Welt wandeln sich auch die Entstehungs- und Rezeptionsbedingungen kultureller Angebote. Digitale Technologien und Anwendungen verändern interne Arbeitsabläufe sowie Produktion, Funktionsweise und Möglichkeiten musealer Projekte. Dies erfordert neue Kompetenzen, die sich auch in den Berufsbildern und institutionellen Strukturen niederschlagen.[12] Digitale Angebote und Möglichkeiten befördern bestenfalls eine neue Öffnung der Museen und wirken sich auf deren Selbstverständnis aus: Die Inhalte der Institution werden orts- und zeitunabhängig zugänglich. Open-Access-Ansätze und aggregierende Portale treiben die Vernetzung von Wissen voran. Die Kommunikation und Interaktion mit Besucher:innen sowie die Rolle des Publikums verschiebt sich zugunsten steigender Partizipation. Um all diese unterschiedlichen Felder zusammenzuführen und die damit verbundenen Herausforderungen zu bewältigen, erarbeiten Museen zunehmend abgestimmte digitale Strategien.[13] Explizit digitale Strategien legten etwa das Jüdischn Museum Frankfurt, die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden oder die Museen für Kulturgeschichte Hannover vor.[17]
Wenngleich die Digitalität in Museen bereits vor 2020 ein vieldiskutiertes Thema war[18], erfuhr das Feld durch die Corona-Pandemie einen signifikanten Schub: Durch mehrmonatige Schließungen fast ausschließlich auf den digitalen Raum beschränkt, weiteten über 40 Prozent der deutschen Museen ihre Aktivitäten aus – besonders in Form von Video- und Audioangeboten sowie intensivierter Social-Media-Kommunikation. Rund die Hälfte dieser Institutionen schuf neue Inhalte und Formate.[19] Eigens initiierte Förderungen, allen voran das Programm „NEUSTART KULTUR“ der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, erlaubten den Museen, in digitale Infrastruktur, technische Ausstattung und digital aufbereitete, inhaltliche Vorhaben zu investieren.[20]
Angesichts dieser dynamischen Entwicklungen sowie der Vielfalt des Feldes ist eine umfassende und vor allem längerfristig gültige Übersicht nur bedingt zu leisten. Der vorliegende Guide skizziert daher anhand herausgehobener Projekte mögliche Erscheinungs- und Nutzungsformen digitaler Angebote, informiert über Knotenpunkte und verweist zur selbstständigen Recherche auf zentrale, digital zugängliche Ressourcen von und über Museen sowie Gedenkstätten. Unter Berücksichtigung der sich wandelnden Forschungsinteressen – vor allem im Kontext der Verbreitung der Public History sowie der Digital Humanities – werden sowohl die in den Institutionen verwahrten Objekte als auch die Museen und Gedenkstätten selbst als möglicher Forschungsgegenstand in den Blick genommen. Der Fokus liegt dabei auf der deutschen Museums- und Gedenkstättenlandschaft. Entscheidend für die Auswahl der Projekte war, dass sie wichtige Impulse für die digitale Transformation setzten, als digitale Ressource über einzelne Ausstellungen hinausreichen, aktiv fortentwickelt werden und eine Vielzahl von Informationen bzw. Materialien bereitstellen.
3. Recherche in sparten- und institutionsübergreifenden Portalen
Klassische Suchmaschinen sind bei der Recherche nach digitalen Wissensbeständen aus Museen und Gedenkstätten aufgrund der umfangreichen, unspezifischen Ergebnismenge nur bedingt hilfreich. Zielführender sind die vielfältigen Webportale: Sie bündeln die Informationen zu Sammlungen vieler Gedächtnisinstitutionen an einem zentralen Zugangspunkt, erlauben feinjustierte Recherchen und bieten oftmals vertiefende Informationen zu den Organisationen sowie deren Themen. Dabei verfügen die Portale meist nicht über die Objekte oder ihre Digitalisate, sondern verweisen über Verlinkungen auf die vollständigen Fassungen auf den Seiten der jeweiligen Einrichtungen. Entscheidend hierfür sind Metadaten, also strukturierende Informationen, die Objekte einheitlich beschreiben sowie lokalisieren und damit ihre automatisierte Verarbeitung ermöglichen.[21] Um die unterschiedlichen Bestände zusammenführen, erschließen und die darin enthaltenen Objekte zielgerichtet auffinden zu können, gewinnen Standards für Metadatensysteme sowie Austausch- und Weitergabeformate an Bedeutung.[22] (Digitales) Kulturgut und die es verwaltenden Institutionen werden dadurch für breite Gruppen zugänglicher und sichtbarer. Durch die institutionen- und spartenübergreifende Ausrichtung entstehen bestenfalls neue Bezüge und Fragestellungen. In den letzten zehn bis fünfzehn Jahren entstand eine Reihe an Portalen, die sich auf unterschiedliche geografische Regionen oder ausgewählte Themen beziehen.
Europeana
Die digitale Kulturplattform Europeana versammelt und präsentiert Kulturgüter aller Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Im Jahr 2005 aus der Idee entstanden, eine virtuelle europäische Bibliothek zu schaffen, die das kulturelle Erbe Europas für alle zugänglich macht, bündelt Europeana Ende 2022 über 55 Millionen digitalisierter Objekte. Das Material stammt aus rund 3.700 europäischen Institutionen und umfasst Bilder, Texte, Ton- und Videodateien sowie 3D-Darstellungen. Mit dem Metadatenformat Europeana Data Model trägt das Projekt dazu bei, die Digitalisierung des kulturellen Erbes zu vereinheitlichen. Neben gezielten Such- und Filtermöglichkeiten eröffnet die Website auch über unterschiedliche Themen, Features und Ausstellungen – in denen ausgewählte Sujets über Texte, audiovisuelles Material und historische Dokumente aus institutionsübergreifenden Beständen erschlossen werden – Zugänge zu den Materialien. Alle durch Europeana veröffentlichten Metadaten sind gemeinfrei verfügbar und ermöglichen es gemeinsam mit offenen Programmierschnittstellen, die Inhalte für weitere Anwendungen zu nutzen. In einem kontinuierlichen Prozess entwickelt Europeana sich von einer „Suchmaschine“ hin zu einer Plattform, die Institutionen und Individuen vernetzen und im Umgang mit Kulturgut angesichts fortschreitender digitaler Transformation befähigen soll. Mit EuropeanaPro bietet die Website konkrete Ressourcen für Lehre und Forschung zu und mit digitalem bzw. digitalisiertem Kulturgut.
Deutsche Digitale Bibliothek
Um die Kulturgüter möglichst vieler europäischer Einrichtungen zusammenzufassen, nutzt Europeana Aggregatoren.[24] Diese sammeln die Daten verschiedener Kultureinrichtungen und geben sie an Europeana weiter. Als nationaler Aggregator für Deutschland fungiert die von Bund und Ländern finanzierte Deutsche Digitale Bibliothek (DDB). Dabei etablierte sich das Portal seit der Veröffentlichung der ersten Beta-Version 2012 zügig als zentraler Zugang zum digitalisierten kulturellen und wissenschaftlichen Erbe der Bundesrepublik.[26] Ziel ist es, bisher oft nur vereinzelt verfügbare Sammlungen für alle Menschen zugänglich zu machen und digitale Angebote deutscher Kultur- und Wissenseinrichtungen zu vernetzen. Perspektivisch sollen in der DDB alle Bestände und Sammlungen aus deutschen Gedächtnisinstitutionen sowie weiteren Kultur- und Wissenseinrichtungen dauerhaft und kostenfrei zugänglich sowie zur Nachnutzung bereitgestellt werden. Aktuell finden sich knapp 45 Millionen Objekte in der DDB, die von über 760 Organisationen[27] – Archiven, Bibliotheken, Museen, Mediatheken, Denkmalpflege- und Forschungsinstitutionen – bereitgestellt werden. Im Gegensatz zur Europeana verweist die DDB in Form von Erschließungsinformationen auch auf Materialien, v. a. aus Archiven, die (noch) nicht digitalisiert sind, und dient damit ebenso als Nachweisinstrument. Sofern möglich, enthalten die einzelnen Objektseiten Hinweise zu den Nutzungsmöglichkeiten bzw. den gewählten Creative Commons-Lizenzen.[28] Die Sammlungen decken ein breites Spektrum an Medien- und Objekttypen ab und sind über die Standard- sowie die erweiterte Suche recherchierbar. Die Suchoption „Stöbern“ und die Dossiers erlauben zudem ein Erkunden entlang vorgeschlagener Themen. Seit 2019 besteht für registrierte Kultur- und Wissenseinrichtungen die Möglichkeit, ihre Bestände in Form von virtuellen Ausstellungen mittels audiovisueller Medien und Texte zu präsentieren. Ein regelmäßiger Newsletter stellt die vielfältigen Objekte vor, präsentiert neue datenliefernde Organisationen und informiert zu Themen rund um Kultur und Digitalisierung. Bis Frühjahr 2023 wurde die DDB überarbeitet, um unter Beachtung zielgruppengerechter Bedürfnisse intuitiver zu funktionieren und Partizipation zu fördern.
Bei der Nutzung beider Plattformen ist zu beachten, dass bei weitem nicht das vollständige Kulturgut deutscher und europäischer Einrichtungen erfasst wird. Weiterhin recht geringe Digitalisierungsraten[29] und rechtliche Rahmenbedingungen, allen voran das Urheberrecht, erschweren umfassendere Darstellungen. Dabei führt vor allem die rechtliche Situation zu einem „schwarze[n] Loch des 20. Jahrhunderts“[30] in Europeana und DDB.
Google Arts & Culture
Einblicke in viele internationale Museen, Sammlungen und Sehenswürdigkeiten ermöglicht das Portal Google Arts & Culture. Als es Anfang 2011 online ging, konnten Nutzer:innen renommierte Museen, wie das MoMA, die Uffizien oder die Alte Nationalgalerie, digital in 360°-Ansichten erkunden und Kunstwerke in hochauflösender Qualität betrachten. In der aktuellen Fassung zeichnen sich das Web- und App-Angebot darüber hinaus vor allem durch die vielen niedrigschwelligen, intuitiven und explorativen Zugänge zu Kulturgütern aus der ganzen Welt aus. In unterschiedlicher Tiefe finden sich Inhalte von und über 3.000 kulturellen Institutionen aus rund 80 Ländern. Online-Ausstellungen informieren über die Organisationen, einzelne Ausstellungs- und Sammlungsbereiche oder ausgewählte Themen. Über die Option „Erkunden“ können sich User:innen den über sieben Millionen Objekten annähern und erhalten auf Wunsch vertiefende Informationen, teilweise sind Audioguides hinterlegt. Historische Ereignisse und Persönlichkeiten sind in eigens angelegten Kategorien aufgeführt. Zwar handelt es sich bei Google Arts & Culture um ein kostenloses Programm, dennoch wurde es aufgrund seines kommerziellen Anbieters in der Vergangenheit wiederholt kritisch diskutiert.[32]
Weitere Kulturportale
Ähnliche (nationale) Plattformen wie in Deutschland finden sich auch in Österreich und der Schweiz: Als gemeinsame Plattform für die Sammlung Schweizer Museen fungiert museums-online.ch, speziell dem audiovisuellen Kulturerbe der Schweiz verpflichtet sich das Portal Memobase. Das Pendant für das audiovisuelle Kulturgut Österreichs ist die österreichische Mediathek. Analog zur DDB dient als österreichischer Europeana-Aggregator das Portal Kulturpool, das als zentrales Übersichts- und Suchportal ebenfalls spartenübergreifende Recherchen in den Beständen österreichischer Gedächtnisinstitutionen ermöglicht.
Auf der Ebene der einzelnen deutschen Bundesländer etablieren sich ebenfalls zunehmend Kulturportale mit zusammenführender Funktion sowie landesgeschichtliche Informationssysteme, wie etwa in Baden-Württemberg (LEO-BW), Bayern (bavarikon), Hessen (Landesgeschichtliches Informationssystem), Mecklenburg-Vorpommern (Digitale Bibliothek), Niedersachsen (Kulturerbe Niedersachsen), Sachsen (Sachsen.digital) oder Thüringen (Kulthura).
Der genossenschaftlich organisierte digiCULT-Verbund bietet Strukturen zur digitalen Erfassung und Publikation von Museumsbeständen. Daraus entwickelten sich seit den frühen 2000er Jahren mehrere regionale Museumsportale, in denen die Bestände der dortigen Museen und Sammlungen zusammenfließen. Dazu zählen das Portal der schleswig-holsteinischen und hamburgischen Museen (Museen Nord), das Portal Museen im Saarland und das Museumsportal Thüringen (Museen in Thüringen). Die dort dargestellten Daten werden zudem in der DDB und Europeana eingebunden.
Aus einem Pilotprojekt der Museumsverbände Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz in Zusammenarbeit mit dem Institut für Museumsforschung entstand ab 2009 das Angebot museum-digital. Ziel ist es, die Digitalisierung musealer Sammlungen voranzutreiben und Museen aller Größe zu befähigen, ihre Objekte zu inventarisieren, kollaborativ zu veröffentlichen und sie damit einem breiten Publikum digital zur Verfügung zu stellen. Die verwendete Software entwickeln die beteiligten Akteur:innen selbst weiter, wobei die einfache und kostengünstige Nutzung wichtige Merkmale sind. Mittlerweile haben sich viele – primär nach Bundesländern oder Regionen organisierte – Plattformen unter dem Dach des Projekts gebildet. Auf dessen Grundlage bietet das Gedenkstättenreferat der Stiftung Topographie des Terrors mit gedenkstätte-digital seit 2020 auch Gedenkstätten und -initiativen die Möglichkeit, ihre Sammlung digital zu verwalten und zu präsentieren.
Beispiele für kommunale Projekte sind das digitale Kunst- und Kulturarchiv Düsseldorf (d:kult), in dem die Sammlungen der städtischen Museen, Kulturinstitute sowie Stiftungen vorgestellt und virtuelle Ausstellungen zugänglich gemacht werden, sowie die Sammlungen online der Museen der Stadt Dresden. Ortsbezogen informieren eigene Museumsportale oder häufig die jeweilige Website der Region oder Stadt über das dortige Museumsangebot und aktuelle Ausstellungen.[52]
Darüber hinaus existieren thematische Portale wie prometheus, das als „verteiltes digitales Bildarchiv“ fotografische Bestände aus über 110 Instituts-, Forschungs- und Museumsdatenbanken und damit knapp drei Millionen Aufnahmen an einem Ort durchsuchbar macht.
Recherche nach aktuellen musealen Projekten
Einen Anhaltspunkt für qualitativ hochwertige wie innovative Museums- und Ausstellungsprojekte bieten Awards wie der European Museum of the Year Award des europäischen Museumsforums sowie die jährlich vergebenen Awards der European Museum Academy.[56] Seit 2020 zeichnet der DigAMus-Award besonders gelungene digitale oder hybride Projekte von GLAM[58]-Institutionen in mehreren Kategorien aus. Einem breiteren Feld wendet sich der Grimme Online Award zu, der ebenfalls herausragende Online-Angebote auszeichnet. Museen und Gedenkstätten befinden sich regelmäßig unter den Nominierten, die begleitende Online-Kommunikation liefert vertiefende Informationen zu den einzelnen Einreichungen.
Als Vernetzungsformat diente seit 2014 der Kultur-Hackathon Coding da Vinci: Ein gemeinsames Vorhaben der Deutschen Digitalen Bibliothek, des Forschungs- und Kompetenzzentrums Digitalisierung Berlin (digiS), der Open Knowledge Foundation Deutschland und Wikimedia Deutschland, das Kultur- und Wissenseinrichtungen mit Personen der Open Data- und Creative-Tech-Community zusammenbrachte. In den über 200 entstandenen Projekten[61] zeigte sich das Potenzial digitaler, offener Kulturdaten. Nachdem die Förderung Ende 2022 auslief, ist unklar, wie das Format zukünftig fortgeführt werden kann. Eine ähnliche Funktion übernimmt in der Schweiz der Swiss Open Cultural Data Hackathon und in Österreich der Kulturhackathon.
Einen vernetzenden Charakter haben zudem die Förderprogramme auf Bundes- und Länderebene,[64] die in den letzten Jahren zu digitalen und hybriden Museumsprojekten initiiert wurden. Besonders gilt dies für das Verbundprojekt museum4punkt0: Es verbindet bundesweit eine Vielzahl an Museen und untersucht explorativ, wie digitale Anwendungen die Vermittlungsarbeit und Partizipation bereichern können.[66]
Die wichtigste Tagung im deutschsprachigen Raum rund um Museen und Internet ist die jährlich stattfindende, seitens des Landschaftsverbands Rheinland organisierte MAI-Tagung. Ausgewählte Beiträge werden im Nachgang (in Teilen) online gestellt. Weitere zentrale Tagungen zu musealen und erinnerungskulturellen Themen richten vor allem die (Dach-)Verbände aus.
4. Quellen in Museen und Gedenkstätten
Museen und Gedenkstätten sammeln und bewahren große Teile des kulturellen Erbes. So unterschiedlich die einzelnen Museumstypen sind – etwa mit Schwerpunkten auf Kunst, Alltagskultur, Geschichte, Natur und Technik –, so groß ist die Vielfalt der Objekte. Gemeinsam mit den zugehörigen, bestenfalls ausführlich dokumentierten Informationen[68] sind diese Objekte wichtige Quellen für die (geschichtswissenschaftliche) Forschung.
4.1 Online verfügbare Sammlungen
Sammlungen sind ein konstitutives Merkmal für Museen und dienen vielen Institutionen als Einstieg in die digitale Transformation. Die Digitalisierung von Sammlungen umfasst dabei zum einen die Retrodigitalisierung analoger Objekte. Zum anderen zielt sie weitergehend auch auf die digitale Erfassung, Dokumentation und Verwaltung musealer Sammlungen und reicht bis zu digitalen Veröffentlichungen sowie der Einbindung in weiterführende Angebote in Ausstellungen oder Vermittlungsformaten und dem Einsatz in der Forschung. 2016 erfassten rund 54 Prozent der deutschen Museen ihre Bestände computergestützt, d.h. mithilfe einer Datenbank oder digitaler Dateien.[69] Motivation war hierfür meist eine Unterstützung der internen Arbeitsabläufe, zunehmend wenden sich die Museen mit ihren Sammlungen allerdings an die Öffentlichkeit im Netz. Dabei änderten sich in den letzten 10 bis 15 Jahren nicht nur die bereitgestellten Materialien, sondern auch die Nutzungsszenarien: Während anfangs nur geringauflösende Abbildungen kostenfrei online gestellt wurden und Sammlungen im Netz eher einem Nachweis glichen, verschreiben sich heute immer mehr Institutionen einem Open-Access-Ansatz und verstehen das Online-Angebot als relevantes Vermittlungs- und Unterhaltungsmittel. 2019 präsentierte jedes fünfte deutsche Museum, das sich an der entsprechenden Umfrage des Instituts für Museumsforschung beteiligte, Objekte im Netz. Dabei gilt: Je größer die Sammlung, desto eher präsentieren die Museen digitale Objekte. Allerdings steht bisher nur ein kleiner Teil der Bestände tatsächlich für die Öffentlichkeit online.[70] Technische, organisatorische und rechtliche Herausforderungen hemmen den Ausbau der Digitalisierung. Zudem setzen sich museale Sammlungen häufig aus 3D-Objekten verschiedener Materialität zusammen, die ihren Informationsgehalt erst im Zusammenspiel mit kontextualisierenden Hinweisen entfalten.
Mit der fortschreitenden Digitalisierung ändern sich nicht allein Verwaltung und Präsentation musealer Sammlungen, sondern ebenso das Sammlungsgut und die von Historiker:innen zu befragenden Quellen: In steigender Anzahl finden „Born-digitals“, d. h. genuin digitale Objekte, wie etwa Fotografien, E-Mails oder Software, Eingang in die Sammlungen. Angesichts ihrer immateriellen Form sowie ihrer Vielfalt und Masse stellen sie deren bisher zugrunde liegenden Ordnungsprinzipen sowie deren Anspruch auf Originalität vor Herausforderungen.[71]
Open Access und Sammlungen
Zunehmend etablieren sich umfangreichere digitale Sammlungen einzelner Institutionen, deren besonderes Potenzial in der größeren Sichtbarkeit[72] und damit der zunehmenden Vernetzung mit anderen, auch spartenübergreifenden Wissensbeständen liegt. Voraussetzung hierfür sind frei verfügbare Daten mithilfe derer die Sammlungen für die interessierte Öffentlichkeit und für Forschungsvorhaben weiter nutzbar gemacht werden.
Eine Vorreiterrolle in Deutschland nimmt auf diesem Feld das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe (MK&G) ein: Auf der Plattform MK&G Sammlung Online präsentiert das Museum seit Oktober 2015 eine Auswahl seiner Bestände, zunächst vor allem Highlight-Objekte sowie Exponate aus den Bereichen Fotografie und Grafik. Ein digitaler Katalog mit unterschiedlichen Filter- und Sortieroptionen ermöglicht es, die digitalisierten Sammlungsbestände zu durchsuchen, und stellt Erschließungsdaten sowie kontextualisierende Informationen bereit. Die Besonderheit: Objekte, die urheberrechtlich nicht mehr geschützt sind, werden durch das Museum nicht weiter lizensiert, sondern gemeinfrei und in hoher Auflösung für die Öffentlichkeit zum Download angeboten. Alle Metadaten sind ebenfalls gemeinfrei in einem maschinenlesbaren Format freigegeben. Leicht verständliche Erklärungen zur Bedeutung von Public Domain[74] sowie „Do It Yourself“-Anleitungen zum kreativen Umgang mit den bereitgestellten Materialien fordern die Nutzer:innen dazu auf, die Sammlung nach je eigenen Vorstellungen zu nutzen und zu teilen. Damit rekurriert das Museum auf eine seiner Gründungsideen aus den 1870er Jahren: Gelungene Design-Objekte sammeln und ausstellen, um sie Beschäftigten im Kunsthandwerk oder Industriedesign zur Inspiration zugänglich zu machen.
Wichtige Voraussetzung für die Sammlung Online war ein Ende 2012 begonnenes Projekt zur digitalen Inventarisierung, das perspektivisch alle rund 500.000 Objekte des Museums digitalisieren und katalogisieren soll. Um die Sammlung international nutzbar zu machen, wurde die vorhandene digitale Datenbank umgestellt, auf die Interoperabilität der Daten geachtet, interne Arbeitsweisen durch angepasste Richtlinien und Schulungen verändert und das Vorhaben in eine umfassende digitale Strategie eingebettet.[75] Ausgehend von der Annahme, Sammlungen in Museen erhielten „ihre Bedeutung nicht per se, sondern durch die Interaktion und Interpretation durch unterschiedliche Menschen und Gemeinschaften“[76] beschäftigt sich das MK&G, gemeinsam mit dem Bremer Übersee-Museum und dem schwedischen Nationalmuseum, weiter mit digitalen Sammlungen: Im Rahmen des Projekts NEO Collections verfolgen die Museen seit 2020 die Frage, wie digitale Sammlungen – auf den Grundlagen von Open Access und Partizipation – angelegt, fortgeführt und für unterschiedliche Zielgruppen inner- und außerhalb der Museen noch besser zugänglich gemacht werden können.[78]
Damit ist das Museum für Kunst und Gewerbe Teil einer Reihe internationaler Gedächtnisinstitutionen, die ihre Bestände im Sinne des OpenGLAM-Konzepts zur Verfügung stellen.[79] Als eine der ersten Institutionen gehört auch das niederländische Rijksmuseum dazu: Gegen Ende einer zehnjährigen Renovierungsphase, die mit weitreichenden Schließungen des Museums einherging, veröffentlichte das Amsterdamer Museum im Oktober 2012 das Projekt Rijksstudio.[81] Auf der Plattform erhalten Nutzer:innen Zugang zu hochauflösenden Abbildungen von allen digitalisierten, aufgrund ihres Alters gemeinfreien Objekten – und damit zu Meisterwerken von Rembrandt, Vermeer und van Gogh – und werden dazu eingeladen, die Digitalisate herunterzuladen und frei nach ihren Vorstellungen zu nutzen. Mit dem hochdotierten „Rijksstudio Award“ werden darauf aufbauende, innovative Neuschöpfungen ausgezeichnet. Die angebotenen Inhalte sind eng mit der analogen Ausstellung verknüpft: Besucher:innen erfahren, wo die Objekte im Museum zu finden sind. Online selbst zusammengestellte oder vorgeschlagene thematische Touren lassen sich in die App übertragen und führen durch den Museumsbesuch.
Recherche und Präsentation von Sammlungen
Unterstützung bei der Suche nach wissenschaftlichen, objektbasierten Sammlungen an deutschen Universitäten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen bietet das Portal Wissenschaftliche Sammlungen, das auch ein Wiki zur Praxis der Erschließung und Digitalisierung dieser Bestände enthält. Das Datenbank-Infosystem der Universität Regensburg verweist auf wissenschaftliche Datenbanken, die auch über Museen und Gedenkstätten informieren oder von ihnen stammen. Dabei handelt es sich sowohl um elektronische Volltexte, Sammlungen von Museen und Gedenkstätten sowie virtuelle Museen. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl an Online-Sammlungen einzelner Institutionen sowie Datenbanken zu einzelnen Objekt- oder Personengruppen und Themenschwerpunkten.
Exemplarisch sei bei Institutionen auf die folgenden Sammlungen verwiesen: Staatliche Museen zu Berlin, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, die ihren vollständigen Bestand digital verfügbar machen, Jüdisches Museum Berlin, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Stiftung Berliner Mauer. Die digitale Sammlung des Städel Museums verfolgt die Idee des „digitalen Schlenderns“[90] und zeigt, wie explorative Darstellungen funktionieren können. Eindrucksvolle digitale Sammlungspräsentationen bietet im internationalen Raum – mit der Heilbrunn Timeline of Art History und den storytelling-basierten Zugängen des Projekts Connections – das MET.
Als Beispiele für Datenbanken seien genannt: Die interaktiven Kataloge der Münzkabinette, die Berliner Papyrusdatenbank oder die deutsche Auswanderer-Datenbank des Historischen Museums Bremerhaven. Das Jüdische Museum Berlin verzeichnet in der Topographie der Gewalt antisemitische Gewalttaten in Deutschland 1930–1938. Ein Themenportal zur kunsthistorischen Forschung mit vielen Funktionalitäten ist arthistoricum. Es enthält u. a. mit German Sales digitalisierte Auktions- und Verkaufskataloge (schwerpunktmäßig deutschsprachige Kataloge aus den Jahren 1901 bis 1945). Gedenkstätten stellen häufiger digitale Toten- bzw. Gedenkbücher bereit, etwa des KZ-Sachsenhausen 1936–1945, des KZ Neuengamme oder des KZ Buchenwald 1937–1945. Als internationale Forschungsplattform für Opfer nationalsozialistischer Verfolgung vernetzen die durch die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg verwalteten Memorial Archives Daten und Dokumente zu den Betroffenen und versammeln weiterführende Web-Ressourcen.
Wie die Möglichkeiten des digitalen Raums zur ästhetisch ansprechenden und informativen Visualisierung digitalisierter Sammlungsbestände genutzt werden können, zeigt das Forschungsvorhaben VIKUS (Visualisierung kultureller Sammlungen).[102] Am Beispiel von Objekten der Stiftung preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg zeigt sich, wie Konvolute neu kategorisiert, Objektbeziehungen innovativ dargestellt und für Laien wie Forschung gleichermaßen zugänglich präsentiert werden können.
Vernetzung von Forschungsdaten
Mit ihren Sammlungen stellen Museen und Gedenkstätten eine Vielzahl digitaler Forschungsdaten zur Verfügung, die für die wissenschaftliche Nutzung der bereitgestellten Wissensbestände von besonderer Bedeutung sind. Dabei bezeichnet der Begriff Forschungsdaten „alle digital vorliegenden Daten, die während des Forschungsprozesses entstehen oder ihre Ergebnisse sind“[103]. Besonders im Bereich der Geisteswissenschaften handelt es sich dabei um höchst heterogene (im-)materielle Forschungsgegenstände, etwa „audiovisuelle Informationen, Texte“ oder „Objekte aus Sammlungen“[104]. Um diese Daten spartenübergreifend zu erschließen, zu vernetzen sowie nachhaltig, in hoher Qualität nutzbar und auffindbar zu machen, befindet sich derzeit – gefördert durch Bund und Länder – die Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) im Aufbau.
Bereits seit der ersten Ausschreibungsrunde gefördert wird das Konsortium NFDI4Culture, das sich vor allem auf Forschungsdaten zu (im-)materiellen Kulturgütern fokussiert. Im März 2023 nahmen, gefördert für fünf Jahre, zwei weitere Konsortien ihre Arbeit auf: NFDI4Memory – das sich vor allem mit historischen Daten beschäftigt und Historiker:innen, Gedächtnisinstitutionen sowie Informationsinfrastruktur-einrichtungen verbinden möchte – und das sich den materiellen Hinterlassenschaften der Menschheitsgeschichte widmende NFDI4Objects.[108]
Mit dem Datenraum Kultur, Teil der Digitalstrategie der Bundesregierung, entsteht derzeit eine digitale Infrastruktur, um spartenübergreifend kulturbezogene Daten (etwa zu Veranstaltungen oder Digitalisaten) zusammenzuführen und auszutauschen.
Repositorien
Einen internationalen Überblick über Repositorien für Forschungsdaten gibt re3data. Das Verzeichnis ist nicht auf die Geschichtswissenschaft beschränkt, allerdings mit differenzierenden Sucheinstellungen ausgestattet. Für Open-Source-Projekte – einzelner Museen oder Verbünde, wie etwa museum4punkt0 – wird häufig der netzbasierte Dienst GitHub zum Teilen genutzt.
Ein wichtiges internationales Medienrepositorium für digital verfügbare Abbildungen, Grafiken sowie Audio- und Filmdateien ist Wikimedia Commons. Alle dort verfügbaren Inhalte, die zunehmend Sammlungen von Museen und Gedenkstätten abbilden, sind entweder gemeinfrei oder unter eine freie Lizenz gestellt. Als Datenrepositorium für Wikimedia- ebenso wie Wikipedia-Projekte dient Wikidata. In dieser freien und offenen Wissensdatenbank – alle Daten sind unter der Creative Commons Public Domain Dedication 1.0 bereitgestellt – werden einzelne Informationen ebenso abgebildet wie ihre Quellen und Beziehungen zu anderen Datenbanken. Auch für Gedächtnisinstitutionen wird dieses Angebot, das sowohl von Menschen sowie Maschinen gelesen und bearbeitet werden kann, bedeutender, um Wissen und Materialien auszutauschen und zu erweitern.
Provenienzforschung
Ein besonderes Potenzial digital verfügbarer Sammlungen und entsprechender Datenbanken liegt in der Möglichkeit, vorhandene Informationen neu zu kombinieren und mit Hinweisen zu erweitern. Dies ist von besonderer Relevanz für die Provenienzforschung.[113] Seit Anfang 2020 versammelt Proveana, die Forschungsdatenbank des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste, die Ergebnisse der vielfältigen durch das Zentrum geförderten Forschungsprojekte in Museen, Bibliotheken, Archiven sowie – im Kontext von NS-Raubgut – auch in privaten Institutionen und bei Personen. Die Datenbank bezieht sich auf vier Forschungskontexte: NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut, kriegsbedingt verlagertes Kulturgut, Kulturgutentziehungen in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR sowie Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten. Das Portal ist mit weiteren Datenbanken, etwa der Lost-Art-Datenbank, verknüpft, führt vertiefende Informationen und Literaturhinweise an und bietet Einblicke in Forschungsvorhaben. Weitere Forschungsansätze zu, zwischen 1933 und 1945 verfolgungsbedingt, entzogenem Kulturgut und der damaligen Kulturpolitik bietet die beim Deutschen Historischen Museum angesiedelte Datenbank zum „Central Collecting Point München“ und die im Londoner Victoria and Albert Museum befindliche Harry-Fischer-Liste.
Besonders größere museale Institutionen, wie die Staatlichen Museen zu Berlin, die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und die Dresdner Kunstsammlungen, publizierten in den letzten Jahren – sowohl analog wie digital – Ergebnisse ihrer Forschungsprojekte und stellten ihre Erwerbungsbücher online. Konkret handelt es sich dabei etwa um Projekte sowie Erwerbungsbücher und Zugangsverzeichnisse der Staatlichen Museen zu Berlin. Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen veröffentlichten 2022 die Provenienzketten der Objekte, die „in der NS-Zeit erworben und nach 1945 aus dem enteigneten Vermögen von Funktionären und Organisationen der NSDAP übernommen“[120] wurden. Die Staatlichen Kunstsammlungen bieten Recherchehintergründe, Informationen zu Forschungsprojekten und präsentieren Provenienzmerkmale in ihrer Datenbank. Auch viele weitere Museen stellen mittlerweile Informationen zur institutionsbezogenen Provenienzforschung auf ihren Websites zur Verfügung.
Eine besondere Aufmerksamkeit erhielten in den letzten Jahren Sammlungen, die in kolonialen Kontexten[122] entstanden sind: Unter dem Dach der Deutschen Digitalen Bibliothek wurde Ende 2021 das Portal „Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten“ veröffentlicht. Es enthält zunächst Informationen zu knapp 7.000 Objekte aus 25 Piloteinrichtungen und soll sich zur zentralen Plattform für Informationen zu diesem Sammlungsgut aus deutschen Kultur- und Wissenseinrichtungen entwickeln. Ebenfalls aufbauend auf der „3-Wege-Strategie“ – auf die Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände sich 2020 einigten, um möglichst große Transparenz bezüglich entsprechendem Sammlungsgut herzustellen – entstand die Kontaktstelle für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten. Sie fungiert als Anlaufstelle für Menschen und Institutionen aus den Herkunftsstaaten und -gesellschaften und verweist mit einer Datenbank sowie einer Linkliste auf digitale Sammlungen von Museen mit entsprechenden Beständen. Auf internationaler Ebene ist das Ende 2022 veröffentlichte und beim Museum am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt in Hamburg ansässige Projekt Digital Benin zu nennen. Das Portal listet über 5.000 Objekte aus über 130 internationalen Museen auf und bietet – auch in Form von Oral History-Ressourcen – kontextualisierende Informationen zu den Objekten, ihrer Verwendung und Provenienz.
4.2 Oral-History-Quellen
Neben den vorherrschenden dreidimensionalen Objektsammlungen verwahren, nutzen und generieren Museen und Gedenkstätten weitere wichtige Quellen. Besonders an Relevanz gewonnen haben seit den 1980er Jahren – sowohl in der Vermittlungsarbeit dieser Institutionen als auch in Schulen und im Fernsehen – meist als Ton- oder Videodokument vorliegende Interviews mit Zeitzeug:innen.[126] Diese Quellenart bietet einen persönlichen, subjektiven Zugang zu historischen Ereignissen, sensibilisiert in ihrer Vielfalt für die Multiperspektivität historischer Erfahrungen und weist aufgrund ihrer medialen Form – und der damit verbundenen Unmittelbarkeit – eine eigene sinnliche Qualität auf. Zugleich erfordern diese Bestände angesichts ihres Entstehungskontextes und dem damit verbundenen doppelten Konstruktionscharakter eine methodengeleitete Quellenkritik sowie ein Bewusstsein für Möglichkeiten und Grenzen des Mediums.[127]
Zeitzeugenportal
Ein Beispiel für die Nutzung dieser Quellen ist das Zeitzeugenportal der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Dessen Ausgangspunkt war ein Workshop 2015 auf Initiative der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) zu „Zeitzeugen in Geschichtswissenschaft und Vermittlung“ im Deutschen Historischen Museum – in Kooperation mit dem Bundesarchiv, der Stiftung Haus der Geschichte und dem Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa. Die Vorbereitungen zeigten, dass sich allein in rund 40 BKM-geförderten oder -finanzierten Gedächtnisinstitutionen etwa 10.000 Interviews auf analogen Datenträgern befinden.
Viele dieser Bestände liegen auf VHS- und Betacam-Kassetten sowie Tonbändern unterschiedlicher Art vor. Angesichts dieser Trägermedien sind die Daten oft von Verfall bedroht, aufgrund fehlender Abspielgeräte sind viele Aufnahmen zudem nicht mehr einsehbar. Weiterhin war lange offen, wie die rund 1.000 Interviews des bislang privat finanzierten Vereins „Gedächtnis der Nation“, der mit einem „Jahrhundertbus“ durch Deutschland reiste und vielfältige persönliche Erinnerungen aufzeichnete, zukünftig gesichert und verwendet werden könnten. In Anbetracht dieser Situation bestand dringender Handlungsbedarf: Das Kuratorium der Stiftung Haus der Geschichte beschloss – nach vorherigen intensiven Abstimmungen zwischen BKM, der Stiftung, dem Bundesarchiv und der Geschäftsführung des Vereins „Gedächtnis der Nation“ – in der Stiftung eine zentrale Koordinierungs- und Servicestelle für die Digitalisierung von Zeitzeugeninterviews, die in BKM-geförderten Institutionen vorliegen, aufzubauen.
Ziel war und ist es, die vorhandenen Bestände zu erfassen, zu digitalisieren und zu erschließen, für Gedächtnis- und Forschungsinstitutionen sowie die interessierte Öffentlichkeit zugänglich zu machen und in enger Kooperation mit dem Bundesarchiv langfristig digital zu archivieren. Bei der Umwandlung analog vorliegender Daten in digitale Dateiformate entsteht bestenfalls eine Datei ohne verlustbehaftete Datenkompression, die eine digitale Langzeitarchivierung ermöglicht, sowie eine Sichtungs- und Nutzungskopie. Damit werden viele der Interviews erstmals wieder nutzbar und es besteht die Möglichkeit, die Dateien digital zu verwalten, zu speichern und zu präsentieren. Zudem können die Interviews weiter verarbeitet und etwa mithilfe computergestützter Verfahren tiefergehend erschlossen werden. Die digitale Langzeitarchivierung dient dazu, die Dateien sowohl zu sichern als auch ihre langfristige Nutzbarkeit zu gewährleisten.[128]
Um diese Vorhaben zu realisieren, erhielt die Stiftung zusätzliche Mittel und Personalstellen. Anfang 2017 nahm das Zeitzeugen-Team seine Arbeit auf, der privatrechtliche Verein „Gedächtnis der Nation“ wurde aufgelöst und das verbleibende Vermögen auf die Stiftung übertragen. In engem Austausch mit den betreffenden Institutionen arbeitet das Team seither an einem Überblick über den Zustand, die Formate und Themen des vorliegenden Interviewmaterials sowie dessen Sicherung. Da vielfach keine ausreichenden personellen oder finanziellen Kapazitäten vorhanden sind, besteht seitens der angefragten Institutionen ein großes Interesse an diesem Angebot. Kooperationsverträge definieren die Rahmenbedingungen und halten unter anderem fest, dass alle Rechte an den Beständen bei den Institutionen verbleiben.[129] Bis Ende 2022 konnten bereits über 8.200 Stunden Material digitalisiert werden. Zugleich strebt das Team die technische und methodische Standardisierung professioneller Zeitzeugenarbeit an und baut Kompetenzen zur Durchführung, Nachbereitung und dem weiteren Einsatz von Interviews auf. In Workshops wird diese Expertise mit den beteiligten Institutionen, Lehrkräften und Schulklassen sowie weiteren Multiplikator:innen geteilt.
Parallel arbeitete das Zeitzeugen-Team an der zentralen Plattform, dem seit Juli 2017 zugänglichem Zeitzeugenportal: Entlang der drei Zugänge „Zeiträume“, „Themen“ und „Personen“ sind aktuell über 8.500 Clips zu zentralen historischen Ereignissen und Themen vom Ersten Weltkrieg bis ins 21. Jahrhundert zugänglich. Neben den Vereinsbeständen befinden sich darunter auch Interviews mit bedeutenden Persönlichkeiten der deutschen Zeitgeschichte aus dem Archivbestand des ZDF sowie Interviews, die seitens der Stiftung seit 2010 für die Verwendung in Ausstellungen oder zur Dokumentation einzelner Biografien angefertigt wurden. Alle bereitgestellten Interviews sind mit kontextualisierenden Zusatzinformationen versehen. Das Portal wendet sich gleichermaßen an die breite Öffentlichkeit, die mithilfe des niedrigschwelligen Zugangs und der benutzerfreundlichen Oberfläche für das Medium „Zeitzeugeninterview“ sensibilisiert werden soll, sowie in seiner Funktion als Quellenfundus und Recherchemittel an Forschung und Wissenschaft.
Perspektivisch sollen zudem die digitalisierten Interviews der BKM-geförderten und -finanzierten Institutionen Eingang in das Portal finden. Hürden stellen dabei allerding die rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die teils traumatisierenden Inhalte des Materials dar. Aufgrund des Alters der Materialien enthalten die Rechtevereinbarungen häufig keinen Passus zur digitalen Bereitstellung. Möglich wäre es daher, einen abgestuften Zugang für das Portal zu entwickeln, der beschränkt zugängliche Inhalte nach Autorisierung bereitstellt und digital nicht zu veröffentlichende Bestände im Sinne eines Findbuchs verzeichnet. Das Zeitzeugenportal hostet alle Videobeiträge auf YouTube, teilt sie in einem mit mehr als 80.000 Abonnent:innen (Stand: Dezember 2022) stark nachgefragten Kanal und bettet die Inhalte zusätzlich auf der eigenen Website ein. Damit ist das Projekt auch ein Beispiel für ein museales Angebot, das für Nutzer:innen losgelöst vom Wissen um die Existenz der Institution funktionieren kann. Die bereitgestellten Inhalte können für unterschiedliche Nutzungsszenarien eingesetzt werden und finden etwa im Schulunterricht, in der Forschung wie auch in weiteren musealen Projekten Verwendung.[131]
Weitere Zeitzeugenprojekte
Auch einzelne Museen und Gedenkstätten bieten auf ihren Websites sowie in ihren Archiven Interviews mit Zeitzeug:innen an. Diese werden entweder als eigene Ressourcen dargestellt oder
in umfangreiche Online-Projekte eingebunden. Beispiele hierfür finden sich etwa beim Haus der Bayerischen Geschichte mit dem Portal Zeitzeugen berichten, einer seit 1986 ständig wachsenden Sammlung mit Personen der bayerischen Zeitgeschichte, oder bei der KZ-Gedenkstätte Dachau mit dem Projekt Stimmen der Überlebenden. Auch die Gedenkstätte Yad Vashem bietet eine thematisch sortierte Sammlung an Video-Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen. Die österreichische Mediathek enthält als audiovisuelles Archiv u.a. über 1.000 Berichte von Zeitzeug:innen; ferner sei das Archiv der Erinnerung der Gedenkstätte Amthordurchgang genannt. Weitere Optionen, persönliche Erzählungen und Geschichten im digitalen Raum darzustellen, präsentiert das Online-Projekt An Unrecht erinnern zum Schicksal sowjetischer Kriegsgefangener der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz (in Kooperation mit Memorial International Moskau, dem Museum Berlin-Karlshorst und weiteren Gedenkstätten). Weitere Museen und Gedenkstätten, die Zeitzeugeninterviews für die Vermittlung in digitalen Angeboten einsetzen, sind etwa das Donauschwäbische Zentralmuseum (Zeitzeugen erzählen) und die Stiftung Berliner Mauer, die ausführliche Ressourcen zu diesem Thema bereitstellt.
Im Sinne der Oral History und der damit verbundenen Forschung beschäftigen sich Universitäten, Archive sowie weitere Akteur:innen der historisch-politischen Bildung ebenfalls intensiv mit Zeitzeugeninterviews. Beispiele hierfür sind das Archiv der anderen Erinnerungen der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, das LSBTIQ*-Lebenswelten zum Thema hat, das Archiv der Flucht des Hauses der Kulturen der Welt, das die Geschichte von seit 1945 nach Deutschland migrierten Menschen beinhaltet sowie der Zeitzeugenbestand der Beauftragten des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur. Die größten Oral History-Einrichtungen Deutschlands, das Center für Digitale Systeme an der Universitäts-bibliothek der Freien Universität Berlin, das Archiv „Deutsches Gedächtnis“ der FernUniversität Hagen und die „Werkstatt der Erinnerung“ an der Forschungsstelle für Zeitgeschichte Hamburg arbeiten gemeinsam mit weiteren Partnerinstitutionen aktuell an der Plattform Oral-History.Digital. Ab 2023 soll das Projekt als Repositorium für wissenschaftliche Interview-Sammlungen dienen, sie somit institutionsübergreifend recherchier- und nutzbar machen sowie mit umfangreichen Materialien zur weiteren Professionalisierung im Umgang mit dieser Ressource beitragen. Mit über 50.000 Interviews verfügt das Visual History Archive der Shoah Foundation über die weltweit größte Sammlung von Interviews mit Zeitzeug:innen zu einem Thema.[144]
5. Digitale Erweiterungen
Mit den Mitteln der Digitalisierung wirken Museen und Gedenkstätten über ihre analogen Standorte hinaus: Ihre Angebote erweitern sich in den digitalen Raum und werden für ein größeres, potenziell globales Publikum zeit- und ortsunabhängig zugänglich. Formate, die Ausstellungen bisher analog flankierten, verlagern sich zunehmend ins Digitale und werden unter Berücksichtigung digitaler Logiken neu gedacht. Von Bedeutung sind dabei vor allem vier Nutzungsszenarien: Die Planung und (inhaltliche) Vorbereitung des Museumsbesuchs, Informationen und Angebote, die den Ausstellungsbesuch vor Ort begleiten, die vertiefende Auseinandersetzung mit den Ausstellungsinhalten im Nachgang des Besuchs oder die vollständig vom Besuch losgelöste, rein digitale Beschäftigung mit den Inhalten zu Bildungs- und Unterhaltungszwecken.
Digitale Vermittlungsangebote
Maßstäbe setzte auf dem Feld der digitalen kulturellen Vermittlungsformate im Jahr 2015 das Frankfurter Städel Museum: In Form einer responsiven Webseite erläutert das Digitorial zur Wechselausstellung „Monet und die Geburt des Impressionismus“ kunst- und kulturhistorische Kontexte und Informationen zu den Werken. Durch ein ansprechendes Storytelling, die Verbindung von Text, Abbildungen, Ton und Video sowie unterschiedliche Vertiefungsebenen lädt es die Besucher:innen dazu ein, sich vor, nach oder ganz unabhängig von der Ausstellung – und weit über ihre Laufzeit im Museum hinaus – mit dem Impressionismus auseinanderzusetzen. Das Format, das in Zusammenarbeit mit der SCHIRN Kunsthalle und der Liebieghaus Skulpturensammlung entstand, wird nun auch in Kooperation von acht Schweizer Museen adaptiert. Rund 40 Digitorials zu Wechselausstellungen und ausgewählten Themen sind bisher entstanden. Eingebettet sind die eigenen Digitorials in die umfassende digitale Strategie des Städel Museums, die nicht darauf zielt, „ein virtuelles Museum im digitalen Raum ‚nachzubauen‘“, sondern in der digitalen Erweiterung ein „eigenständiges Angebot“ sieht, „mit dem das analoge Programm im physischen Museum komplementär ergänzt wird“.[147] Inzwischen bieten weitere deutsche Museen – teils als fest etablierte Reihen, teils zu ausgewählten Wechselausstellungen bzw. Themen – sowie Gedenkstätten ähnliche Formate an. Schlaglichtartig sei ein Teil dieser Institutionen genannt:
Etwa die Häuser der Museumsstiftung Post und Telekommunikation, die seit 2017 – begleitend und abgestimmt auf Gestaltung sowie Thema der Wechselausstellungen – Expotizer („exposition“ und „appetizer“) anbieten (z. B. zur Ausstellung Klima_x). Das Badische Landesmuseum bietet zu seinen Wechselausstellungen das E-Learning-Format to go. Im Museum Barberini verlagern sich die Ausstellungsprologe in den virtuellen Raum. Anlässlich entsprechender Ausstellungsprojekte präsentierten drei Frankfurter Institutionen (Jüdisches Museum, Historisches Museum, Institut für Stadtgeschichte) an einem Ort Informationen zu Frankfurt und der Nationalsozialismus. Die Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße ermöglicht mit ihrem digitalen Pendant Andreasstrasse.de orts- und zeitunabhängig die Auseinandersetzung mit Unterdrückung und Widerstand während der SED-Diktatur. Das virtuelle Informations- und Gedenkportal für die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Mord begleitet die Arbeit des Gedenkortes an der Berliner Tiergartenstraße 4 digital. Mit dem Pageflow Kein gewöhnlicher Ausflug bereitet die Gedenkstätte Bergen-Belsen Schulklassen auf ihren Besuch vor.
Ein weiterer Vorteil ist die inklusive Gestaltung der Angebote: Mit Geschichte inklusiv bietet die Gedenkstätte für die Opfer der „Euthanasie“-Morde Brandenburg an der Havel barrierearm Informationen über die nationalsozialistischen „Euthanasie“-Verbrechen. Die Online-Präsenz der Wechselausstellung Die Stadt. Zwischen Skyline und Latrine des Staatlichen Museums für Archäologie Chemnitz beinhaltet mehrere Einstellungen, mithilfe derer die Seite inklusiver zugänglich wird. Parallele Online-Präsentationen sind allerdings weiterhin eine Ausnahme: 2020 liefen rund 80 Prozent der Wechselausstellungen in deutschen Museen ausschließlich analog, nur rund drei Prozent fanden rein digital statt.[157]
Ein besonderes Nutzungsszenario, bei dem sich analoger und digitaler Raum verschränken, findet sich in Gedenkstätten: Viele Orte, an denen sich heute Gedenkstätten befinden – etwa ehemalige Konzentrationslager oder Abschnitte der Berliner Mauer – veränderten sich über die Jahrzehnte mehrfach und wurden unterschiedlich genutzt. Mithilfe digitaler Angebote lassen sich topografische Veränderungen nachzeichnen und nicht mehr vorhandene bzw. zugängliche Areale erkunden. Dabei reichen die Projekte von Websites[158], die anhand überlagerter Zeitschichten Wandlungsprozesse aufzeigen, über 360°-Rundgänge[159] bis hin zu Augmented- und Virtual-Reality-Angeboten.[160] So macht etwa eine Augmented-Reality-App nicht mehr vorhandene Gebäude auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen virtuell sichtbar. Die baulichen Überreste werden auf diese Weise kontextualisiert und im Zusammenspiel mit historischen Fotos und Dokumenten sowie Zeitzeugenberichten für Besucher:innen verständlicher.[161]
Apps
Als Erweiterung auf den Smartphones der Besucher:innen entstanden in den letzten zehn Jahren zahlreiche mobile Anwendungen in Museen und Gedenkstätten. Neben Apps zu den permanenten Angeboten der Institutionen entstanden zusätzliche Apps, die sich an bestimmte Zielgruppen (z. B. Kinder, Menschen mit Behinderung) richteten oder temporäre Projekte begleiteten. Häufig dienen die Programme als Alternative zum Audio- bzw. Mediaguide auf einem Leihgerät[162], bieten Information zu der Institution sowie ihrer Angebote und unterstützen den individuellen Besuch wie zum Beispiel beim Deutschen Museum, dem Museum Folkwang oder dem Museum Barberini. Auch spielerische Zugänge werden für das Publikum per App bereitgestellt. Beispiele sind Perfect Match! Bode-Museum, Neanderthal: Memories oder Twiddle – the museum riddle der Leibniz-Forschungsmuseen. Da Apps – etwa wegen der notwendigen Installation – allerdings häufig hinter den Erwartungen zurückbleiben, werden digitale Ton- oder Videoinhalte zunehmend über eigene responsive Websites (wie die Audioguides der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland oder die Angebote in der Mediathek des Stuttgarter Stadtpalais) oder über bestehende Dienste, etwa SoundCloud (etwa Stadtmuseum Berlin und Deutsches Historisches Museum), angeboten.
Virtuelle Museen
Seit den 1990er Jahren verbreiteten sich im digitalen Raum sogenannte virtuelle bzw. digitale Museen und Ausstellungen. Allerdings sind diese Begriffe nicht geschützt und die damit bezeichneten Produkte äußerst heterogen.[173] Darunter fallen etwa Onepager[174], die sich häufig in Form von Scrollytelling in transmedialen Erzählweisen einem Thema widmen, objektbezogene Präsentationen von digitalisiertem Kulturgut[175] ebenso wie Plattformen, auf denen eine Region oder ein herausgehobenes Thema mithilfe von Texten, Abbildungen und Videos beleuchtet wird. Beispielhaft hierfür stehen Lebendiges Museum Online (LeMO), Virtuelles Museum zur Landesgeschichte Mecklenburg-Vorpommern, Virtuelles Museum Erkelenz, Virtuelles Museum Digital Humanities (Universität Trier) oder vimu, das virtuelle Museum zur Geschichte der deutsch-dänischen Grenzregion. Beispiel für eine virtuelle Ausstellung mit Plattform-Charakter sind: Gurs 1940. Die Deportation und Ermordung von südwestdeutschen Jüdinnen und Juden von der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, „Rassendiagnose: Zigeuner“. Der Völkermord an den Sinti und Roma und der lange Kampf um Anerkennung oder das virtuelle Diabetes Museum Österreich.
Virtuelle Gedenkstätten sind weniger weit verbreitet, werden allerdings auch genutzt, um etwa regionalgeschichtliche Forschungsergebnisse zur NS-Diktatur zu veröffentlichen. Ein Beispiel hierfür ist die virtuelle Gedenkstätte Viersen 1933–45. Ziel ist es zumeist nicht, real existierende Häuser im digitalen Raum „nachzubauen“, sondern die digitalen Instrumente für Vermittlung und niedrigschwellige Zugänge einzusetzen. Die Angebote verfügen daher häufig nicht über ein physisches Äquivalent und stammen nicht zwingend von einer Gedächtnisinstitution.[185]
Ein besonderes Beispiel ist das Virtuelle Migrationsmuseum des Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland (DOMiD e. V.). Das umfangreiche, didaktisch hochwertige Projekt beleuchtet – anhand von über 1.000 Objekten sowie über 40 Zeitzeugeninterviews – die Zeitgeschichte der Migration in Deutschland. Innerhalb einer fiktiven Stadtlandschaft erkunden Nutzer:innen drei Zeitepochen und setzen sich in neun unterschiedlichen Gebäuden mit Aspekten wie Bildung, Arbeit und Kultur auseinander. Damit repräsentiert das Projekt ein Museum, das im realen Raum in Köln aktuell erst entsteht und 2027 eröffnen soll.
6. Digital verfügbare Publikationen
Interessante Monografien zu aktuellen Fragestellungen und Debatten liefern unter anderem die teilweise im Open Access erscheinenden Reihen „Edition Museum“ und „Cultural Heritage Studies“ des transcript Verlags sowie Routledges „Research in Museum Studies“. Die elektronischen Volltexte sind von vielen deutschen Universitätsbibliotheken lizensiert.
Einen Überblick über wissenschaftliche Volltextzeitschriften im Internet geben die Elektronische Zeitschriftenbibliothek, JSTOR sowie dessen deutsches Pendant DigiZeitschriften. Für die Suche nach wissenschaftlichen Web-Dokumenten, auch zu musealen und erinnerungskulturellen Themen, bietet sich die Bielefeld Academic Search Engine an. Internationale, Open Access verfügbare Zeitschriften und Artikel lassen sich über das Directory of Open Access Journals recherchieren.
Im internationalen Raum sind vor allem die Zeitschriften Museum & Society des Department Museum Studies der Universität Leicester, Curator. The Museum Journal, ICOM’s museum international, Museum Management and Curatorship und Collections: A Journal for Museum and Archive Professionals relevant. Im deutschsprachigen Raum bilden sich viele der aktuellen Forschungs- und Diskussionsbeiträge zu Museen in den digital meist frei zugänglichen Zeitschriften der Verbände ab. Sowohl die bundesweit agierenden Verbände als auch die Museumsverbände und -ämter auf Landesebene veröffentlichen regelmäßig eine Vielzahl an Zeitschriften, Handreichungen und Mitteilungen, die über die jeweiligen Websites zugänglich sind.[200] Mit Blick auf Gedenkstätten für NS-Opfer ist vor allem der GedenkstättenRundbrief, eine historische Zeitschrift des Gedenkstättenforums, eine zentrale Informationsquelle. Rund um Themen der Erinnerungskultur sind auf internationaler Ebene vor allem Memory Studies und History and Memory interessant.
Mit Blick auf die Forschung über das deutsche Museumswesen bietet das Institut für Museumsforschung – das bereits 1979 als Institut für Museumskunde gegründet wurde und an den Staatlichen Museen zu Berlin ansässig ist – einen breiten Fundus an Materialien. Dies gilt besonders für die seit 1981 jährlich durchgeführten statistischen Erhebungen zu deutschen Museen und Gedenkstätten mit Sammlungsgut sowie die Mitteilungen und Berichte aus dem Institut, die Ergebnisse von Einzelprojekten und Fachtagungen veröffentlichen. Auf europäischer Ebene befasst die Gruppe EGMUS (European Group on Museum Statistics) sich mit der Sammlung und dem Vergleich solcher Statistiken. Einblicke in den Bildungsbereich gibt die zweimal jährlich erscheinende Fachzeitschrift Standbein Spielbein des Bundesverbands Museumspädagogik.[208] Einige Museen und Gedenkstätten veröffentlichen eigene Publikationen, wobei häufig vor allem Zeitschriften[209] und Tätigkeits- bzw. Geschäftsberichte[210] digital zugänglich sind.
Frei zugängliche Online-Magazine bzw. Zeitschriften, die sich mit Museen, Ausstellungen, Erinnerungskultur sowie allgemeinen kulturellen Neuigkeiten und Trends auseinandersetzen, sind beispielsweise musermeku, Politik & Kultur des Deutschen Kulturrats – der darüber hinaus eine Vielzahl an Publikationen bereitstellt – oder das Magazin des Kultur Management Networks. Zeitschriften, die sich nicht primär mit Museen und Gedenkstätten beschäftigen, allerdings regelmäßig verwandte Themen aufgreifen sind Public History Weekly, WerkstattGeschichte, die Österreichische Zeitschrift für Geschichts-wissenschaft sowie Geschichte der Gegenwart. In diesem Zusammenhang interessant sind auch die in Zeitgeschichte digital kumulierten digitalen Publikationen des Leibniz-Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam.
Insbesondere zu digitalen Themen erscheinen zunehmend Publikationen, die gemäß der Logik des digitalen Raums angeboten werden: 2019 gab die Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern mit „Das erweiterte Museum“ einen Sammelband heraus, der sowohl in gedruckter Form und digital freizugänglich unter der CC BY 4.0 Lizenz erschien. Begleitet wird die Publikation von einem dynamisch gestalteten Projektportal, das mit dem Programm dyps des Zentrums für Elektronisches Publizieren der Bayerischen Staatsbibliothek die Möglichkeiten des digitalen Raums erkundet.[219] Erstmals 2021 erschien das Journal of Digital History, das vom Luxembourg Centre for Contemporary and Digital History in Zusammenarbeit mit de Gruyter herausgegeben wird. Die digital verfügbaren Texte beinhalten mehrere Ebenen: Zum einen werden die Möglichkeiten des multimedialen Storytellings erkundet. Ergänzend legen eine hermeneutische und eine datenbezogene Ebene die methodischen Überlegungen bezüglich der verwendeten digitalen Instrumente sowie die zugrundeliegenden Daten dar.
Rezensionen zu geschichtswissenschaftlichen und erinnerungskulturellen Publikationen bietet auf europäischer Ebene Recensio. Besonders auf den deutschsprachigen Raum blicken sehepunkte sowie H-Soz-Kult, wobei letzteres zudem Ausstellungsrezensionen beinhaltet.
7. Kommunikation und Austausch
Das klassische digitale Informationsangebot und erster Anlaufpunkt von Museen und Gedenkstätten ist weiterhin die jeweilige Website – entweder über einen institutionseigenen Internetauftritt oder über die Online-Präsenz der in diesem Fall kommunalen Trägereinrichtungen. Dort finden sich vor allem Informationen für Besucher:innen, wie Öffnungszeiten und Adresse, zunehmend versammeln die Websites außerdem Informationen zu den analogen und digitalen Aktivitäten der Institutionen. Nur knapp fünf Prozent aller deutschen Museen verfügten 2018 noch über keinen offiziellen Internetauftritt.[224]
Viele Museen und Gedenkstätten sowie deren Verbände versenden eigene Newsletter, die in regelmäßigen Abständen über die laufenden Ausstellungen und Angebote informieren. Einen Überblick über die deutsche Museumslandschaft bieten folgende Newsletter: Mit „Aktuelles aus Museen“ trägt das Portal Museumsfernsehen – das auf der eigenen Website frei verfügbare Videos deutschsprachiger Museen bündelt – jeden Freitag Zeitungsartikel zu Museen weltweit sowie der DACH-Region zusammen. BlachReport Museum informiert wöchentlich über Ausstellungsgestaltung, Museumspraxis, technologische Neuerungen sowie Personalia und bietet auf der dazugehörigen Website ein Archiv dieser Meldungen. Bereits seit 2013 präsentiert Kultur im Web wöchentlich Neuigkeiten zur digitalen Transformation in Kunst, Kultur und Wissenschaft. Die über 500 Ausgaben sind weiterhin abrufbar. Gelegentliche Ausstellungs- und Literaturrezensionen ebenso wie Tagungsankündigungen und -berichte liefert der Newsletter von H-Soz-Kult. Vornehmlich über Kunstmuseen und Neuigkeiten aus dem Kunstbetrieb informiert der Newsletter des Kunstmagazins Monopol. Einen Hinweis auf Ausstellungen, Zeitungsartikel und freie Stellen gibt die Mailingliste museums-themen.
Permanent abrufbar sind Blogs, die in ihrer ursprünglichen Form bereits in den 1990er Jahren aufkamen und heute von einigen Museen und Gedenkstätten dauerhaft oder projektbezogen zur Kommunikation genutzt werden. Beispielhaft zu nennen sind: Deutsches Museum, Deutsches Historisches Museum, Jüdisches Museum München, Klassik Stiftung Weimar, Kunsthalle Bremen, Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, Blog des Forschungsprojekts Material – Beziehung – Geschlecht. Artefakte aus den KZ Ravensbrück und Sachsenhausen. Eine Plattform für alle Museen in Bayern bietet der Blog Museumsperlen. Übergreifende Ausstellungs- und Literaturkritiken sowie Reflexionen zu musealen Themen veröffentlichen weitere Blogs.[238] Geistes- und sozialwissenschaftliche Wissenschaftsblogs finden sich im – von Open Edition gemeinsam mit der Max Weber Stiftung bereitgestellten – Portal Hypotheses. „Geschichtswissenschaftliche Blogs auf einen Blick“ bietet Planet Clio.
Als weiteres Kommunikationsmittel etablierten sich – gerade während der Corona-Pandemie – Podcasts: Die Institutionen wenden sich dabei einzelnen Ausstellungsprojekten, ihren Sammlungen und thematischen Schwerpunkten, der alltäglichen Arbeit sowie übergreifenden gesellschaftspolitischen Fragen zu. Einzelne, meist institutions-unabhängige Podcasts nehmen die Kunst- und Kulturszene mit wechselnden Themen in den Blick. Einen breiten Überblick über Museums-Podcasts bietet das Magazin musermeku. Exemplarisch für Gedenkstätten seien die Podcasts Gedenkstätte trifft Wissenschaft (Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig), Grenzerfahrungen (Stiftung Berliner Mauer) und 29 Orte gegen das Vergessen. NS-Erinnerung in NRW (Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte NRW e. V.) genannt. Überblicksartige Informationen bieten Podcasts des Deutschlandfunks Kultur (Fazit, Kulturnachrichten) oder private Podcasts wie museumbug und Im Museum.
Seit Mitte der 2010er Jahre nutzen Museen und Gedenkstätten verstärkt soziale Medien, um die Öffentlichkeit zu informieren und mit ihr zu interagieren.[249] Während Plattformen wie Facebook, Instagram und YouTube[250] vor allem dazu dienen, mit dem Publikum in Kontakt zu treten und niedrigschwellig Wissen zu vermitteln, etablierte sich Twitter besonders als Kommunikationsmittel für die Fachcommunity. Obgleich die Nutzung von Twitter im Herbst 2022 kritisch diskutiert und vielfach ein Wechsel zu anderen Anbietern – beispielsweise Mastodon – erwogen wurde, finden sich dort weiterhin wichtige Debattenbeiträge. Zentrale Hashtags lauten #DigAMus (Digitale Angebote in Museen), #DigSMus (Digitale Strategien in Museen), #kulturdigital, #museum, #gedenkstätte, #erinnerungskultur, #openGLAM, #twitterstorians und #publichistory. Bei #AskAMuseum – 2010 unter dem Namen #AskACurator als erste große internationale Twitter-Aktion für Museen begonnen – und #MuseumsWeek handelt es sich um zwei jährlich wiederkehrende Projekte, die den Austausch mit dem Publikum fördern sollen. Über die Suchfunktion lassen sich mithilfe der genannten Hashtags zentrale Personen und Institutionen auffinden. Zudem existieren zahlreiche Listen, denen man folgen kann, um gezielt Content zu erhalten.[251] Auch neu aufkommende soziale Medien werden von Museen und Gedenkstätten auf ihr Kommunikations- und Vermittlungspotenzial geprüft: Erfolgreiches Beispiel hierfür ist der TikTok-Account der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, der – mit dem Fokus auf die Tätigkeit der dort arbeitenden internationalen Freiwilligen sowie historische Informationen – ab Ende 2021 innerhalb kürzester Zeit eine hohe Reichweite und Interaktionsrate erzielte.[252]
Während die Aktivitäten in den sozialen Medien bereits einen stärkeren Austausch mit dem Publikum ermöglichen, offenbaren Projekte wie das Stadtlabor Digital des Historischen Museums Frankfurt, welche kommunikativen und partizipativen Potenziale in diesem Bereich weiter zu erkunden sind: Eine kartenbasierte Internetplattform lädt User:innen seit 2017 dazu ein, mittels Audio-, Video-, Bild-, und Text-beiträgen ihre eigene Sicht sowie ihr Wissen zu Frankfurt am Main zu teilen. Durch den Crowd-Sourcing-Ansatz offenbaren sich multi-perspektivische Blicke auf die Stadt. Seine analoge Entsprechung findet das Stadtlabor in der Dauerausstellung „Frankfurt jetzt!“, in der ebenfalls ausgewählte digitale User-generierte Beiträge präsentiert werden. Exemplarisch illustriert das Projekt damit die veränderte Rolle des Publikums, das sich von passiven Besucher:innen zu aktiv nachfragenden, selbst beitragenden Personen wandelt.[254]
8. Ausblick
Spätestens seit der Jahrtausendwende ist zu beobachten, wie Digitalisierung mit steigender Geschwindigkeit und Intensität unsere Lebenswelt prägt. Wie die skizzierten Beispiele zeigen, erfasst diese Entwicklung auch Museen und Gedenkstätten. Die wiederholt diskutierte, vermeintliche Konkurrenz von Analog und Digital löst sich auf. Stattdessen begreifen die Institutionen den digitalen Raum zunehmend als Erweiterung oder neuen Standort. Angesichts des durchdringenden Digitalisierungsprozesses sowie der daraus entstehenden Möglichkeitsräume scheint sich – nach Felix Stalder – gar eine „Kultur der Digitalität“[255] zu etablieren. Digitales verbreitet sich dabei über einzelne Bereiche hinaus und verschränkt sich in hybriden Erscheinungsformen mit dem Analogen. Inwiefern dies in den nächsten Jahren weiter auf Museen und Gedenkstätten wirkt und sich in ihren Denkweisen, Konzepten und Angeboten – auch unter Berücksichtigung neuer Technologien, wie Künstlicher Intelligenz[256] – manifestiert, bleibt zu beobachten.
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Lisa Kemle ist als Referentin des Präsidenten bei der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland tätig.